Termingerechte Lieferung eines von der US-Regierung bestellten Topterroristen
Mit der Festnahme von Ghailani während des Parteitags der Demokraten wurde der Wunsch nach einem vorzeigbaren High Value Target erfüllt, gleichzeitig scheint sich aber der Terrorismus im Irak weiter zu verstärken
Zwei pakistanische Geiseln wurden im Irak getötet, während die pakistanische Regierung dem von der US-Regierung geäußerten Wunsch nachgekommen ist, Ende Juli zum Parteitag der Demokraten einen hohen al-Qaida-Angehörigen zu fangen. Auch Saudi-Arabien, ein anderer schwieriger Verbündeter der USA, hat sich zum passenden Termin bewegt und kundgetan, dass man überlege, muslimische Truppen für den Irak zu unterstützen. Man hat nicht lange darauf warten müssen, dass selbst die bloße Überlegung der saudischen Regierung, eine muslimische Truppe im Irak zu unterstützen, auf Drohungen seitens der Aufständischen stoßen wird. Der irakische Ministerpräsident Allawi begrüßte zwar die Idee, lehnte aber die Beteiligung von Truppen aus den Nachbarländern ab.
Vor allem die al-Sarkawi (Der Z-Mann) zugeordnete Terroristengruppe scheint ihren (medialen) Einfluss ausdehnen zu wollen (Neue Propaganda-Offensive der islamistischen Terroristen), obgleich eine andere Gruppe, zumindest eine Gruppe anderen Namens, nämlich Al-Jish Islami (Islamische Armee des Irak), nun auch zwei pakistanische Arbeiter getötet hat. Die Entführer, die sich damit einen ersten Auftritt verschafft haben, hatte den beiden Männern vorgeworfen, für das US-Militär zu arbeiten, und gefordert, dass der pakistanische Präsident Musharraf versichern soll, keine Truppen in den Irak zu senden. Mit der Tötung der beiden Geiseln sind nicht nur Muslims zum Opfer geworden, sondern auch Bürger eines Landes, das (noch) keine Truppen entsandt hat. Im Juni war schon einmal ein Pakistani entführt, dann aber frei gelassen worden.
Pakistan, ein Verbündeter der USA und zugleich Brutstätte des islamistischen Extremismus sowie Förderer der Taliban, könnte durch solche Aktionen in eine Krise gestürzt werden. Die Opposition fordert von der Regierung eine klare Entscheidung, keine Truppen in den Irak zu schicken, und warnt davor, sich total den USA zu unterwerfen. Die Ermordung der beiden Pakistani wird der Regierung angelastet.
Musharraf ist durch einen Putsch an die Macht gekommen und taktiert seit dem 11.9. zwischen den Forderungen der USA und dem Druck aus Teilen der eigenen Bevölkerung.. Im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan sollen sich auch al-Qaida-Mitglieder, womöglich sogar Bin Laden aufhalten. Das militärische Vorgehen war bislang eher vergeblich (Orientalischer Krieg gegen Terroristen). Die US-Regierung ging bislang mit Samthandschuhen mit der Atommacht Pakistan um, obgleich deutlich wurde, dass das Land ganz vorne steht, was die Proliferation von Atomwaffentechnologie betrifft. Gerade erst hat der US-Kongress 700 Millionen Dollar zur Unterstützung von Pakistan bewilligt. 300 Millionen Wirtschaftshilfe, 300 Millionen für die Rüstung, 40 Millionen für die Drogenkontrolle, 6 Millionen für den Kampf gegen den Terrorismus und 58 Millionen für die Gesundheitsvorsorge von Kindern und andere Entwicklungsvorhaben.
