Tödliches Quecksilber

50 Jahre Minamata und 9000 kg Quecksilber auf dem Grund der Ostsee

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Im August fand ein internationaler Kongress zum Thema Quecksilber als globaler Umweltverschmutzer statt. Durch die Geschichte zieht sich ein blutroter (oder quecksiberoxidroter?) Faden von Menschen, die an Quecksilbervergiftung starben. Schon lange ist bekannt, wie tödlich das Metall wirkt. Gerade jährte sich der Jahrestag der Katastrophe von Minamata: Mehrere tausend Menschen starben, weil eine Chemie-Fabrik ihre methylquecksilberhaltigen Abwässer ins Meer leitete, mehr als Zehntausend erkrankten. Und aktuell lagern 9000 kg Quecksilber auf dem Meeresgrund der Ostsee vor Schwedens Küste in verrottenden Fässern.

Quecksilber ist billig und aufgrund seiner vielfältigen Eigenschaften nach wie vor interessant für die Technik. Ein Beispiel ist die Verwendung in der Herstellung von Flachbildschirmen, wie die Debatte um Grüne Elektronik zurzeit verdeutlicht ( Greenpeace Firmen-Ranking: Grüne Elektronik fehlt auf dem Markt und Apple reagiert auf Greenpeace-Kritik in Umweltfragen).

Der tödliche Stoff wird auch in der Chemieindustrie verwendet, im Bergbau und in der Goldgewinnung (Methoden der Goldgewinnung) und nicht zuletzt in der Medizin, z.B. in Form von Amalgam-Zahnfüllungen. Wie giftig das „lebendige Silber“ wirkt, wusste schon Georgius Agricola, der um 1530 erkrankte Bergarbeiter untersuchte. Den Bergarbeitern im spanischen Ort Almadén widmete der Künstler Alexander Calder seinen berühmten Quecksilber-Brunnen.

Quecksilber ist ein starkes Gift und nur mit größter Vorsicht zu handhaben (Bild: University of Minnesota)

Die Erkenntnis der Giftigkeit des bei Zimmertemperatur flüssigen Schwermetalls ist also alles andere als neu. Längst ist auch bekannt, wie Quecksilber in die Nahrungskette und so in den menschlichen Organismus gelangt. Nicht zuletzt die Minamata-Krankheit (siehe National Institute for Minamata Disease (NIMD) hat dafür gesorgt. 1956 wurden die ersten Fälle von Schwerkranken ins Krankenhaus eingeliefert, sie litten an Kopfschmerzen, Müdigkeit, Koordinationsstörungen, Ohrensausen, eingeschränkter Sehkraft, Verlust des Gehörs und Lähmungen.

Einige der ersten, sehr heftig Betroffenen waren zunehmend geistig verwirrt und starben innerhalb eines Monats nach Ausbruch der Erkrankung des zentralen Nervensystems. Es kamen immer mehr kranke Bewohner der japanischen Minamata-Bucht auf der Insel Kyushu und bald war klar, dass es sich um eine Vergiftung mit Methylquecksilber handelte. Die Menschen hatten Fisch und Schalentiere aus der Bucht gegessen, die mit Abwässern einer Chemie-Fabrik stark belastet war.

Die Firma Chisso wurde als Verursacher ausgemacht, sie fuhr mit ihrer Praxis der Entsorgung dennoch noch zehn Jahre fort und wurde erst Anfang der 70er Jahre zu Schadensersatz an die Minamata-Kranken verurteilt. Bis dahin waren sehr viele Menschen erkrankt und zudem eine Menge schwerbehinderte Kinder in der Region zur Welt gekommen – ihre Mütter hatten sich vergiftet. Bis heute ziehen sich die Verfahren zur Anerkennung von Krankheitsfällen. Patientenorganisationen gehen davon aus, dass mehr als 17.000 Menschen durch den Verzehr von mit Methylquecksilber belastetem Fisch geschädigt wurden (10 Fakten über die Minamata-Krankheit), offiziell anerkannt wurden aber nur 2955 Opfer, von denen bis zu diesem Frühjahr 2009 verstarben (Japan: Gedenken an Quecksilber-Opfer von Minamata).

