The Bush Witch Project

Amerikas Reise in die Vergangenheit

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Betrachtet man die Auswahl der Minister in der neuen Regierung von George W. Bush, so ist dies nicht nur ein Rückschritt in die Regierungszeit des Vaters, sondern die Reise geht nahezu 20 Jahre zurück in die Reagan-Ära. Amerika vollzieht einen Rechtsruck hin zu einer Strategie der Stärke, die wahrscheinlich auch vor ausufernder Gewalt nicht zurückschrecken wird. Kein geringer als Ronald Reagan jagte bekanntlich als 'Governor' von Kalifornien Demonstranten in bester Vietnam-Manier mit dem Helikopter. In den Zeiten des Stealth-Bombers und der Star Wars-Programme wird die Opposition sicherlich in Bälde in Big Brother-Manier durch Supercomputer überwacht werden. Es ist abzusehen, dass auch das Schuldenmachen in den USA noch weiter ausgebaut wird.

Da der ökonomische Berater von Bush Larry Lindsey ein Anhänger der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik Reagans war, dürfte die Umverteilungspolitik in Form von Steuererleichterungen für die Millionäre zu einer neuen Blüte kommen. Dass jedoch die avisierten Steuererleichterungen von 1.600 Milliarden US-Dollar mit Geld gegeben werden, was noch gar nicht verdient ist, wird die Staatsverschuldung in den nächsten Jahren in den USA wahrscheinlich weiter sehr stark zunehmen und spätestens ab dem Jahr 2008 japanische Verhältnisse annehmen.

Einige der Minister und Berater im Bush-Kabinett lassen sich als Weltmacht-Fetischisten wie Dick Cheney oder Kalte Krieger wie Colin Powell charakterisieren. Angereichert wird dieses machtorientierte Gemisch mit bizarren Komponenten aus Suppenküchen-Wohlfahrtsanhängern à la Olasky (bei dem sich die Kirche um die Ärmsten in Form von Suppenverteilung wie im 19. Jahrhundert kümmert) und von Neodarwinisten à la Magnet (bei dem jegliche staatliche Wohlfahrt eliminiert werden sollte) bilden. Marvin Olasky ist Bushs Vordenker für den Kampf gegen "Social Welfare" auf religiöser Basis: "We must place in the hands of state officials all decisions about welfare and the financing of it, and then press them to put welfare entirely in the hands of church- and community- based organizations."

Myron Magnet steht für denselben Kampf, da für ihn die Armen den ihnen in der Gesellschaft zugewiesenen Platz ganz unten akzeptieren sollten. Die Reichen brauchen somit keinerlei Solidarität zu üben: "The idea at the heart of the new policies is that no one is "entitled" to the unconditional support of his or her neighbors"

Fokus Lateinamerika

In den letzten Wochen wurden von Bush eine Vielzahl von Telefonaten mit lateinamerikanischen Politikern geführt, da Amerika dort seinen Machteinfluss weiter ausbauen möchte. Da man nach langen Jahren der wirtschaftlichen Probleme in Brasilien, Chile, Argentinien und Mexiko eine Boomphase erwartet, möchten die USA dort eine Schlüsselrolle einnehmen. Weil Bush aus dem multikulturellen Texas kommt, glaubt er die mexikanischen und lateinamerikanischen Menschen bestens zu kennen.

Diese Bevölkerungsgruppen sind auch die am schnellsten wachsenden, weswegen es unter politischen Gesichtspunkten für die republikanische Partei geradezu überlebensnotwendig ist, ihre Machteinflusssphäre dorthin weiter auszudehnen. Eine Wiederwahl ohne die Stimmen der lateinamerikanischen Wähler dürfte nahezu unmöglich sein, zumal diese Wählerschicht vorzugsweise demokratisch wählt. Eine Freihandelszone, die sowohl Süd-, Mittel, als auch Nordamerika bis zum Jahr 2003 umfasst, ist deshalb das erklärte Ziel von Bush, das auf einem Gipfel in Quebec City im April diskutiert werden soll. Dass jedoch hauptsächlich die USA von einer derartigen Handelszone profitieren und weniger die lateinamerikanischen Länder, hat bereits das Beispiel Mexiko gezeigt. Welche Konsequenzen das Abkommen für den Umweltschutz hat, wird von den Republikanern ausgeklammert. Es ist abzusehen, das ein Wirtschaftsboom in Lateinamerika, ohne globale verbindliche Umweltvereinbarungen, denen sich die USA regelmäßig entziehen, in Südamerika zu einer ökologischen Katastrophe führen.

