Türkei: Wie man Wähler kauft

Seite 2: Geldgeschenke

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Erdogan selbst setzt derweil auf Geldgeschenke und das Narrativ von der starken Wirtschaft, um seine Anhänger zu überzeugen. Ein Mittel, mit dem auch der ehemalige iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad erfolgreich war, während er der Wirtschaft seines Landes immensen Schaden zufügte.

Im Grunde kann sich Erdogan keine größeren Ausgaben erlauben. Die Inflation steigt unaufhörlich, das Außenhandelsdefizit ist katastrophal, ein beträchtlicher Teil der türkischen Haushalte überschuldet.

Kurz vor der Wahl sollen alle Rentner im Land, immerhin fast zwölf Millionen Personen, rund 200 Euro pro Kopf erhalten. Zugleich sollen Steuern, insbesondere auf Immobilien, deutlich von 18 auf 8 Prozent gesenkt und Steuerschulden erlassen werden. Für Frauen mit Kindern wird der Grundfreibetrag in der Einkommenssteuer von 304 auf 1.015 Lira im Monat angehoben. Insgesamt sollen diese Maßnahmen den türkischen Staat rund fünf Milliarden Euro kosten.

Meral Aksener kündigte ihrerseits staatliche Geldgeschenke an - für den Fall, dass sie gewählt wird. Derzeit sind rund 4,5 Millionen türkische Bürger mit insgesamt mehr als acht Milliarden Lira überschuldet. Ein Großteil davon sind Kreditkartenschulden. Diese Schulden sollen von einem staatlichen "Solidaritätsfonds" aufgekauft werden.

Ziel ist demnach, dass alle Arbeitslosen, Rentner und Geringverdiener schuldenfrei werden. Ob solch ein Plan in der derzeitigen wirtschaftliche Lage überhaupt finanzierbar ist, ist die andere Frage. Allerdings zielt Aksener mit dieser Ankündigung auf einen beträchtlichen Teil von Erdogans Stammwählerschaft.

Gerade in sozial schwachen Schichten bekam Erdogan immer wieder große Unterstützung, weil es ihm zeitweise durch Reformen gelungen ist, deren Lebensstandard anzuheben.

Am Dienstag sagte Erdogan: "Wenn das Volk sagt, es ist genug, dann trete ich ab." "Genug", im Türkischen "tamam" wurde in den folgenden Stunden zum Twitter-Trend und hunderttausendfach geteilt. In Istanbul gingen Menschen mit Tamam-Bannern zu spontanen Demos auf die Straßen. Sie wurden von der Polizei angegriffen ...