Tierwohl-Label: Hohe Akzeptanz, aber kaum Einfluss auf Kaufverhalten
Trotz hoher Akzeptanz beeinflusst Tierwohlsiegel in Deutschland kaum das Kaufverhalten. Was Forscher dazu herausgefunden haben.
Seit August 2023 gilt in Deutschland ein Gesetz (TierHaltKennzG), nach dem Lebensmittel hinsichtlich der Haltungsform der Tiere gekennzeichnet werden müssen. Diese staatliche Tierwohlkennzeichnung, auch Haltungskennzeichnung genannt, soll Verbrauchern eine bewusste Kaufentscheidung ermöglichen. Eine aktuelle Studie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zeigt jedoch, dass eine Kennzeichnung kaum Einfluss auf das Kaufverhalten hat.
Tierhaltungskennzeichnung: Transparenz für Verbraucher
Die Haltungskennzeichnung ist nicht zu verwechseln mit dem freiwilligen Tierwohl-Siegel der Initiative Tierwohl. Wie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erläutert, müssen Betriebe, die Tiere halten, ihre Haltungsform bei der zuständigen Behörde anzeigen.
Sie erhalten dann eine Kennnummer, die die Haltungsform bestätigt. Diese Kennnummer dient als Grundlage für die Information über die Haltungsform entlang der gesamten Lebensmittelkette bis hin zur Verkaufsstelle.
Ausweitung der Kennzeichnungspflicht: Was kommt als Nächstes?
Die Kennzeichnungspflicht gilt zunächst für frisches Schweinefleisch von Tieren, die in Deutschland gehalten, geschlachtet und verarbeitet werden. Eine Ausweitung auf verarbeitete Produkte sowie die Außer-Haus-Verpflegung und Gastronomie ist für 2024 geplant. Danach sollen weitere Tierarten, Produkte und Vertriebswege folgen.
Lebensmittel, die keiner Kennzeichnungspflicht unterliegen, weil sie von Tieren aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem Drittland stammen oder im Ausland hergestellt oder verarbeitet wurden, können freiwillig nach dem TierHaltKennzG gekennzeichnet werden.
Bekanntheit der Tierwohlkennzeichnung: Einfluss auf das Kaufverhalten?
Eine Umfrage des Forsa-Instituts im November 2023 ergab, dass die Initiative Tierwohl bei 70 Prozent der deutschen Verbraucher bekannt ist, wobei 93 Prozent das Konzept gut oder sehr gut finden. Die Kennzeichnung der Haltungsform auf Fleischverpackungen wird von 80 Prozent wahrgenommen und ist damit bekannter als das EU-Bio-Siegel, das 68 Prozent der Befragten kennen.
Es besteht der Verdacht, dass diese Werte auf sozial erwünschten Antworten beruhen. Denn trotz des hohen Bekanntheitsgrades scheint das Siegel kaum Einfluss auf das Kaufverhalten zu haben. Dies legt zumindest eine Studie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn nahe, die das Einkaufsverhalten in einem virtuellen Supermarkt untersuchte.
Haltungsformen und ihre Kennzeichnung: Was bedeuten die Zahlen?
Um staatliche Tierwohlmaßnahmen zu vermeiden, wurde 2019 in Deutschland eine einheitliche, freiwillige Kennzeichnung der Haltungsbedingungen für tierische Produkte eingeführt, die für mehr Transparenz hinsichtlich der Haltungsform sorgen soll.
Die vier Haltungsgruppen unterscheiden sich nur marginal im Platzangebot. Anders als bei den deutschen Schulnoten steht die 1 für die schlechteste Haltungsform, die nur das gesetzlich Vorgeschriebene abbildet. Die meisten der heute noch ausgezeichneten Produkte gehören zu den Gruppen 1 und 2, wobei die 1 nur die gesetzlichen Mindestanforderungen und die 2 ein etwas größeres Platzangebot darstellt.
Experiment zur Verbesserung der Sichtbarkeit der Tierwohlkennzeichnung
In der Studie wurden verschiedene Maßnahmen getestet, um die Aufmerksamkeit für die Kennzeichnung der Haltungsform zu erhöhen. Dahinter stand die Frage, ob die Wirksamkeit der Haltungsform-Kennzeichnung durch eine bessere Sichtbarkeit erhöht werden kann.
Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip einer von drei Gruppen zugeordnet, die sich in der Gestaltung des virtuellen Supermarktes unterschieden. In der ersten Gruppe wurden über den Regalen zusätzliche Banner mit Hinweisen zur Haltungsform-Kennzeichnung angebracht.
In der zweiten Gruppe wurden zusätzlich zu den Bannern die Haltungsform-Kennzeichnungen neben den Preisschildern angebracht. Die dritte Gruppe sah keine besonderen Maßnahmen vor.
Virtueller Supermarkt: Ein neuer Ansatz zur Erforschung des Kaufverhaltens
Der eigens für die Studie entwickelte virtuelle Supermarkt sollte eine realitätsnahe Forschungsinfrastruktur zur Datenerhebung bieten, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu testen, ohne diese direkt in den laufenden Betrieb eines realen Supermarktes integrieren zu müssen. Die Teilnehmenden wurden von Ipsos per E-Mail zur Studie eingeladen. Die meisten Teilnehmenden empfanden den virtuellen Supermarkt als sehr realistisch und benutzerfreundlich.
Ergebnis des Experiments: Der Preis überwiegt das Tierwohl
Im Experiment schoben 630 Personen ihren Einkaufswagen durch digitale Gänge, die denen eines realen Marktes nachempfunden waren.
"In Anlehnung an reale Marktpreise aus dem Jahr 2020 kosteten im virtuellen Supermarkt die Fleischprodukte der Haltungsformen 3 und 4 durchschnittlich 8,31 € (21,23 € pro kg), während die Produkte der Stufe 1 im Fall von Schweine- und Rindfleisch und die Produkte der Stufe 2 im Fall von Geflügelfleisch zu einem durchschnittlichen Preis von 4,24 € (11,24 € pro kg) angeboten wurden."
Obwohl die zusätzlichen Hinweise in den Gruppen 1 und 2 von den Befragten sehr positiv bewertet wurden, führten sie nur zu einem leichten, aber nicht signifikanten Anstieg des Kaufs von Fleischprodukten mit höheren Haltungsstandards. Offensichtlich war das Tierwohllabel im Gegensatz zum Preis kein ausschlaggebendes Argument für die Kaufentscheidung.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.