Trojanisches Pferd

Wir werden uns mit dem menschlichen Klonen arrangieren

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Mit dem Klonen ist es ähnlich. Clonaid kennt die menschliche Natur und hält das Problem am köcheln: kein Tag vergeht ohne neue Pressemitteilung. Die Aktion des US Anwalts Siegel schafft anhaltende Aufmerksamkeit bis zum 22. Januar und bewahrt Clonaid vor der Offenbarung, nämlich dem beweisenden Test an "Eve". Wie auch immer die Anhörung vor dem Gericht in Florida ausfällt, sie wird den Weg in den juristischen Dschungel bahnen.

Der Damm allerdings ist gebrochen. Auf der Webseite zitiert Clonaid den ersten öffentlichen Befürworter, Colin Honey. Er gehört zu den Senior Research Associates des römisch-katholischen Forschungsinstituts "Von Hügel Institute" des St Edmund's College an der Universität von Cambridge (UK). Reverend Colin Honey ist Amtsträger der Uniting Church of Australia.

"What's the big deal? The moral objections are fewer than against cloning stem cells", erklärt Colin Honey. Mit seinen Ausführungen in The Age trifft der Moraltheologe die Stammzellenforscher in den USA an ihrem wunden Punkt: "Please don`t call it cloning!" beschworen Vogelstein, Alberts und Shine bereits vor mehr als einem Jahr ihre Kollegen in Science , um die Stammzellenforschung aus dem Kielwasser des reproduktiven Klonens zu lösen. Falls es jetzt reale Klons gibt, nämlich liebenswerte Babys, die viele Herzen höher schlagen lassen, könnte die omnipotente Stammzelle zum gefährlichen Homunculus werden. Dazu tragen zusätzlich Broxmeyer und Mitarbeiter bei, denen die Wiederbelebung von Stammzellen nach 15-jährigem "eisigem" Tiefschlaf geglückt ist, so ihr ausführlicher Bericht im letzten Heft der Proceedings of the National Academy of Sciences. Der alte Traum, das Einfrieren von Zellen gleich welcher Art, wird neuen Auftrieb bekommen.

"Wie soll ich mich entscheiden?" fragt der sprichwörtliche Otto Normalverbraucher. Die Wissenschaftler tönen vielstimmig, weil sie sich nicht verständlich machen können oder wollen. Dagegen steht die Realität, der Zick-Zack-Kurs menschlicher Eitelkeiten.

Was ist "natürlich"?

"Unfruchtbarkeit ist eine Krankheit und muss behandelt werden." Die Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch westliche Gesundheitssysteme und begründet zum Teil kostenintensive, zum Teil risikoreiche ärztliche Eingriffe. Niemand will es den Gynäkologen verdenken, dass sie Abhilfe schaffen und den männlichen Samen direkt in den Uterus einbringen. Oder dem Argument der Eltern, "Wir wollen eine gesundes Kind", willfährig sind mit Fruchtwasseruntersuchungen und bereits ganz zu Anfang mit der Präimplantationsdiagnostik.

Daraus folgt gleiches Recht für alle, auch für: Eine Frau, die in wenigen Jahren geistig umnachtet sein wird, und in Erwartung ihres Schicksals dank künstlicher Befruchtung und Präimplantationsdiagnostik ein von ihrer Erbkrankheit unbelastetes Kind geboren hat. Oder die 62jährige Großmutter, die nochmals Mutterschaft erleben will. Und jene andere Frau, die sich mit dem Samen ihres verstorbenen Mannes befruchten ließ, um posthum mit seinem Kind schwanger zu werden.

Warum nicht Junge oder Mädchen wählen? Die Präimplantationsdiagnostik tritt anstelle der Vorsehung. In Großbritannien prozessiert ein Ehepaar mit drei Söhnen und einer verstorbenen Tochter um die staatlich bezahlte Präimplantation, damit die Frau gezielt eine Tochter gebiert. In den USA hingegen gestehen die amerikanischen Reproduktionsmediziner unter öffentlichem Druck zu, dass sie geschlechtsspezifische Manipulationen "nur noch" bei medizinischer Indikation vornehmen.

