Tor auf für Raubgrabungsgüter oder Schutz des Kulturerbes?

Das neue Gesetz zum Schutz von Kulturgütern

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Eigentlich sollte das UNESCO-Übereinkommen von 1970 den international tätigen Raubgräbern und Kunstschmugglern den Garaus machen – doch was die Bundesregierung jetzt, mit 30 Jahren Verspätung, vorgelegt hat, ist nach Ansicht von Archäologen geradezu ein Persilschein für die Grabräuber der letzten drei Jahrzehnte. Denn die Strafbarkeit soll erst nach Inkrafttreten des "neuen" Gesetzes eintreten.

Früher galt der Erwerb antiker Gegenstände als angesehen und legitim, zum Kennenlernen der eigenen Kultur und Geschichte wie der anderer Völker. Er wird deshalb auch heute noch gefördert, etwa mit reduzierter Mehrwertsteuer. Privatsammlungen wie Museen wurden mit solchem Kulturgut ausgestattet. Ob legal erworben oder nicht war damals von nicht so großem Interesse und ist heute bei den älteren Sammlungen nur unter größten Schwierigkeiten nachzuweisen.

Einen Paradigmenwechsel bildeten die Plünderungen von Kunstwerken und Kulturgütern im Irak im Jahr 2003 (vgl. Ascheklumpen). Seit 2003 ist es, wie Gordian Weber vom Bundesverband der Antikenhändler erklärt, fast unmöglich, Gegenstände aus Mesopotamien zu handeln bzw. zu erwerben, weil kein Markt dafür mehr existiere.

Kampf gegen Raubgräber

Seit Jahrzehnten bemüht sich die UNESCO, den Schmuggel von Kunstgegenständen und anderen Artefakten aus Raubgrabungen zu unterbinden. Vor über 30 Jahren, 1970, wurde die UNESCO-Konvention unterzeichnet, die Maßnahmen gegen den zwischenstaatlichen illegalen Handel mit Kulturgütern festlegt.

Jetzt soll sie endlich in deutsches Recht umgesetzt werden. Der Bundestag hat am 1.Juni über ein Ausführungsgesetz zur UNESCO-Konvention beraten, in dem es heißt:

Das Kulturgüterrückgabegesetz und das Abwanderungsschutzgesetz werden um folgende Regelungen ergänzt:
- Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Rückgabeanspruchs für deutsches national wertvolles Kulturgut gegenüber Staaten des UNESCO-Übereinkommens;
- Rückgabeansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland bei unrechtmäßig nach Deutschland verbrachtem nationalen Kulturgut dieser Staaten;
- Einbeziehung von Rückgabeansprüchen anderer Staaten aufgrund des Protokolls zur Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954;
- Genehmigungsvorbehalt für die Verbringung unrechtmäßig ausgeführten nationalen Kulturguts anderer Staaten in das Bundesgebiet;
- Aufzeichnungspflichten für den Kunst- und Antikenhandel;
- Verbesserter Schutz der national wertvollen öffentlichen Kulturgüter durch erweiterte Möglichkeiten ihrer Eintragung in die Verzeichnisse national wertvollen Kulturgutes und national wertvoller Archive;
- Straf- und Bußgeldbestimmungen bei Verletzung des Verbringungsverbotes ohne Genehmigung und bei Nichterfüllung der Aufzeichnungspflichten;
- Inkrafttreten des Gesetzes mit der Ratifikation des UNESCO-Übereinkommens
und Beschränkung der Regelungen zum UNESCO-Übereinkommen auf zukünftige Sachverhalte.

Insbesondere werden striktere Herkunftsnachweise und die Schaffung eines öffentlich einsehbaren Registers für verloren gegangenes Kulturgut festgelegt. Schon unter Rot-Grün vorgelegt war der Entwurf in Fachkreisen gleich auf heftigen Widerstand von zwei Seiten gestoßen, dem des Kunst- und Antikenhandel und der Archäologen.

Die Kunsthändler kritisierten vor allem die für sie vorgesehenen Aufzeichnungsfristen und die Nachweispflicht über die legale Verbringung antiker Kulturgüter nach Deutschland. Sie wollen die Herkunftsländer stärker in die Pflicht nehmen, was Dokumentation von gestohlenen Gegenständen und Aufpassen angeht, fordern die Schaffung eines zentralen Internet-Registers für gestohlene Kulturgüter und verlangen, dass keine ganzen Kulturgutgruppen von den Herkunftsländern unter Schutz gestellt werden dürften. Vor allem aber lehnt der "Arbeitskreis Kunsthandel" eine rückwirkende Wirksamkeit des Gesetzes ab.

Den Archäologen geht der Entwurf hingegen nicht weit genug. Nur im Bundesanzeiger veröffentlichte Einzelobjekte würden damit geschützt. Die Archäologen befürchten eine Ausweitung des illegalen Handels mit Kulturgütern durch unzureichende Kontrollen und nicht weit genug gefasste Definitionen, die faktische Legalisierung von Plünderungsgut aus Raubgrabungen. Archäologen, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studierende wandten sich in Hunderten von Emails an die Abgeordneten des Bundestages, um sie für eine andere Problematik des Gesetzesentwurfes zu sensibilisieren: Wie sollen Objekte aus Raubgrabungen, die ihrer Natur nach ohne Aufzeichnungen und Dokumentation der Erde entrissen werden, überhaupt dem Eigentümerstaat bekannt werden? Und Susanne Osthoff, die Anfang dieses Jahres in Irak verschleppte Archäologin, wandte sich in einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel, in dem sie vor der "Antikenhehlerlobby" warnte

Milliarden Dollar Umsatz oder Milliarden-Schwindel?

