Thüringen: Machtkampf im NSU-Ausschuss
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Abgeordnete laden Verfassungsschutzzeugen aus und weisen die Bedingungen des Innenministeriums zurück - Es geht um die Öffentlichkeit
Am NSU-Schauplatz München herrscht noch Sommerpause - am Schauplatz Thüringen sollte die Aufklärung in Sachen NSU am Freitag im Untersuchungsausschuss weitergehen. Dabei kam es zum Konflikt mit dem Innenministerium, das seit langem immer wieder in die Arbeit der Abgeordneten eingreift.
Drei ehemalige Verfassungsschutzbeamte hatte das Landtagsgremium als Zeugen geladen. Sie sollten erklären, welche Erkenntnisse das Amt über die Organisierte Kriminalität im Thüringen hatte und welche Verbindungen es dabei mit Rechtsextremen gab. Nach fünf Jahren Aufarbeitung weiß man inzwischen, dass es im NSU-Neonazi-Umfeld Überschneidungen zum Beispiel mit kriminellen Banden oder der Rockerszene gab. Und in allen Bereichen mischten V-Leute mit.
"Kurzfristig", so die Ausschussvorsitzende Dorothea Marx (SPD) an die Öffentlichkeit in der Sitzung gewandt, habe das Innenministerium die Aussagegenehmigungen der drei Zeugen nur für eine nicht-öffentliche Sitzung erteilt. Das hätte nicht nur den Ausschluss der Öffentlichkeit bedeutet, sondern auch die Beendigung der Praxis, wie bisher mit schutzwürdigen Zeugen umgegangen wurde.
Bisher kam der Ausschuss berechtigten Wünschen nach Anonymität dadurch nach, dass diese Personen in einem besonderen Raum ohne Publikum vernommen wurden. Die Befragung wurde in den Sitzungssaal übertragen. Die Zeugen waren nicht zu sehen, sondern lediglich zu hören. Sie wurden auch nicht mit Namen angesprochen. Die Öffentlichkeit konnte so dem Fortgang der Beweisaufnahme folgen.
Ausschluss der Öffentlichkeit
Dieses Verfahren wurde nun vom Innenministerium abgelehnt. Es wollte den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Ausschuss sieht darin eine "unzulässige Restriktion seiner Arbeit und dem öffentlichen Interesse an der weiterhin notwendigen Aufklärung des NSU-Komplexes". Er zog die Notbremse und sagte die Vernehmung der drei Ex-Verfassungsschützer kurzerhand ab. Wie es weitergeht, ist unklar.
Der in der Sitzung anwesende Vertreter des Innenministeriums, Andreas Horsch, wollte sich nicht äußern, obwohl er den Vorgang wesentlich mit zu verantworten hat. Er verwies auf die Pressestelle.
In dieses Bild der zunehmenden Gängeleien passt, dass die Landtagsverwaltung die Erklärung der Ausschussvorsitzenden zunächst autorisieren wollte, ehe sie an die Presse herausgegeben werden sollte. Dabei hatte Marx sie ja längst vor der Öffentlichkeit kundgetan, ganz im Sinne von: Es gilt das gesprochene Wort.
Tückische Folgen
Nicht-öffentliche Vernehmungen haben tückische Folgen. Nichts daraus kann später in öffentlichen Sitzungen von den Abgeordneten erwähnt werden: Weder Informationen, die die Zeugen lieferten noch Zitate oder Vorhalte aus den Akten. Die Öffentlichkeit als wichtigstes Druckmittel des Parlamentes würde so Stück für Stück abgehängt und schließlich eliminiert werden. Die Vertreter der Exekutive dagegen können bei allen nicht-öffentlichen oder internen Sitzungen des Ausschusses dabei sein. Der müsste das nicht dulden.
Tatsächlich handelte es sich nicht um den ersten Eingriff des Innenministeriums (MIK - Ministerium für Inneres und Kommunales) in die Belange des Untersuchungsausschusses. Beide werden übrigens von Sozialdemokraten geführt. Einmal intervenierte der Ministeriumsvertreter im Ausschuss bei einem Zeugen, der von einer möglichen Vertuschung durch einen höheren Beamten berichtete. Die Zeugenvernehmung wurde daraufhin abgebrochen und erst einen Monat später fortgesetzt. Bei einem anderen Polizeizeugen unterbrach MIK-Vertreter Horsch ebenfalls die Befragung und holte den Zeugen aus der Sitzung, um ein disziplinarisches Gespräch zu führen. Das Ministerium bestimmt die Tagesordnung des Ausschusses, wie es scheint.