Theater mit der russischen oder ausländischen Beeinflussung von Wahlen
Vor den Midterm-Wahlen in den USA werden wieder russische Angriffe mit innenpolitischer Agenda beschworen, dabei war das Misstrauen in das Wahlsystem schon lange groß
Erst 2019 wird es Wahlen in der Ukraine geben. Hardliner Olexander Turtschynow, ukrainischer Interimspräsident nach dem Sturz von Janukowitsch und zusammen mit Andriy Parubiy verantwortlich für die Antiterroroperation im Osten des Landes, ist seit Ende 2014 Vorsitzender des mächtigen Sicherheits- und Verteidigungsrats (NSDC). Er warnt bereits jetzt davon, dass sich Russland in die Wahlen einmischen wird. Solche Warnungen sind mittlerweile in vielen Ländern zu hören, meist dort, wo es politische Konflikte gibt oder Regierungen fürchten, die Macht zu verlieren.
Für Turtschynow ist die Destabilisierung der Ukraine eine der Prioritäten: "Sie werden sicher die Ergebnisse der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen beeinflussen wollen, aber wir schließen keine aggressiven Aktionen und Feindseligkeiten gegen unser Land aus, wenn sie erkennen, dass andere Methoden zu keinen Ergebnissen führen", sagte er am Dienstag.
Leicht durchschaubar ist hier die Aufrechterhaltung einer Drohkulisse, wobei die Übernahme der Rede von den Destabilisierungsversuchen aus den USA kaum verbergen kann, dass die Ukraine von innen heraus und dank der herrschenden politischen Klasse bereits destabilisiert ist. Da bräuchten die Russen eigentlich nicht mehr nachhelfen. Nach Umfragen stürzen die beiden verbliebenen Regierungsparteien, die Volksfront von Jazenuk und der Block Poroschenko, in die Bedeutungslosigkeit (Die gescheiterte Demokratie Ukraine).
Poroschenko, der angeblich wieder zur Wahl antreten will, hat keine Chancen, erneut Präsident zu werden. Am meisten Stimmen könnte noch Julia Timoschenko erreichen, aber alle Kandidaten liegen im einstelligen Prozentbereich. Das gilt auch für alle Parteien, so dass die Bildung einer instabilen Regierung aus mehreren Parteien zu erwarten ist, die noch weniger entscheidungsfähig sein wird, als die jetzige Regierung, die vor allem mit dem Oligarchen Poroschenko an der Macht kläglich an der Bekämpfung der Korruption gescheitert ist.
Midterm-Wahlen könnten Machtverhältnisse verschieben
Auch in den USA wird im Rahmen des zementierten Zwei-Parteien-Systems vor allem von demokratischer Seite weiter die Gefahr der russischen Einmischung in die Midterm-Wahl beschworen. Dabei geht es um die Mehrheitsverhältnisse im Kongress, sollten die Demokraten zulegen können. Vor allem im Senat ist die republikanische Mehrheit von 51 Sitzen gegenüber 47 Sitzen sehr eng. Im Repräsentantenhaus stellen auch die Republikaner mit 236 Sitzen noch eine Mehrheit gegenüber 193 demokratischen Abgeordneten, aber auch hier könnte einiges in Bewegung geraten, wenn die Demokraten Aufwind erhalten. Im Repräsentantenhaus werden alle 436 Abgeordneten neu gewählt, im Senat stehen 35 zu Wahl, allerdings 23, die bislang von Demokraten gehalten werden, gegenüber 8 von den Republikanern. Die zwei Sitze der "unabhängigen" Senatoren stehen ebenfalls zur Wahl.
Von außen gesehen, kann man sich natürlich fragen, was etwaige russische Hacker oder Beeinflussungsagenten genauer machen sollten, um welche Ziele zu erreichen. Die Trump-Opposition mitsamt der Trump-kritischen Medien geht davon aus, dass Moskau natürlich Trump und seine Anhänger favorisieren sollte. Trump hatte sich nicht nur gegen großen Widerstand doch mit Wladimir Putin getroffen, was allerdings weltpolitisch vernünftiger ist als eine Isolation, er hatte sich auch immer dagegen gewehrt, dass er und seine Wahlkampfteam geheime Absprachen (collusion) mit Moskau getroffen hätten, Mueller scheint nun von Absprachen auf Verschwörung umzusatteln Überdies sei dies kein Verbrechen, sagte Trump kürzlich, der auch seinen Justizminister Session aufforderte, die "Hexenjagd" einzustellen und die Arbeit des Sonderermittlers Robert Mueller zu beenden.
Vor allem spielte und spielt Trump die angeblichen russischen Beeinflussungsversuche und Hacks herunter, während seine Gegner, inklusive die US-Geheimdienste und viele Medien sie hochspielen. Dem Präsidenten scheint die Cybersicherheit nicht am Herzen zu liegen, was selbstverständlich auch Verdacht erregt, er wolle womöglich die Arbeit der russischen Hacker und Beeinflusser erleichtern. Selbst die republikanische Mehrheit im Senat lehnte es gerade mit den Gegenstimmen der demokratischen Senatoren ab, 250 Millionen US-Dollar für den Schutz der Wahlsysteme zu genehmigen. Allerdings waren im März schon 380 Millionen dafür bewilligt worden. Wer sich erinnert, war die Kritik an diesen schon vor angeblichen russischen Angriffen stark verbreitet (Warum die Amerikaner sich bei den Wahlen verzählen, Das Problem mit den elektronischen Wahlsystemen und der amerikanischen Demokratie).
