Transnistrien: Zank um den Hinterhof
Transnistrien wird erneut zum geopolitischen Brennpunkt. Kann die EU Moldau zusammenhalten? Und welche Rolle spielen dabei die Wahlen in Russland?
Das Schicksal der Ukraine beginnt sich zu erfüllen und der Machtkampf um Zentralasien ist merklich abgekühlt. Daher wenden Politik und Medien in der EU ihre Aufmerksamkeit verstärkt den anderen potenziellen Konfliktherden auf den europäischen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion zu, namentlich Abchasien, Armenien/Aserbaidschan und Transnistrien.
Besonderes Augenmerk liegt derzeit auf Transnistrien, ein mehrheitlich von Russen bewohnter, rund 200 Kilometer langer Landstreifen – östlich des Flusses Dnister und westlich der Ukraine. Transnistrien gehört zur Republik Moldau, erklärte aber 1990 seine Unabhängigkeit und setzte sie in einem Bürgerkrieg mit russischer Unterstützung auch durch.
Die Teilrepublik bezeichnet sich selbst als Pridnestrowische Moldauische Republik, ist faktisch von der moldawischen Zentralregierung in Chisinau unabhängig und verfügt unter über eine eigene Regierung, Währung, Verwaltung und Militär. Die international nicht anerkannte Republik führt Hammer und Sichel im Staatsemblem und hat vor dem Parlament in Tiraspol eine Lenin-Statue errichtet.
Moskau um Beistand gebeten
In dem Gebiet leben etwa 375.000 Menschen, von denen schätzungsweise 220.000 auch russische Pässe besitzen. Der Landstrich erhält kostenlose Erdgaslieferungen von Russland. Auch sind seit dem Bürgerkrieg 1500 bis 2000 russische Soldaten in Transnistrien stationiert. Moldau drängt darauf, dass sie abgezogen werden.
Nach der Wahl der moldauischen Präsidentin Maia Sandu 2020, verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Chinisau und Tiraspol deutlich. Anfang 2024 verhängte Moldau einen Zoll auf Exporte nach Transnistrien. Daraufhin warf Tiraspol Chinisau vor, wirtschaftlichen Druck auszuüben. Die Grenze zur Ukraine ist zu und Transnistrien ist daher tatsächlich auf die Gnade Moldaus angewiesen.
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Moldau versucht, den sich jetzt abzeichnenden Konflikt mit Transnistrien zügig zu seinen Gunsten zu entscheiden. Nun aber hat sich Transnistriens Abgeordnetenkongress mit der Bitte um Schutz an Moskau gewandt.
Mehr "hybride Angriffe" aus Russland?
Und prompt heulen die Sirenen: "Konflikt in Transnistrien lässt mehr hybride Angriffe aus Russland erwarten", überschreibt etwa die konservativ ausgerichtete Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) eine "Kurzanalyse".
Moldau müsse nun langfristig stärker unterstützt und die EU-Beitrittsverhandlungen sollten beschleunigt werden. Auch gelte es, die militärische Zusammenarbeit zu intensivieren.
Hilfe bei der Zentralisierung der Erkennung hybrider Bedrohungen sowie der Analyse- und Reaktionskapazitäten ist erforderlich. Überdies wäre eine zentrale Koordinierung der Geberunterstützung sinnvoll, (…) insbesondere im Sicherheits- und Verteidigungssektor.
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.
Wenn es nach der DGAP geht, soll all das möglichst noch vor den moldawischen Wahlen im Herbst passieren.
In Deutschland selbstverständlich, in Moldau unerwünscht
Ein weiterer Zankapfel zwischen Moldau und Transnistrien sind die gerade zu Ende gegangenen russischen Wahlen, bei denen natürlich auch die Inhaber russischer Pässe in Transnistrien ihre Stimme abgeben durften.
Die Stimmabgabe im Ausland, die für Russen auch in Deutschland selbstverständlich ist, führt in Chinisau zu diplomatischen Protesten. Und in deutschsprachigen Medien wird Transnistrien denn auch fix mit den umkämpften Gebieten in der Ukraine gleichgesetzt:
Die Regierung der Republik Moldau hat Russlands Botschafter einbestellt, weil Moskau auch in der Region Transnistrien - ebenso wie in den besetzten Gebieten der Ukraine - Präsidentschaftswahlen abhalten will.
Euronews
Immerhin zitiert Euronews auch Oleg Wasnetsow, den russischen Botschafter in Tiraspol, mit dem Hinweis, dass es bezüglich einer Teilnahme an den Wahlen viele Anfragen aus Transnistrien gegeben habe.
Gesellschaft in Moldau gespalten
Im März 2022 hat Moldau den Beitritt zur Europäischen Union beantragt. Wie die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg weiß, ist die moldawische Gesellschaft jedoch tief gespalten ‒ sowohl was einen EU-Beitritt anbelangt als auch in der Frage, wohin sich das Land künftig entwickeln sollte.
Einer aktuellen Umfrage zufolge seien viele von der proeuropäischen Regierung Sandu enttäuscht. Fast die Hälfte der Befragten wollte lieber eine weitere Annäherung an Russland.
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