Der silberne Tod

Methylquecksilber ist eine besondere gefährliche Form des Metalls. Dass selbst Gummihandschuhe nicht schützen, zeigt der Fall der Professorin Karen Wetterhahn, die trotz dieser Schutznahme erkrankte und starb – verursacht durch nur wenige Tropfen dieser metallorganischen Verbindung.

Aber Quecksilber ist in jeder Form für den Menschen gefährlich (Toxizität von Quecksilber). Deshalb strebt die Europäische Union eine Verringerung der Quecksilberwerte in der Umwelt an, vor allem durch die Verringerung von Emissionen (Unterrichtung durch die Bundesregierung, Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat und das Europäische Parlament: Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber).

Im August tagte im amerikanischen Madison die Eighth International Conference on Mercury as a Global Pollutant). Die Experten waren sich einig, dass es sich um ein globales Problem handelt und dass dringend gehandelt werden muss. Heute kommt mit dem Niederschlag dreimal so viel Quecksilber aus dem Himmel wie vor dem Beginn der industriellen Revolution. Die Industriestaaten haben diese Form der Umweltverschmutzung verringert, dafür haben sich in den Entwicklungsländern die Emissionen in den letzten 30 Jahren erhöht, so dass sich die gesamte Belastung nicht vermindert hat. Besonders gefährlich für den Menschen ist die Belastung der Meere durch Abwässer und die Quecksilber-Anreicherung in Fischen, die dann gefangen und gegessen werden (Mercury pollution threatens health worldwide, scientists say).

Giftfässer (Bild: WWF/Canon Donald Miller)

Jetzt erschüttert ein neuer Fund von in die Umwelt „entsorgtem“ Quecksilber die Öffentlichkeit. Eigentlich kartografierten die Experten des schwedischen Geologischen Instituts (SGU) den Meeresboden der Ostsee, aber was sich da alles an gefährlichem Müll findet, verschlug ihnen den Atem. Neben Munition und anderem militärischen Material aus dem Zweiten Weltkrieg erspähten die Wissenschaftler vor der schwedischen Küste auch 3.500 Fässer, die in Beton gegossenes Quecksilber enthalten. Es handelt sich um Abfall einer Papierfabrik, die hier in den 50er und 60er Jahren ganz legal die See als Endlager genutzt hatte. Die Umweltorganisation WWF hat sich an die schwedische Regierung gewandt, damit der gefährliche Müll möglichst schnell geborgen werden kann. "Diese Fässer sind tickende Zeitbomben. Wenn das Quecksilber austritt, kann dies verheerende Auswirkungen auf die Umwelt haben, ganze Fischpopulationen können vergiftet werden", erklärte der WWF-Experte Jochen Lamp.

Insgesamt sollen 9.000 Kilogramm reines Quecksilber in dieser Form in dieser Form auf dem Grund des Meeres vor Schweden lagern, dazu kommt, dass nach Auskunft von Expeditionsleiter Ingemar Kato vom SGU in diesem Gebiet zusätzlich die ungefähr gleiche Menge Quecksilber über Abwässer ins Meer eingeleitet wurde und sich im Meeresboden verteilt hat. Das Quecksilber im Meer wandelt sich mit der Zeit durch Bakterien in hochgiftiges Methylquecksilber um. Die vier bereits hoch geholten Fässer weisen Risse und Löcher auf, der Beton hat sich teilweise im Salzwasser aufgelöst. Die Suche ist wegen Geldmangels vorerst gestoppt, was der WWF unvertretbar findet. Jochen Lamp warnte:

Trotz des Wissens um die Gefahren riskieren die schwedischen Behörden eine Vergiftung der Meeresumwelt. Es ist unverantwortlich, dass die Untersuchungen jetzt abgebrochen werden. Zurzeit sind die Wetterbedingungen für eine Untersuchung und auch eine Bergung ideal, Stürme im Herbst und Winter können ein späteres Handeln unmöglich machen.