In einer Anhörung vor dem Geheimdienstausschusses des Senats warnten wieder die Experten davor, dass Russland und andere ausländische Mächte sich in den amerikanischen Wahlkampf einmischen würden - übrigens etwas, was die USA schon seit Jahrzehnten machen. Das wurde dann als "Informationskrieg" bezeichnet. Die Feinde würden Uneinigkeit und Misstrauen verbreiten wollen, Russland und China stehen dabei ganz oben. Dass im Wahlkampf nicht gerade mit Wahrheit hantiert wird, bleibt dabei natürlich außen vor. Das Böse kommt ausschließlich aus dem Ausland.
"Russland greift Amerikas Wahlsystem an"
Paradebeispiel dafür ist das "editorial board" der New York Times, die schon lange auf Anti-Trump- und Anti-Russland-Kurs ist. Vorgeworfen wird Trump, dass nicht bereit sei, etwas gegen die angeblichen russischen Angriffe auf das "Wahlsystem" zu machen, was immer auch näher damit gemeint ist: "Russia Attacks America’s Election System. Trump Shrugs. Suggeriert wird damit, dass "Russland", wer immer das sein soll, das "amerikanische Wahlsystem" angreift. Als Beleg werden die Angriffe im Wahlkampf 2016 erwähnt und Äußerungen von demokratischen Politikern wie die zur Wiederwahl anstehende Senatorin Claire McCaskill, der Computernetzwerke "von den Russen" durch Phishing-Versuche vergeblich angegriffen wurden. Ob Angriffe der richtige Begriff ist, scheint überdies fragwürdig, denn es werden etwa durch Emails Menschen dazu verführt, Passwörter weiterzugeben.
Dazu wird darauf verwiesen, dass Facebook einige Accounts gesperrt hat, die versucht haben sollen, die Wahlen zu beeinflussen. Dabei ist allerdings noch keineswegs klar, ob das vom Ausland gesteuerte Aktionen waren oder von interessierten Parteien aus dem Inland. Das "editorial board" kommentiert: "Aber es ist kein Geheimnis, warum Russland und andere böse Akteure davon ausgehen, dass sie mit solchen Eingriffen davonkommen."
Das hat schon mit Fake News und schlechter Rhetorik zu tun. Trotz wiederholter Warnungen von den US-Geheimdiensten gebe es keinen koordinierten Plan des Weißen Hauses, mit diesem Sicherheitsproblem umzugehen. Trump mache nicht einmal "den von den Geheimdiensten als bösesten der bösen Akteure identifizierten Putin" verantwortlich: "Ganz das Gegenteil: Wenn es um die Cyberangriffe auf die amerikanische Demokratie geht, ist die Botschaft von diesem Präsidenten bestimmt von Verwirrung, Doppeldeutigkeit und Schwäche".
Das größte Problem, diese russische Bedrohung zu bekämpfen, so die New York Times, ist gar nicht Russland, sondern Donald Trump. Der hatte zwar vor einigen Tagen des Nationalen Sicherheitsrat zu einem Treffen zusammengerufen, um eben über den Schutz der Wahlen zu sprechen. Der Präsident habe klar gemacht, so heißt es in einer Mitteilung, dass man das Einwirken aus dem Ausland nicht dulden werde und die Bundesstaaten und Gemeinden in Hinblick auf Cybersicherheit unterstützen werde. Das bleibt vage, scheint aber in etwa das zu sein, was auch Barack Obama vor der Wahl ankündigte. Manche Bundesstaaten wiesen die angebotene Hilfe aus Washington zurück, weil sie Manipulation befürchteten (USA: Misstrauen in die Wahlcomputer und in die Technik). Und ganz allgemein ist das Vertrauen der Amerikaner in ihr Wahlsystem auch ohne mögliche russische Eingriffe nicht sonderlich groß (Viele Amerikaner misstrauen dem Wahlsystem - und dem ganzen politischen System).
Offenbar sind Trump und die "russische Bedrohung" austauschbar. Das kann nur funktionieren, wenn Trump tatsächlich aufgrund von Beeinflussungsoperationen anstatt Clinton zum Präsidenten gewählt wurde. Ähnlich war dies übrigens, als George W. Bush wahrscheinlich gar nicht die Wahl gegenüber Al Gore gewonnen hätte, aber die Diskussion darüber stillgehalten wurde, weil herrschende Kreise in Politik und Medien den amtierenden Präsidenten nach dem 9/11-Anschlägen nicht beschädigen wollten (George W. Bush ist rechtlich, aber wahrscheinlich nicht faktisch der von der Mehrheit gewählte US-Präsident).
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