Triumph des Kickls: Österreich vor radikalem Kurswechsel

Kurz vor Ziel: Herbert Kickl. Bild: Alexandros Michaelidis/ Shutterstock.com

Österreich vor politischer Zäsur. FPÖ-Chef Kickl soll eine neue Regierung bilden. Was das für die Alpenrepublik bedeutet, lässt aufhorchen.

Die Wahlen zum Nationalrat, wie das österreichische Parlament heißt, fanden bereits am 29. September statt – eine neue Regierung steht aber noch nicht fest. Das könnte sich nun ändern. Denn der österreichische Bundespräsident Van der Bellen hat den Chef der rechtskonservativen FPÖ, Herbert Kickl, mit der Regierungsbildung beauftragt. Der Chef der nach der Wahl stärksten Partei hatte dies seit Monaten gefordert. Eigentlich sollte dies verhindert werden.

Doch die Gespräche für die angestrebte Dreierkoalition aus SPÖ, ÖVP und Neos, die eine Alternative zur Regierungsbeteiligung der FPÖ sein sollte, waren am Freitag geplatzt.

Hauptgrund ist der Streit um das Staatsbudget. Die Neos verstehen sich als besonders wirtschaftsfreundliche Reformpartei. Sie strebten große Budgetreformen und weitere Einschnitte in den Sozialstaat an.

Dies stieß bei den österreichischen Sozialdemokraten auf Widerstand. In den Medien und auch in der ÖVP, dem österreichischen Pendant zur CDU/CSU, wird der SPÖ-Chef für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich gemacht.

Andreas Babler, der sich früher auch als Marxist und linker EU-Kritiker bezeichnete, sich aber längst als staatstragender Politiker der Mitte präsentiert, steht auch parteiintern unter Druck. Schließlich hat er den Sozialdemokraten bei den Wahlen nicht den erhofften Stimmenzuwachs gebracht.

Hätte die SPÖ nun dem Druck der Neos nachgegeben, hätte sie noch mehr verloren. Zumal es in Österreich mit der KPÖ eine linke Alternative gibt, die Stimmen von unzufriedenen Sozialdemokraten gewinnen könnte.

FPÖ – lachender Dritter

Nach dem Scheitern einer Dreierkoalition, deren einziges Ziel es war, die FPÖ aus der Regierung fernzuhalten, gab es nur wenige Stunden die Überlegung, dass dann SPÖ und ÖVP eine Regierung bilden würden.

Diese hatte aber nur eine Mehrheit von einem Mandat. Da es in beiden Parteien Gegner dieser Zusammenarbeit gab, wurde solch einer Liaison keine lange Dauer vorausgesagt.

Doch bereits am Samstag erklärten beide Parteien auch diese Gespräche für gescheitert. Gleichzeitig erklärte ÖVP-Chef Karl Nehammer seinen Rücktritt als Parteivorsitzender. Er beugte sich damit dem innerparteilichen Druck.

Denn nach der Wahl hatten sich viele Konservative gefragt, warum Nehammer nach der großen Niederlage im Amt bleiben sollte. Doch Nehammer trat als der Mann an, der als einziger einen FPÖ-Kanzler verhindern könne. Damit lag er auf einer Linie mit dem Grünen Bundespräsidenten Van der Bellen, der die FPÖ und vor allem Kickl aus der Regierung heraushalten wollte. Denn die rechtsgerichtete Partei meldete als stärkste Partei unmittelbar nach der Wahl Anspruch auf das Bundeskanzleramt an.

Keine Brandmauer nach rechts

Darauf drängen auch maßgebliche Kreise der Wirtschaft und eine wachsende Strömung in der ÖVP. Schließlich sind beide Rechtsparteien ausgesprochen kapitalfreundlich. Vor allem aber gibt es in Österreich keine Brandmauer nach rechts.

Schließlich gab es vor 25 Jahren schon einmal eine Regierungskoalition aus FPÖ und ÖVP, die damals noch die stärkere Partei war und den Bundeskanzler stellte. Vor 25 Jahren wollte eine große Mehrheit der EU-Staaten Österreich deswegen sanktionieren und scheiterte damit.

Die Rechtskoalition hat sich dann selbst zerlegt, und Jörg Haider, der Prototyp des postmodernen Rechtsextremisten, war daran maßgeblich beteiligt. Im Streit mit seiner eigenen Partei verließ er sogar die FPÖ und gründete mit dem BZÖ eine rechte Konkurrenzpartei, die noch ein Jahr nach Haiders Unfalltod einen Wahlerfolg in Kärnten feiern konnte.