Immerhin macht das Musharraf-Regime taktisch geschickt immer wieder einmal Züge, die den Wünschen der US-Regierung entgegen kommen. Neben einigen bekannten al-Qaida-Mitgliedern - vor allem Abu Zubaydah, Ramsi Binalshibb (Motassadeq zum Zweiten) und Khalid Sheikh Mohammed (Al Qaida und die Abhöroperation "Mont Blanc") - hat Pakistan angeblich an die 500 mutmaßliche Terroristen gefangen genommen und die meisten den Amerikanern übergeben. Die Gefangenen sind in Guantananmo oder anderen Lagern verschwunden. Jetzt wurde pünktlich das bestellte HVT (High Value Target), also ein hohes al-Qaida-Mitglied, geliefert (Telephon für ein Phantom). Musharraf selbst hatte die Gefangennahme bekannt gegeben, der Innenminister Faisal Saleh Hayat bestätigte am Freitag, dass Ahmed Khalfan Ghailani festgenommen worden ist, und beschrieb dies als "einen phänomenalen Erfolg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus". Ghailani wird für die Anschläge auf die afrikanischen Botschaften im Jahr 1998 verantwortlich gemacht und wird vom FBI auf der Liste der meistgesuchten Terroristen mit einem Preisgeld bis zu 25 Millionen Dollar geführt.
Ghailani stammt nicht aus Pakistan, Afghanistan oder arabischen Länder, sondern aus Tansania. Möglicherweise hat dies die Festnahme auch innenpolitisch erleichtert. Ghailani soll zusammen mit anderen Afrikanern versucht haben, aus Pakistan zu fliehen. Zuvor soll er in Afghanistan gelebt haben. Angeblich seien Ghailani, seine usbekische Frau und zwei weitere Afrikaner bereits letztes Wochenende bei einer Schießerei in Gujarat festgenommen worden. Insgesamt seien 14 Personen, darunter auch Kinder und Frauen, festgenommen wurden. Ob sie nun schon länger in Haft sind oder Ghailanis Identität nun erst zum Wunschtermin der US-Regierung bekannt gegeben wurde, lässt sich nicht eruieren. Man will Ghailani den Amerikanern übergeben, wenn dies gewünscht würde, aber er soll zunächst verhört werden.
Anfang Juli hatte es in einem von New Republic veröffentlichten Artikel geheißen, dass die US-Regierung Pakistans Regierung unter Druck gesetzt hat, um zu passenden Terminen vor den Präsidentschaftswahlen "high value targets" zu liefern, die sich politisch und medial ausbeuten lassen. Am besten wäre natürlich, wenn bin Laden vor den Wahlen gefangen oder getötet präsentiert werden könnte. Dem Chef des pakistanischen Geheimdienstes wurden für die erste Lieferung präzise Daten gemacht, wie Geheimdienstmitarbeiter sagten: "Es wäre das Beste, wenn die Gefangennahme oder die Tötung von (einem) HVT am 26., 27 oder 28. Juli bekannt gegeben würde."
Das also ist mit der Festnahme von Ghailani geschehen. Es heißt allerdings, dass er bislang bei den Verhören noch keine Hinweise auf den Aufenthaltsort bin Ladens preisgegeben habe. Durchsucht würden auch ein bei ihm gefundener Computer und Disketten. Nun wird man sehen müssen, ob es auch mit pünktlichen Lieferungen von bin Laden oder Mullah Omar vor den Wahlen im November klappen wird. Manche vermuten ja bereits, dass bin Laden schon gefangen sein könnte, wenn er nicht bereits tot ist. Auch Saddam Hussein wurde zu einer guten Zeit aus seinem Loch geholt (Weitgehend unbemerkt hat US-Präsident Bush weitere Überwachungsmöglichkeiten für das FBI eingeführt).
Zunehmend nehmen die Terroristen im Irak auch wirtschaftliche Ziele ins Visier
Wieder ein andere Gruppe die "Todesschwadron der Mudschaheddin des Irak" hat vier jordanische Arbeiter als Geiseln genommen und verlangt, dass Jordanien nicht mehr die US-Regierung unterstützt. Wie immer präsentieren vermummte Männer die Gefangenen. Eine ebenfalls nicht weiter bekannte Gruppe namens "Islamische Geheimarmee" hat sieben Geiseln, drei Inder, drei Kenianer und einen Ägypter. Alle sind Fahrer einer kuwaitischen Firma. Die Gruppe droht, die erste Geisel heute zu töten, falls das Unternehmen sich nicht aus dem Irak zurückzieht. Ob die vielen Gruppen, die nun das Geschäft der Erpressung durch Geiselnahme betreiben, unabhängig voneinander agieren oder nur unterschiedliche Pseudonyme einer Organisation sind, wäre interessant zu wissen (Terrortheater).