Wer kann das Risiko der Schwangerschaften eingehen? Das Risiko ist auch ohne geklonte Embryos hoch, weil nur eine von vier Implantationen zur Geburt führt. Inzwischen geht die Angst vor den überzufälligen Mehrlingsschwangerschaften um. Nicht bloß wegen der Gefährdung von Mutter und Kindern, sondern weil Missbrauch droht. In den USA hat ein Paar unbeabsichtigt die Gesundheitsbehörden auf den Plan gerufen. Die angehenden Eltern, von Beruf Juristen, wollte den unerwünschten Zwilling im Leib der aus Großbritannien angeheuerten Leihmutter abtreiben lassen. Die FDA reagierte mit einer Art Empfehlung, die dem Verbot gleichkommt: seitdem darf in den USA nur noch ein einziger Embryo implantiert werden. Damit sinkt die Erfolgsquote der Reproduktionskliniken je Eingriff deutlich unter 25 Prozent.

Das trojanische Pferd

Das trojanische Pferd ist die Reproduktionsmedizin. Die Ärzte an den Reproduktionskliniken implantieren "es" in den Uterus. Das können Samenzellen sein, die befruchtete Eizelle oder ein Embryo, der unter Aufsicht des Teamchefs entwickelt, oder wie ein Spenderorgan von sonst woher gebracht wird. Danach geht es "natürlich" weiter, weil Schwangerschaft und Geburt keinen Hinweis mehr auf die Art der Befruchtung geben.

Die explosionsartige Zunahme der Reproduktionskliniken ist nicht aus dem Wunsch nach Klons entstanden. Die ungebrochene Nachfrage beweist vielmehr, dass Bedarf an der Implantation von Spermien, Eizellen oder Embryonen besteht und die daraus geborenen Menschen gutgeheißen werden.

Was ist Besonderes am Klonen?

Für den Reproduktionsmediziner, der die Implantation vornimmt, gibt es keinen praktisch relevanten Unterschied. Embryo bleibt Embryo: ob aus dem Samen und der Eizelle eines verheirateten Ehepaars, oder durch den künstlichen Zellkernaustausch wie bei den Klons, oder nach der gezielten Manipulation wie sie in der Stammzellenforschung praktiziert wird. Immerhin verspricht der Klon ein ungefähres Abbild des Erzeugers, während die gezielte Manipulation ein oder mehrere Gene außer Kraft setzt wie bei den momentan beliebten Knock-out Mäusen. Die Horrorvisionen künstlich veränderter, abnormer Klon-Menschen trifft daher viel eher auf die selektive Genveränderung zu als auf das hoffnungsvolle 1:1 Abbild. Stammzellenforscher brauchen menschliche Zellen, sagen sie, weil tierisches Gewebe nicht vergleichbar ist. Klon-Spezialisten argumentieren ebenso: das Schaf Dolly sei kein Maß für den Menschen.

Wir werden uns mit dem menschlichen Klonen arrangieren müssen, weil das Umfeld, in dem Klonen gedeihen kann, bereits fest etabliert ist. Die Kosten betragen dem Hörensagen nach 100-200 Tausend US Dollar. Das ist ungleich weniger als bei der illegalen Nierentransplantation, die in der Türkei und in Kolumbien für 1,5-2 Millionen US Dollar durchgeführt wird. Da bisher niemand alle Reproduktionskliniken überwacht, kann auch niemand mit Sicherheit ausschließen, dass es bereits menschliche Klons im Kleinkindesalter gibt.

Vor diesem Hintergrund hat Clonaid das Klonen als Realität in die Öffentlichkeit gebracht. Bereits vor einem Jahr sind ausgewählte Journalisten erstmals auf das Ereignis eingestimmt worden. Die Kampagne scheint bis ins Kleinste geplant und wird generalstabsmäßig umgesetzt. Vielleicht ist es wirklich nur die legendäre Münchhausen-Kugel, um das momentane Klima zu testen, oder um auszuloten, welche Probleme juristischerseits entstehen. Das wäre die alte Kunst der List: "Auf das Gras schlagen, um die Schlangen aufzuscheuchen" wie es der Sinologe Harro von Senger als 13. Strategem übersetzt hat.