Krisen und Aufstieg der FPÖ

Letztlich blieb das BZÖ eine Fußnote und die FPÖ bekam wieder Zulauf. Schon 2017 gab es unter Sebastian Kurz wieder eine Koalition zwischen den beiden Rechtsparteien, die dann an der Dummheit der Rechten zerbrach, die auf die Ibiza-Inszenierung hereinfielen, bei der sich der damalige FPÖ-Chef als bestechlich und korrupt entpuppte.

Comeback von Kurz vorerst nicht in Sicht

Sebastian Kurz, der sich schon vor längerer Zeit unfreiwillig aus der Politik zurückziehen musste, hat sich erst kürzlich in einem Interview positiv über die Koalition mit der FPÖ geäußert und davon geschwärmt, wie viel man gemeinsam durchsetzen konnte.

Kein Wunder, hatte Kurz doch die ÖVP vorwiegend in der Migrationsfrage so weit nach rechts gedrängt, dass es kaum noch Unterschiede zur FPÖ gab. Kurz betonte im Interview, dass er es genieße, nicht mehr in der Politik zu sein. Schließlich verdiene er in der Wirtschaft viel mehr.

Eine Rückkehr in die Politik, in welcher Form auch immer, schloss er aber nicht aus. Kein Wunder also, dass am Samstag nach Nehammers Rückzug auch über ein Comeback von Kurz diskutiert wurde. Doch der erklärte, dass er dafür derzeit nicht zur Verfügung stehe.

Schließlich war er erst im vergangenen Jahr wegen einer Falschaussage vor Gericht verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Kurz Berufung eingelegt hat. Sollte es zu einem Freispruch kommen, könnte sich für Kurz die Frage einer Rückkehr in die Politik neu stellen. Vorerst hat die ÖVP mit Stecker einen eher farblosen Übergangskandidaten zum Parteivorsitzenden gewählt, der sich auch unter Kickl offen für Gespräche mit der FPÖ gezeigt hat. Noch vor wenigen Wochen hatte er eine Zusammenarbeit mit Kickl ausgeschlossen.

FPÖ könnte bei Neuwahlen weiter zulegen

Es ist wohl die Angst vor Neuwahlen, die ihn und einige andere in der FPÖ nun in eine Rechtskoalition mit der FPÖ drängt. Denn dann könnte die FPÖ noch einmal kräftig zulegen, während die ÖVP weiter verlieren würde. Denn dann könnte sich die FPÖ als der eigentliche Wahlsieger inszenieren, der nicht regieren darf.

Warnung vor "prorussischer" FPÖ

Da ÖVP und FPÖ in Fragen der Innenpolitik, der Flüchtlingsabwehr und des wirtschaftsfreundlichen Kurses wenig trennen, dürfte es hier schnell zu einer Einigung kommen. Differenzen könnte es in der Außenpolitik geben. Schon jetzt wird davor gewarnt, dass die FPÖ Österreich in ein "prorussisches Fahrwasser" drängen könnte. Tatsächlich gab es vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine gute Kontakte zu Putins Partei Einiges Russland. Es wurde sogar ein Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Parteien geschlossen.

In der Praxis ist jedoch davon auszugehen, dass Österreich unter einer FPÖ-Regierung stärker am Neutralitätsvertrag festhalten würde. Einige andere Parteien, vor allem die Neos, streben eine Annäherung an die Nato an. Zudem dürften sowohl die ÖVP als auch Bundespräsident Van der Bellen darauf achten, dass es keine Alleingänge der FPÖ gibt.

Wie stabil wäre eine rechte Regierung?

Tatsächlich hat sich die FPÖ in den vergangenen 25 Jahren zweimal als Chaostruppe in der Regierung erwiesen, an der die Koalition zerbrochen ist. Das hat ihr dann auch regelmäßig Stimmenverluste eingebracht, die aber nur vorübergehend waren.

Nach dem Rücktritt Heiders und dann den Ibiza-Enthüllungen hatten viele gehofft, dass die FPÖ damit dauerhaft marginalisiert sei. Dass sie sich so schnell wieder erholen konnte, liegt daran, dass es auch in Österreich eine relevante Zahl von Wählern gibt, die genau die Politik wollen, die die FPÖ verspricht.