UK-Wahl: Oppositionsparteien streiten untereinander
Nach Vorwürfen der Liberaldemokraten, die Einheit des UK zu gefährden, schließt Labour-Chef Corbyn eine Koalition mit schottischen Separatisten aus, lässt aber die Möglichkeit eines Referendums 2021 offen
In dreieinhalb Wochen wird im Vereinigten Königreich ein neues Unterhaus gewählt. In den drei letzten Umfragen dazu, die der Observer, die Sunday Times und die Mail on Sunday am Wochenende veröffentlichten, haben Premierminister Boris Johnsons Tories mit 44 bis 45 Prozent Stimmenanteil gute Chancen auf eine absolute Mandatsmehrheit im Parlament, weil die Labour Party mit 28 bis 30 Prozent deutlich dahinter liegt und ein Abstand von 15 bis 17 Prozent zum Zweitstärksten im britischen First-Past-the-Post-Mehrheitswahlrecht mehr aussagt als der gemessene Stimmenanteil.
Die Liberaldemokraten, die walisischen Regionalisten von Plaid Cymru und die Grünen haben wegen dieses First-Past-the-Post-Mehrheitswahlrechts vereinbart, in 60 der insgesamt 650 Wahlkreise im Vereinigten Königreich nicht gegeneinander anzutreten. Um die Wählerstimmen jener Briten zu bündeln, die einen Verbleib ihres Landes in der EU befürworten, sollen die Wähler nur den Kandidaten der jeweils aussichtsreichsten dieser drei Parteien zur Auswahl haben: In 43 der 60 Wahlkreise ist das ein Liberaldemokrat, in zehn ein Grüner und in sieben ein walisischer Regionalist.
Das Bündnis bedeutet allerdings noch lange nicht, dass dieser gemeinsame Kandidat den Wahlkreis gewinnt. Denn außer ihm können die Wähler auch noch für einen Kandidaten der Tories oder der Labour Party stimmen. Letztere ist ebenso wenig Teil dieses Wahlbündnisses der Opposition wie die schottischen Separatisten.
Cable: Schottland ist "Hornissennest"
Deren Heimat ist der Ansicht des langjährigen Liberaldemokratenchefs Vince Cable nach ein "Hornissennest", wie er der Öffentlichkeit am Samstag auf Sky News mitteilte. Und Jeremy Corbyn, so Cable, spiele dort "ein gefährliches Spiel" mit der Scottish National Party (SNP). Anlass für Cables Warnung waren Äußerungen des Labour-Chefs: Er hatte der SNP-Chefin Nicola Sturgeon vorgeworfen, sie lasse "Boris Johnson durch die Hintertür herein", wenn sie Labour nicht unterstütze.
Indem Corbyn die SNP "zu einer Allianz lockt" "füttert" er Cable zufolge "die Agenda der [schottischen] Unabhängigkeit", gegen die seine Liberaldemokraten ebenso sehr seien wie gegen einen Austritt aus der EU. Deshalb halt er dieses Locken für ein "sehr gefährliches Spiel".
Corbyn sagte daraufhin der BBC, er werde sich im Falle eines Wahlsieges auf "keine Koalitionsregierung einlassen" und "keine Deals mit irgendjemanden machen". Parteien wie die SNP könnten sich dann entscheiden, ob sie ihn oder Boris Johnson stützen. Ein neues schottisches Unabhängigkeitsreferendum, das die SNP fordert, schließt er allerdings nicht kategorisch aus, sondern nur für 2020. Danach will er den Ausgang der nächsten schottischen Regionalwahl 2021 abwarten.
Prominente haben Bedenken wegen Antisemitismus
Abwarten, wie sich die Labour Party entwickelt, wollen dagegen Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, John le Carré, William Boyd (vgl. John le Carré und das Vermächtnis der Spione), Tony Parsons (vgl. Telepolis-Musikcharts für den Mai), Joanna Lumley (vgl. Lügenmärchen mit Sci-Fi Einschlag), Frederick Forsyth (vgl. Vier Tage im November), Maajid Nawaz, Fay Weldon (vgl. Little Shop Of Horrors III), Simon Callow (vgl. "Ganz schön großartig"), Ed Husain (vgl. Syrien: Am Ursprung des islamistischen Extremismus), Peter Frankopan (vgl. Sachbücher des Monats: Oktober 2016), Antony Beevor (vgl. Sachbücher des Monats: September 2014), Tom Holland (vgl. Sachbücher des Monats: März 2009), Sathnam Sanghera, Janina Ramirez, Trevor Phillips, Suzannah Lipscomb, Dan Snow, Dan Jones, Nick Hewer, Terry Jervis, Ghanem Nuseibeh und Fiyaz Mughal.
Sie haben in einem im Guardian veröffentlichten Offenen Brief bekannt gegeben, dass sie die am 12. Dezember nicht wählen können, weil sie Bedenken wegen des dortigen Umgangs mit Antisemitismus haben. Das liegt ihrer Meinung nach auch am derzeitigen Vorsitzenden.
Farage mit kleinem Zuckerl und kräftigem Peitschenhieb für Johnson
Auf der anderen Seite - derjenigen, der Befürworter eines Austritts aus der EU - ist Nigel Farage dem vom US-Präsidenten Donald Trump indirekt geäußerten Wunsch eines Wahlbündnisses mit den Tories eher zögerlich nachgekommen: Anstatt (wie vorher in Aussicht gestellt) in etwa 600 tritt seine Brexit Party nur in 274 Wahlkreisen mit eigenen Kandidaten an. Zu den Wahlkreisen, in denen sie nicht antritt, gehören alle 317, die die Tories das letzte Mal gewannen. Für Johnson ist das insofern keine große Hilfe, als er für die von ihm erhoffte Mehrheit für seinen neuen Deal mit Brüssel nicht nur diese 317, sondern ein paar neue dazu gewinnen muss. Das dürfte potenziell schwerer werden, wenn den Wählern in traditionell eher labourgeneigten aber auch brexitbefürwortenden Wahlkreisen eine Alternative zur Verfügung steht.
Zum kleinen Zuckerl des "einseitigen Austrittspaktes" verabreichte Farage den Tories noch einen kräftigen Peitschenhieb, indem er behauptete, die Konservativen hätten ihm und seiner prominenten Parteifreundin Ann Widdecombe lukrative Posten angeboten, wenn sie bei der Wahl nicht antreten. Ein Vorwurf, den Boris Johnson auf ITV kategorisch zurückwies.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.