Thüringen: Machtkampf im NSU-Ausschuss

Seite 3: Wildost

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Das führt zurück zur Arbeit im Thüringer U-Ausschuss und den Wildost-Zeiten der 90er Jahre nach dem Ende der DDR, geprägt von kriminellen Machenschaften in Wirtschaft und Politik sowie einem Anwachsen und Fördern rechtsextremer Entwicklungen. Der Thüringer Heimatschutz, eine der wichtigsten nationalistischen Organisationen, wurde damals vom Verfassungsschutz gegründet, geführt und finanziert. Gab es ähnliche Strukturen und Einflüsse auch in der Organisierten Kriminalität (OK)?

Im Fokus des Ausschusses steht seit einiger Zeit die Doppelkopf-Figur Thomas Dienel: Einerseits NPD-Funktionär, andererseits V-Mann des Verfassungsschutzes. Von ihm haben die zwei Kriminalpolizisten Andreas G. und Elmar M. ab dem Jahre 2000 Informationen erhalten unter anderem über gestohlene Computer aus dem Innenministerium, über Kontakte zu einem früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden, über Telefonüberwachungen, über Intrigen im Landesamt für Verfassungsschutz - aber auch darüber, dass ein Geschäftsmann in der rechtsextremen Szene einen Auftragskiller gesucht habe.

Nachzulesen ist das teilweise in einem Protokoll der Beamten G. und M. vom Juni 2001, das der MDR im Juni 2017 öffentlich gemacht hat (vgl. Entsprang der NSU einem Thüringer Sumpf?).

Löschen und Vergessen

Kaum war das Protokoll erstellt, erschien am folgenden Tag der höhere Polizeibeamte Michael Menzel aus der Abteilung Interne Ermittlungen der Thüringer Polizei und konfiszierte das Dokument. Im Computer musste es gelöscht werden. Die Beamten G. und M. wurden angewiesen, das Erfahrene zu vergessen. Michael Menzel war am 4. November 2011 der Verantwortliche für den Polizeieinsatz in Eisenach und die folgenden Ermittlungen der SoKo Capron. Er will im ausgebrannten Wohnmobil, in dem die toten Böhnhardt und Mundlos lagen, die Dienstpistole von Michèle Kiesewetter gefunden haben.

Im Mai 2017 sagte der pensionierte Kripo-Mann Andreas G. erstmals zum Dienel-Protokoll und der Menzel-Intervention aus. Seine Befragung wurde durch die Einmischung des Innenministeriums unterbrochen. In der Folge bezichtigte Menzel den Kripobeamten der Lüge. Er habe nie die Löschung des Dokumentes angeordnet. Doch Andreas G. blieb bei der Fortsetzung seiner Befragung durch den Ausschuss im Juni 2017 bei seiner Version.

Die wurde nun durch seinen damaligen Kollegen Elmar M. nahezu eins zu eins bestätigt. Menzel kam, nahm und befahl zu löschen und zu vergessen, so der Zeuge M. Damit wird es eng für den Kriminaldirektor, der heute - welch Zufall - ebenfalls im thüringer Innenministerium tätig ist. Menzel war ursprünglich ebenfalls als Zeuge für die Sitzung geladen. Nachdem die jedoch von Donnerstag auf Freitag verschoben wurde, ließ er sich "urlaubsbedingt" entschuldigen.