Die Ägypter sollten die Botschaft verstehen, zumindest so, wie dies auch die philippinischen Menschen getan haben. Der indischen Regierung wird vorgeworfen, dass ihr Umgang mit ihren Bürgern, weit entfernt davon sei, wie Gandhi den Frieden herstellte und die Besatzung beendete.
Sarkawis Gruppe Tawhid el Dschihad, die mit einer Entführung bereits den Abzug der philippinischen Soldaten als Erfolg verbuchen kann, hat nun einen somalischen Arbeiter gefangen genommen. Zuvor hatte man schon neben Japan auch Pakistan, Jordanien, der Türkei, Indonesien, Malaysia und allen muslimischen Länder den Kampf angesagt, wenn sie die Amerikaner und die von diesen installierte Übergangsregierung von Allawi unterstützten sollten.
Jetzt hat Tawhid el Dschihad auf www.islamic-minbar.com, nachdem auch erneut eine Drohung vor allem gegen Italien über das Internet von einer anderen Gruppe verbreitet wurde, den Kampf gegen eine jede muslimische oder arabische Truppe angekündigt, die im Irak stationiert werden sollte. Vor allem werden Pakistan, Ägypten und Saudi-Araben gewarnt. Man werde gegen jedes Land kämpfen, das "mit den Juden oder Christen kooperiert". Pakistan und Saudi-Arabien würden versuchen, muslimische Truppen in den Irak zu schicken, "um ihren jüdischen und christlichen Freunden" zu Diensten zu sein.
Pakistan, Saudi-Arabien und Ägypten sind allesamt keine Demokratien und mit den USA verbunden. Auch die Unterstützung dieser Regime hat dazu beigetragen, die islamistischen Extremisten zu stärken. Nicht nur der Irak, wie ein Bericht des Ausschusses für Auswärtige Politik des britischen Parlaments sagt, sondern die ganze Region ist zu einem "al-Qaida-Schlachtfeld" geworden. Im Irak mag das Machtvakuum dafür verantwortlich sein, das durch dei Besatzung entstanden ist, in den anderen Ländern sind jedoch strategische Bündnisse mit den Machthabern ein Grund dafür, dass sich der Widerstand sowohl gegen die USA als auch gegen die von ihr unterstützten Regierungen wendet. Und die Ursache für das Machtvakuum im Irak liegt sicherlich auch nicht nur in der zu geringen Stärke der Besatzungstruppen, wie der Bericht suggeriert.
Ob die fortgesetzten Angriffe der US-Truppen gegen angebliche Stellungen der Sarkawi-Gruppe in Falludscha tatsächlich den beabsichtigten Effekt haben, die Terrorgruppe zu schwächen, ist fraglich. Erst gestern wurde wieder ein haus zerstört, wobei mehrere Menschen getötet und angeblich 90 Menschen verletzt wurden. Die Angriffe basieren auf Geheimdienstinformationen, also in aller Regel auf Berichten von Informanten, die oft nicht zuverlässig sind oder eigene Interessen verfolgen. Und trotz aller Präzisionswaffen fallen, sollte das Ziel tatsächlich richtig sein, auch immer Zivilisten den Angriffen zum Opfer, was die Ablehnung eher stärken dürfte.
Zudem scheinen sich die US-Truppen in der Strategie von Kollektivstrafen zu versuchen. So wurden Flugblätter über Falludscha aabgeworfen, in denen steht, dass 102 Millionen US-Dollar, dei für den Wiederaufbau reserviert wären, gesperrt würden, falls der Widerstand gegen die US-Truppen nicht aufhöre. Die Gelder würden nur "friedliche und offene Städte" erhalten. Eine Forderung ist, dass sich wieder US-Truppen frei in Falludscha bewegen können. Die Stadt ist mittlerweile zu einem islamistischen Stadtstaat geworden - und keineswegs zu einem Vorzeigeort für eine gelungene Demokratisierung..