"The American Way of Life" achtet den Konsumenten gering

"Augen zu und durch", das ist die mehrheitliche Devise der Politiker in den Vereinigten Staaten, die den weltweit trägen Verkauf von genveränderten Lebensmitteln in Gang bringen wollen

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Georges W. Bush, der amerikanische Präsident, will die Welt davon überzeugen, dass genetisch modifizierte (GM) Nahrungsmittel zum Wohl aller Menschen sind. "Die EU verweigert den europäischen Konsumenten die wahre Entscheidung", wiederholte Robert Zoellick vom US Außenhandelsministerium den Vorwurf der Regierung, Old Europe baue absichtlich Handelsbeschränkungen auf. Ein letztmaliger Versuch, die Europäer umzustimmen, scheiterte zu Fronleichnam in Genf. Genveränderte Lebensmittel, so betonen die Offiziellen aus Washington, seien unschädlich, wüchsen schneller als traditionelle Pflanzen und sei gegen viele Insekten resistent. "40 Prozent des Getreides in den Vereinigten Staaten sind bereits genetisch", prahlte Robert Zoellick.

Die Argumentation übersieht, dass im eigenen Land reichliche Kritik an der überstürzten Entwicklung besteht. The Pew Charitable Trust verwies kürzlich auf mehr als 150 Initiativen, die in den letzten zwei Jahren in Washington und in den Parlamenten der Bundesstaaten eingebracht wurden. Die Reaktionen folgen einem einheitlichem Schema: überall setzen sich Politiker durch, die bereits ohne solide wissenschaftliche Untersuchungen und ohne den Verlauf weiter kontrollieren zu wollen, die Erkenntnis ihres Präsidenten nachplappern: Genveränderte Lebensmittel waren, sind und bleiben unschädlich.

Anzahl der eingebrachten Initiativen in den US Bundesstaaten (Credit Pew Charitable Trust)

Augen zu

In der Gesetzgebung abgeschmettert oder "dead" sind viele elementare Forderungen, die sehr an die unbequemen Initiativen a la Europe erinnern:

Nein, der "Genetically Engineered Food Right to Know Act" wird nicht eingeführt. Folglich müssen genveränderte Lebensmittel nicht gekennzeichnet werden, und es gibt auch keine behördliche Kontrolle.

Nein, der "Federal Food, Drug, and Cosmetic Act" wird nicht erweitert. Somit darf die FDA als zuständige Gesundheitsbehörde kein genetisch produziertes Produkt prüfen und womöglich die Verbreitung untersagen.

Nein, es kommt zu keinem "Genetically Engineered Crop and Animal Farmer Protection Act". Folglich müssen die Biotech-Firmen die Bauern und sonstigen Käufer nicht über die Risiken und potentiell schädlichen Einflüsse auf die Umgebung schriftlich aufklären.

Nein, der "Genetically Engineered Organism Liability Act" kommt nicht zustande. Danach wären die Biotech-Firmen für Umweltschäden, die durch ihre Produkte entstehen, haftbar zu machen.

Nein, es besteht kein Schutz der Landwirtschaft gemäß der "grandfather clause". Somit können althergebrachte Produkte von den Biotech-Firmen unterminiert werden. Schlimmstenfalls muss ein "organischer" Bauer zu seinen Lasten und zu seinen Kosten beweisen, dass er kein genverändertes Getreide anpflanzt. Natürliche Pflanzen werden zunehmend aussterben wie das Beispiel Mexiko zeigt, dort nämlich, wo die Aussaat aus den USA hinüber geweht wird.

Selbst das Argument, Genveränderte Lebensmittel seien eine Waffe gegen den Hunger in der Welt, entpuppt sich als Zeitbombe: Der "Real Solutions to World Hunger Act" sollte Produzenten unter Strafe stellen, falls sie genveränderte Lebensmittel exportieren, die in den Vereinigten Staaten nicht zugelassen ist. Auch diese Regelung wurde abgeschmettert. Nun ist es Sache des europäischen Importeurs, die Qualität zu prüfen.

Die meisten Initiativen zum Schutz des Konsumenten wurden abgeschmettert. (Credit Pew Charitable Trust)

Wir wissen heute nicht, was morgen ist

Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick in den kürzlich erschienen Report von der "Doyle Foundation for the International Council for Science" (ICSU ):New Genetics, Food and Agriculture: Scientific Discoveries - Societal Dilemmas

Danach sind genveränderte Lebensmittel nach Übereinstimmung vieler Wissenschaftler ungefährlich und bisher ohne erkennbare schädliche Nebenwirkungen. Der Bericht gründet sich vornehmlich auf Informationen, die von US-Herstellern erarbeitet oder in Auftrag gegeben wurden. Wissenschaftlich ungeklärt, das gesteht der Report zu, ist die Frage: welche Auswirkungen erfährt die ungehinderte Verbreitung von genmodifizierten Produkten durch Umwelteinflüsse oder durch genetische Faktoren. Auch über das Morgen besteht Einigkeit: Die Langzeitwirkungen sind unbekannt.

Das politische Argument

Der Protektionismus der EU gefährdet die Wiederwahl von Georges W. Bush, hat er seinen Landwirten doch versprochen, alles zu tun, um ihren Gewinn zu fördern. Der europäische Markt wird nach Berechnungen der American Farm Bureau Federation auf 300 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt. Kein geringer Betrag also, mit dem die Landwirtschaft der Vereinigten Staaten angekurbelt werden soll.

Was wurde in Genf von europäischer Seite gefordert? Mehr Informationen über die langfristigen Auswirkungen von genveränderten Nahrungsmitteln. Falls die Behörden der USA keine Daten vorlegen können, müssen die Kriterien in der EU erarbeitet werden. Noch im Sommer will das Europäische Parlament darüber entscheiden, wie genveränderte Lebensmittel deklariert werden. Und schließlich lässt die EU nicht vom Cartagena Protocol on Biosafety ab, dem die Vereinigten Staaten bisher nicht beitraten.

Nach der vergeblichen Konsultation in Genf wird das Gerichtsverfahren vor der "World Trade Organization" unausweichlich. Das Häuflein der Willigen, die gegen die EU und ihre Politik vor Gericht ziehen wollen, hat inzwischen merklich abgenommen. Ägypten ist als Kläger offiziell abgesprungen, eine Handvoll anderer Staaten hält sich zurück, weil sie um ihre Exportchancen nach Europa fürchten. Und so wird Argentinien im Krieg um genveränderte Lebensmittel, was Großbritannien im Irakkrieg war.

Um den Kreis der Anhänger zu erweitern, pumpt die "United States Agency for International Development" (USAID) knapp 15 Millionen Dollar nach Bangladesch, Indien, Indonesien, die Philippinen, sowie nach Afrika. "Das "Program for Biosafety Systems" soll regionale Kooperationen in Gang bringen und die Regierungen darin unterstützen, wissenschaftlich begründete Politik mit genverändertem Getreide zu installieren", heißt es in der Verlautbarung.

Die Diskussion für oder gegen GM Nahrungsmittel wird seit Anbeginn sehr emotional geführt. Die Aktionen und Reaktionen der Vereinigten Staaten sind nicht dazu angetan, das Vertrauen in genveränderte Lebensmittel zu fördern. Warum handeln die Politiker in puncto Nahrungsmittel ganz anders als dort, wo sie Häuser und Brücken gefährdet sehen und dafür Kriege in die Welt tragen?