Thailand: Banken in Flammen und Facebook nicht erreichbar

Auch nachdem die Führer der oppositionellen Rothemden ihren Aufstand offiziell abgesagt haben, bleibt die Lage weiter unübersichtlich

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Gestern brannten in Bangkoks Ratchaprasong-Viertel 27 Gebäude - darunter mehrere Banken und die Börse. Wie und durch wen es dazu kam ist ebenso unklar wie die Frage, wer die oppositionellen Rothemden, die das Viertel lange besetzten, derzeit lenkt. Natawut Saikua, Weng Tojirakarn und fünf weitere Führer der Bewegung hatten die Proteste nämlich formell abgeblasen, nachdem die Armee ihre Barrikaden gestürmt hatte. Man habe, so die Sieben in einer Rede an ihre Anhänger, das Menschenmögliche getan und wolle sich nun den Regierungskräften ergeben, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden.

Die seit 16. März andauernden Konflikte zwischen der Rothemden-Bewegung und der von ihren Gegnern, den Gelbhemden, dominierten Regierung sind ähnlich unübersichtlich wie die politischen Positionen der beiden Gruppierungen. Die Schuld für die zahlreichen Gewalttaten mit insgesamt mehr als 40 Toten, zu denen es im Laufe der Auseinandersetzungen kam, schieben sie sich gegenseitig zu, ohne dass wirklich überprüfbar wäre, wer die Wahrheit sagt und wer lügt. So behauptet beispielsweise die Regierung, dass die M-79-Granaten, die mehrere Menschen töten, von den Rothemden gezündet worden seien, während diese den Beschuss und die Brandstiftungen als False-Flag-Operationen der Sicherheitskräfte darstellen. Eine gültige Version der Geschichte, wie sie früher einmal Staatsmedien verbreiteten, scheint im Zeitalter der in Bangkok durchaus verbreiteten dezentralen Kommunikationsmittel nur mehr bedingt sichtbar. Jeder glaubt das, was sein Freundesnetzwerk gerade glaubt. Vielleicht deshalb blockt die Thailändische Regierung seit kurzem angeblich Twitter und Facebook. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass die derzeitige Nichterreichbarkeit dieser beiden Dienste rein technisch bedingt sein könnte.

Fernsehsender dürfen derzeit nur vorab genehmigte Programme ausstrahlen. Die Sicherheitskräfte verhängten über Bangkok zudem eine nächtliche Ausgangssperre, unter der mittlerweile etwa ein Drittel des Landes steht. Während Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva, der 2008 an die Macht kam, den Konflikt für beendet erklärte, sprach der Held der Rothemden, der 2006 vom Militär gestürzte Ministerpräsident Thaksin Shinawatra, gegenüber westlichen Medien von einem Guerillakrieg, welcher einer nicht näher konkretisierten Theorie nach der militärischen Niederschlagung eines Aufstandes folgen könne. Beide Politiker, sowohl Abhisit als auch Thaksin, sind keine unbedingt integren Figuren: Unter Abhisit gingen Geldströme ausgesprochen seltsame Wege und Thaksin machte sich beim Volk zwar mit einer bezahlbaren Krankenversicherung beliebt, scheint aber während seiner Regierungszeit nur bedingt Wert auf Rechtstaatlichkeit gelegt zu haben. Im Rahmen seines Krieges gegen Ya ba, eine Mischung aus Methamphetamin und Koffein, soll es willkürliche Festnahmequoten gegeben haben, denen viele Unschuldige zum Opfer fielen. Und im bewaffneten Konflikt mit den malaiischen Rebellen im Süden das Landes verübten angeblich nicht nur die Separatisten Greueltaten, sondern auch die unter der Aufsicht des Ministerpräsidenten handelnden Sicherheitskräfte.

Neu angefacht werden könnten die Auseinandersetzungen zwischen Rot- und Gelbhemden - so sie denn jetzt tatsächlich beendet sein sollten - spätestens dann, wenn der greise König Bhumipol stirbt. Derzeit liegt er im Krankenhaus und hat sich zu den Unruhen noch nicht öffentlich zu Wort gemeldet. Kronprinz Maha Vajiralongkorn wird, was seine Fähigkeiten als Regent betrifft, manchmal mit dem deutschen Kaiser Willhelm II. verglichen. Aufgrund des extrem weit gefassten Straftatbestandes der Majestätsbeleidigung, der die gesamte Chakri-Dynastie schützt, darf er nur in ausgesprochen diplomatischer Weise kritisiert werden. Tritt er die der Thronfolge an, dann könnte, so wird in Thailand befürchtet, die Akzeptanz der Monarchie insgesamt leiden und die beiden verfeindeten Gruppen würden sich vielleicht nicht nur intensivere, sondern auch länger andauernde Gefechte liefern.