Tsipras-Regierung steht weiter auf der Kippe

Eindrücke aus dem Parlament. Bild: W. Aswestopoulos

Die Wirtschaft geht den Bach hinunter, im September soll es Neuwahlen geben

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Alexis Tsipras hat am Donnerstagmorgen im Parlament seinen Antrag auf Sparmaßnahmen gegen den Widerstand der eigenen Partei durchs Parlament gebracht. 298 der 300 Abgeordneten stimmten ab. Mit Ja votierten 230, 63 verweigerten sich und fünf enthielten sich der Stimme. Neuwahlen, welche den dritten Urnengang der Griechen in nur einem Jahr bedeuten, werden von Tsipras für den 13. oder 20. September vorhergesagt. Die Nea Dimokratia als größte Oppositionspartei rüstet sich bereits. Interimspräsident Vangelis Meimarakis soll auf unbestimmte Zeit Parteiführer bleiben. Angesichts drohender Wahlen möchten die Konservativen nicht mitten im Wahlkampf einen internen Wahlkampf der Partei durchführen.

Um zwanzig vor fünf Uhr am frühen Donnerstagmorgen war es endlich vorbei. Die Abstimmung des griechischen Parlaments zum zweiten Teil der Vorbedingungen für ein drittes Sparpaket war vorbei. Vorangegangen war eine turbulente Debatte des Plenums und eine nicht weniger ereignisreiche Marathonsitzung der gemeinsam tagenden Fachausschüsse. Insgesamt waren die Parlamentarier zum Teil mehr als zwanzig Stunden an einem Stück mit einem Thema, den so genannten prior actions, den Vorbedingungen für die Verhandlungen, zu Gange. Die Ausschussbedingungen begannen um 9:30 h.

Vorher mussten sie binnen vierundzwanzig Stunden mehr als 950 Seiten juristischer Texte zu den Maßnahmen durcharbeiten. Allein das verabschiedete Gesetzespaket umfasst 120 Seiten. Natürlich hat dies niemand geschafft. Alle Parlamentarier beklagten sich darüber. Die Ja-Sager fügten jedoch zu, dass sie schließlich das Vaterland retten wollten und daher keine Alternative hätten. Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou sprach nicht nur deswegen von einem Putsch. Sie wurde von den Parlamentariern der Nea Dimokratia ausgebuht.

Der Parteichef der Unabhängigen Griechen. Verteidigungsminister Panos Kammenos begründete seine Zustimmung wie üblich mit Patriotismus. In all den Jahren vorher hatte er immer Stein und Bein geschworen, dass er niemals einem solchen Gesetz zustimmen würde.

Yanis Varoufakis, der sich dem ersten Teil der Maßnahmen verweigert hatte, stimmte diesmal mit Ja. Vorher hatte er keine Gelegenheit ausgelassen zu betonen, dass das gesamte Sparprogramm zum Scheitern verurteilt sei. Nicht einmal Gott könne dies zu einem Gelingen bringen, betonte er: "Gott macht keine Fehler. Daher könnte man ihm nichts anlasten." Sein Ja begründete der Finanzexperte mit der Freundschaft zu Finanzminister Euklid Tsakalotos und mit seinem Ringen für die Einheit von SYRIZA.

SYRIZA kämpft mit dem Zerfall

Tatsächlich ist es um diese Einheit schlecht bestellt. Würde als Abstimmungsergebnis das Votum zu den einzelnen Artikeln des Gesetzespakets gewertet, dann wären es bei Artikel 1 nur noch 225 Befürworter.

Von den 149 Abgeordneten des SYRIZA stimmten für das Paket als solches 113. Bei Artikel 1 waren es nur noch 108. Zusammen mit den 13 Sitzen der Unabhängigen Griechen kommt Tsipras somit nur noch auf 121 sichere Kandidaten. Sobald es weniger als 120 werden, kann sich die Minderheitsregierung Tsipras laut Verfassung nicht mehr halten. Nicht zuletzt deshalb vermeidet der Premier den endgültigen Scheidungsbeschluss seiner Fraktion von der Linken Plattform des SYRIZA und deren Mitstreiter. Er versucht den Parteikongress auf den September, die Zeit nach der um den 20. August zu unterschreibenden Vereinbarung zum dritten Rettungspaket, zu verschieben.

Bild: W. Aswestopoulos

Um bis dahin Luft zu haben, möchte Tsipras eventuell noch am Freitag mit dem Wortführer der Linken Plattform Panagiotis Lafazanis einen Burgfrieden schließen. Lafazanis möchte dagegen bis zur Unterschrift der Regierung unter ein drittes Sparpaket einen ständigen Parteikongress einrichten.

Nicht nur im Parlament weht Tsipras ein harter Wind ins Gesicht. Die Putzfrauen des Finanzministeriums, das kämpferische Symbol von Tsipras' Wahlkampf im Januar, haben sich gegen den Premier gestellt, der für ihre Wiedereinstellung kämpfte. "Wir haben nicht unerbittlich zweiundzwanzig Monate bei Wind und Wetter für weitere Sparmemoranden gekämpft", erklären die Damen in einem offenen Brief, den sie ausgerechnet auf der Internetpodium ISKRA, dem Sprachrohr der Linken Plattform des SYRIZA, platzierten. In den SYRIZA-Parteiorganen haben die Parteijugend sowie die Kommunistische Strömung bereits offen die Ablösung von Parteichef Tsipras verlangt.