Die UNESCO und das FBI schätzen das Volumen des illegalen Antiquitätenhandels auf jährlich 6 bis 8 Milliarden Dollar. Das wäre etwa soviel wie im Drogen- oder Waffenhandel. Diese Zahlen sind allerdings umstritten.

Wie der Kölner Antikenhändler Gordian Weber gegenüber Telepolis erklärte, beziffert die International Association of Dealers in Ancient Art den weltweiten Jahresumsatz mit antiker Kunst auf 440 Millionen Euro, darin sind die Umsätze der großen Auktionshäuser Sotheby`s und Christie`s in Höhe von € 180 Millionen enthalten sowie eine großzügige Schätzung von kleineren Auktionen und Verkäufen.

Der Fall Irak

Als im April 2003 im frisch eroberten Irak die öffentlichen Einrichtungen – Ministerien, Schulen, Krankenhäuser, die Nationalbibliothek und die Museen mit ihren prächtigen Kunstwerken aus 6.000jähriger Geschichte - unter den Augen der amerikanischen Besatzungstruppen, teilweise sogar mit deren Hilfe, geplündert wurden, schaute alle Welt fassungslos zu. 4000 Jahre alter sumerischer Goldschmuck, 5000 Jahre alte Statuen aus Assyrien und Sumer, Gesetzestafeln, 100000 Jahre alte Werkzeuge, Beigaben aus Königsgräbern, aber auch Handschriften und wertvolle Koranschriften aus der Abbassidenzeit, als Bagdad das kulturelle und religiöse Zentrum der arabischen Welt war, verschwanden spurlos oder wurden durch Brandstiftung zerstört.

Vielen Beobachtern drängte sich in dem Tumult der direkten Nachkriegszeit der Eindruck auf, dass die Plünderungen nicht nur Ausdruck der spontanen Wut der Bevölkerung auf das Baath-Regime gewesen seien, sondern organisiert oder zumindest toleriert worden seien. Archäologen in Europa und USA argwöhnten sogar, dass die Plünderer mit Einkaufslisten losgeschickt worden seien.

Es kursierte auch das Gerücht, dass Personen mit Zugang zum Museum versuchten, sich ihr Stück vom Kuchen zu holen oder aber vertuschen wollten, dass sich schon früher bedient hatten. Werke aus Edelmetall wurden vermutlich eingeschmolzen.

Wie sich allerdings herausstellte, waren die anfänglichen Horrorzahlen von 100.000 geplünderten Gegenständen übertrieben. Nach etwa einem halben Jahr waren die meisten bedeutenden Nationalschätze z.B. aus dem Nationalmuseum in Bagdad wieder aufgetaucht, ein Teil von ihnen war, wie sich erst später herausstellte, aus Sicherheitsgründen in Kellergeschosse ausgelagert worden, aber zeitweise nicht mehr auffindbar, weil so simple Dinge wie Licht und Strom fehlten. Aber auch die von der irakischen Regierung erlassene Amnestie wirkte.

Nach Angaben des irakischen Kulturministers Mufid el Dschasairi vom November 2003 waren 14 000 Exponate den Plünderungen zum Opfer gefallen, 4000 wurden inzwischen entweder freiwillig zurückgegeben, gefunden oder von den Behörden bei Durchsuchungen sichergestellt. Von ursprünglich 42 vermissten Meisterwerken fehlten im November 2003 noch 27 Exemplare.

Auf die spektakulären Plünderungen reagierte die internationale Öffentlichkeit rasch. Aus Archäologen-Kollegenkreisen im Ausland kam Hilfe, UNESCO und Interpol traten in Aktion. Die deutsche UNESCO-Kommission rief die deutschen Kunst- und Antikenhändler auf, bei dem Verkauf der gestohlenen irakischen Kunstwerke nicht mitzumachen.

Heimlicher Ausverkauf: Die Raubgräber

Was der breiten Öffentlichkeit bislang weitgehend unbekannt war: Klandestine Grabungen und die Plünderung archäologischer Fundstätten stellen ein ebenso großes Problem dar. Der Archäologin Susanne Osthoff ist es im Irak gelungen, die internationale Medienöffentlichkeit erstmals für dieses Thema zu sensibilisieren. Ihre Arbeit wird daher in der Archäologengemeinde als sehr wertvoll geschätzt.

Die Raubgrabungen bilden im Irak ein besonderes Problem, kommen aber weltweit vor, und das Phänomen ist auch nicht auf die heutige Zeit beschränkt. Die Plünderer gehen dabei ziemlich rücksichtslos vor: Fundzusammenhänge, aus denen auf Verwendung und Bedeutung der Fundstücke geschlossen werden kann, interessieren sie nicht. Beispiele aus Deutschland: Auch in Deutschland gibt es eine aktive Raubgräberszene, die sich gern als "Hobbyarchäologen", "Schatzsucher" oder "Heimatforscher" bezeichnen. Sie machen z.B. den Landesämtern für Bodendenkmalpflege ziemlich zu schaffen.

Allerdings gibt es auch hier keine belastbaren Zahlen.

Drehscheibe Deutschland

Wolfgang Schönleber vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg, erklärte im Kulturreport im Februar dieses Jahres:

Wir haben deutliche Hinweise, sowohl die Polizei als auch die Zollfahndung, dass beim Antiken-Transfer die Bundesrepublik sehr stark tangiert ist. Vor allen Dingen in der Gestalt, dass Raubgräber, die Kuriere und die Abnehmer in der Bundesrepublik internationale Verflechtungen haben.

Der Bundestag wird über den Gesetzentwurf nach der Sommerpause erneut diskutieren.