Kampf gegen die Umwelt und die Vereinten Nationen

George W. Bush ist dafür bekannt, dass er sich für die Umwelt nicht besonders interessiert. Der Mann, der in Texas die Öl-Lobby permanent unterstützte und sich stets gegen ökologieorientierte Innovationen stemmte, wird die ökologische Blockadepolitik der USA auf Umweltgipfeln endgültig zementieren und globale Regelungen in den nächsten Jahren verhindern. Republikaner haben vornehmlich ein Ziel, nämlich Geld zu verdienen. Besonders viel Geld wird bekanntlich dann verdient, wenn es zu Zerstörungen kommt, da man danach wieder besonders viel wieder aufbauen kann und dies die Wirtschaft fördert. Deshalb spielen republikanische Präsidenten mit Vorliebe Kriegsspiele, und sie haben auch nichts gegen die Klimakatastrophe, da die dadurch verursachten Zerstörungen einer Vielzahl von Unternehmen neue Einnahmequellen erschließen.

Es ist darüber hinaus abzusehen, dass in den Beziehungen Washingtons zu den Vereinten Nationen eine weitere Abkühlung eintreten wird. Der Bush-Clan steht der UNO sehr ablehnend gegenüber, da sich dessen Kriegsspiele nicht mit deren Friedensmissionen in Einklang bringen lassen. Während die UNO aufgrund ihrer Mission zur Friedensbewahrung eigentlich für einen Starpeace eintreten müsste, steht die amerikanische Neuauflage von Reagans Star Wars-Programmen der 80er Jahre einem derartigen Ansinnen diametral gegenüber. Das damalige Programm, welches 1993 verworfen wurde, sah vor, im Weltraum ein umfassendes Raketenabwehrsystem (SDI) in Stellung zu bringen, das Tausende feindlicher Waffen außerhalb des US-Territoriums gleichzeitig ausschalten sollte.

Was will George W. Bush?

Das Regieren wird dem Republikaner George W. Bush zwar wesentlich leichter fallen als Bill Clinton, da die Republikaner sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus eine knappe Mehrheit haben. Doch diese Konstellation der scheinbaren Stärke offenbart auch eine der größten Schwächen im System Bush. Die Gefahr der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft war in den letzten Hundert Jahren nie so groß wie heute. Der juristische Kampf um die Präsidentschaft hat die innenpolitischen Gräben stark vertieft. Hierbei hilft auch nicht, dass Bush bei seiner Antrittsrede zur Versöhnung und zur Solidarität aufrief. Republikaner handeln nur unter ihresgleichen solidarisch, nicht jedoch wenn es darum geht, soziale Gerechtigkeit zwischen Armen und Reichen herbeizuführen.

Es überrascht niemanden, dass Bush bereits kurz nach seinem Amtsantritt zahlreiche Verordnungen und Gesetzesvorlagen aus der Clinton-Ära rückgängig machte. George W. Bush dürfte trotz seiner Appelle zur nationalen Einheit in Bälde vor einem innenpolitischen Scherbenhaufen stehen. Während unter dem Präsidenten Clinton zumindest noch der Anschein der Beratung und der gemeinsamen Beschlussfassung mit Verbündeten und Alliierten gewahrt wurde, dürfte sich im Rahmen der neuen Außenpolitik von Colin Powell Amerika zunehmend isolieren und auch eine Spaltung mit Europa riskieren. Dieser Neo-Isolationismus wird Amerika in einer globalen Welt eher schwächen als stärken.

Da die Welt den Chefpolizisten Amerika immer weniger akzeptiert, werden Rüstungsprogramme im Alleingang und missionarische Kriege zum Waffenrecycling weltweit auch immer größeren Widerstand stoßen. Amerika hat immer noch nicht begriffen, dass in einer globalisierten Welt neue Partnerschaften und Netzwerke entstehen, die sich einseitigen Machtstrukturen vehement entgegensetzen werden. Bushs Antwort zur Sicherung der Überlegenheit ist die Neuauflage von Star Wars, um ballistische Interkontinentalraketen abzuwehren. Hierbei wird sich die Bush-Regierung sowohl über die Bedenken europäischer NATO-Partner als auch der Russen und Chinesen hinwegsetzen. Während unter Clinton China noch als "strategischer Partner" gesehen wurde, ist das Land der Mitte für den Krieger Bush ein "strategischer Konkurrent". Dabei wird vollständig ignoriert, dass die eigentliche Gefahr heute nicht von chinesischen Raketenwaffen ausgeht, sondern von möglichen Missbräuchen der Biotechnologie.

