Terroranschlag in Moskauer Konzerthalle: Warum Vorsicht bei Täter-Spekulationen geboten ist
Seite 2: Behauptung: USA und Ukraine stecken dahinter
- Terroranschlag in Moskauer Konzerthalle: Warum Vorsicht bei Täter-Spekulationen geboten ist
- Behauptung: USA und Ukraine stecken dahinter
- Auf einer Seite lesen
Michael Kugelman vom Wilson Center in Washington D.C. sagte, dass ISKP "Russland als Komplize bei Aktivitäten sieht, die regelmäßig Muslime unterdrücken". Im Oktober 2015 explodierte eine von der Isil platzierte Bombe in einem russischen Passagierflugzeug über dem Sinai und tötete alle 224 Menschen an Bord, die meisten von ihnen Russen, die aus ihrem Urlaub in Ägypten zurückkehrten.
Die russischen Behörden hatten vor Kurzem auch eine Reihe von Razzien gegen bewaffnete islamistische Kämpfer in der Region Inguschetien durchgeführt, die zu Feuergefechten zwischen der Polizei und den Kämpfern führten.
Währenddessen zirkulieren Spekulationen, dass hinter dem Anschlag die Ukraine oder gar die USA stecken könnten. Obwohl der Kreml sich bisher nicht dazu geäußert hat, verwiesen russische Vertreter und Abgeordnete auf Kiew.
Dmitri Medwedew, der ehemalige Präsident Russlands und jetzige stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, schrieb: "Wenn feststeht, dass es sich um Terroristen des Kiewer Regimes handelt, wird es nicht möglich sein, sie und diejenigen, die sie inspiriert haben, anders zu behandeln."
Sie alle sollten gefunden und unerbittlich als Terroristen vernichtet werden. Einschließlich der Beamten des Staates, der so etwas Böses getan hat. Tod für Tod.
Moskau: USA trainieren Isis-Kämpfer für Terrorakte in Russland
Ukrainische Regierungsvertreter haben erklärt, dass man keinerlei Verbindung zu dem Anschlag habe. "Die Ukraine hat ganz sicher nichts mit den Schüssen/Explosionen im Crocus Theater (Region Moskau, Russland) zu tun. Das ergibt überhaupt keinen Sinn", sagte Mykhailo Podolyak, ein Berater der ukrainischen Präsidialverwaltung.
"Die Ukraine hat nie zu terroristischen Methoden gegriffen", sagte er. "Solche Taten sind immer sinnlos."
Auch in Richtung Washington gibt es Verdächtigungen, die jedoch auf die sozialen Medien beschränkt sind. Dort wird insinuiert, dass die USA hinter dem Anschlag stecken würden.
Diese Spekulation kann sich durchaus auf Anschuldigungen von Moskau stützen. Russland behauptet seit geraumer Zeit, dass die USA Isis gegen Russland in Stellung bringen. Im Mai letzten Jahres sagte der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergey Naryshkin, dass die US-Militärbasis Al-Tanf an der Grenze zwischen Syrien, Jordanien und Irak für die Ausbildung von Terroristen von Daesh/Isis genutzt wird, um Terroranschläge in Syrien und Russland zu verüben.
Gefährliche Spekulationen
Doch dafür, dass die Ukraine oder gar die USA hinter dem Anschlag auf die Moskauer Konzerthalle stecken, gibt es bisher keine Hinweise, Indizien oder gar Beweise, die vorgelegt wurden. Es sind zudem gefährliche Spekulationen, die Öl ins Feuer gießen in einer an sich schon extrem angespannten geopolitischen Konfrontationslage.
Sicherlich ist es so, dass die Ukraine in Reaktion auf die russische Aggression begonnen hat, auch vereinzelt Angriffe auf russisches Territorium auszuführen. Jüngst waren es vergeltende Bombardierungen auf russische Ölraffinerien und Strominfrastrukturen mittels Drohnenangriffen. Aber ein Terrorangriff auf Theaterbesucher mit toten Kindern ist eine ganz andere Kategorie.
Damit würde Kiew das Risiko eingehen, jegliche internationale Unterstützung zu verlieren (wenn eine Beteiligung festgestellt werden würde), wobei diejenigen, die darin involviert gewesen sind, zur Rechenschaft gezogen würden.
Für die USA wären die Folgen noch dramatischer. Sollte Moskau nur zu der Überzeugung kommen, dass Washington dahintersteckt, wäre es sehr wahrscheinlich, dass man das als Kriegserklärung ansieht und dementsprechend darauf reagieren würde. Willkommen im Dritten Weltkrieg und einem möglichen nuklearen Armageddon.
Bitte keine weitere Eskalation
Aber abseits der Frage, warum die USA Russland vor möglichen Anschlägen warnten, stellt sich eine weitere: Warum ein Terrorangriff gegen Zivilisten in einer Konzerthalle, was, wenn es herauskäme (wie gesagt, absolut realistisch), die USA zum Paria der Weltgemeinschaft machen würde, während der Rest an Glaubwürdigkeit Washingtons dahin wäre? Warum wählte man nicht zumindest ein politisch-militärisches Ziel?
Fest steht: Bisher wissen wir sehr wenig, was kurz nach der Tat nicht verwundert. Man sollte sich mit Spekulationen zurückhalten, die Indizienlage anschauen sowie Plausibilität und Motivlagen beachten.
Denn Eskalationspotenziale zwischen Russland und der Ukraine, Russland und den Vereinigten Staaten gibt es im Übermaß. Einen weiteren Treiber, der zudem vollkommen unnötig ist, braucht es nun wirklich nicht.