Kill the rocket!

Die Nationale Raketenabwehr (NMD) hat als Herzstück ein nur 60 Kilo schweres "Kill Vehicle". Dieses bildet das Herzstück der Abfangraketen, die die feindlichen Interkontinentalraketen während ihres Anflugs auf die USA zerstören sollen. Mit 25facher Schallgeschwindigkeit soll dieser auf den Sprengkopf der gegnerischen Rakete treffen und somit die atomare, biologische oder chemische Ladung zerstören. Damit dies funktionieren kann, ist ein Echtzeit-Aufklärungssystem mit höchster Präzision erforderlich.

Ob es jedoch mit den heutigen Technologien des Unsichtbarmachens von Waffen gelingen wird, die feindlichen Raketen überhaupt noch zu entdecken, ist ungewiss. Bei den bisherigen Test der neuen Technologie durch das US-Militär gab es bereits einen Flop. Außerdem muss man sich die Frage stellen, was ein Abwehrsystem nützt, das nur bei einer begrenzten Anzahl feindlicher Raketen funktioniert, jedoch bei einem massiven Angriff von Hunderten von Raketen versagen würde. Da das NMD-Programm aufgrund des geltenden ABM-Abrüstungsvertrages (Anti-Ballistic-Missile-Treaty) nicht erlaubt ist, wird ein Ausscheren der Amerikaner aus diesem Vertrag möglicherweise zu einem neuen Rüstungswettlauf mit Russland und China führen.

Erfindung von Feinbildern: the Bush Witch Project

Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges ist in der heutigen Zeit im Grunde kein großer Feind zu erkennen, der Amerika massiv bedroht. Nordkorea, der letzte Gegner des Kalten Krieges, lässt sich sicherlich kaum als Grund für ein NMD-Programm anführen. Doch wenn es keinen Feind gibt, kann man immer noch einen solchen erfinden.

Der Nuklearstratege Professor Theodore Postol hält die von Bush favorisierte Leichtversion vom "Krieg der Sterne" schon im Ansatz als völlig fehlerhaft, da der Angreifer mit der abgeschossenen Rakete gleichzeitig Dutzende Täuschkörper mit auf die Reise schicken kann, die es unmöglich machen, die Rakete zu treffen. Eine Konfrontation mit Russland macht ökonomisch keinen Sinn, da das Land sowieso bereits pleite ist und sich ein erneutes Wettrüsten sowieso nicht leisten kann. Wer Russland weiter destabilisiert und es provoziert, gefährdet den Weltfrieden und wird somit zwangsläufig einer weitergehenden Entdemokratisierung des Landes Vorschub leisten.

Für die USA ist China aus wirtschaftlichen Gründen zukünftig der strategische Hauptgegner, da es in den nächsten 5 bis 10 Jahren mit den Vereinigten Staaten im Bruttosozialprodukt gleichziehen wird. Wenn es China gelingt, seine Produktivität deutlich zu steigern, könnte es in den nächsten Jahren sogar zur dominierenden Kraft in der Weltwirtschaft avancieren. Dass dies für amerikanische Machtpolitiker eine ernsthafte ökonomische Bedrohung der amerikanischen Führungsrolle bedeutet, liegt somit auf der Hand. Der Hexenmeister USA muss deshalb neue Feinbilder erfinden. Sollte aufgrund der amerikanischen Provokation China weiter aufrüsten, werden sich Indien und Pakistan bedroht fühlen. Damit wird das mögliche Hauptziel des amerikanischen NMD-Programmes offensichtlich: die Destablisierung des asiatischen Raumes. Im Falle eines asiatischen Rüstungswettlauf könnten die USA somit ihre eigene Position stärken.

Um der amerikanischen Provokation den Wind aus den Segeln zu nehmen, könnte Asien einen Bündnispakt im Stile der NATO entwerfen, d.h. ein Bündnis zwischen China, Indien und Pakistan, das sich gegen die amerikanische Aufrüstung richtet. Amerika, das sich als auserwählte Nation empfindet, hätte damit ein ernsthaftes Problem, weil ein derartiges Bündnis der Stärke die USA dazu zwingen könnte, sich wieder an bestehende Abmachungen zu halten und die restlichen Staaten der Welt ernst zu nehmen. Amerika sollte sich anstatt eine einzige Weltordnung anzustreben wieder auf Thomas Jeffersons Ideale besinnen, also auf die Sicherung der Freiheit für alle Bürger. Diese Freiheit ist in einer globalen Gesellschaft jedoch nur realisierbar, wenn es keine Machtmonopole gibt.