UK am Weg zur Internet-Flatrate

Gratis Internet Provider und Kabelgesellschaften steigern Druck auf BT.

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Als eines der größten Hindernisse für ein Wachstum des Internet in Europa in ähnlichen Größenordnungen wie in den USA werden die Telefongebühren für Ortsgespräche betrachtet. In praktisch keinem europäischem Land gibt es eine sogenannte Flatrate, eine Grundgebühr, in der die Gesprächsgebühren für Ortsgespräche bereits eingeschlossen sind. In Grossbritannien sieht es nun so aus, als liege die Lösung bereits um die nächste Ecke.

In den letzten sechs Monaten hat Grossbritannien eine Flut von neuen Angeboten gesehen, die Nutzern Gratis-Internet-Zugang geben. Ausglöst wurde diese an den Klondyke-Goldrausch erinnernde Situation durch den enormen Erfolg des Gratisangebots "Freeserve" der Elektronik-Kaufhauskette Dixons. Innerhalb weniger Monate hatte Freeserve zwei Millionen User. Doch stecken selbstverständlich keine sozialen Ideen hinter dem "Geschenk", sondern ein Business-Plan. Die Nutzer, überwiegend Web-Neulinge, zahlen umgerechnet rund 1,50 DM pro Minute für Auskünfte auf der Help-Line. Und da es gelang, so eine grosse Zahl von Nutzern an den Markennamen Dixon zu binden, stieg der Wert des Unternehmens an der Börse beträchtlich.

"Doing the Bun Dance"

Viele haben inzwischen versucht, es ihnen nachzumachen. Jahreskartenbesitzer großer Fussballklubs wie Arsenal FC und Manchester United bekommen ebenfalls Gratis-Internetzugang, mit einer für Fans prestigeträchtigen Adresse: Fan@Arsenal.co.uk. Die großen Tageszeitungen buhlen um Leserschaften und wollen aus der Verbindung von massgeschneidertem Informationsportal und Gratis-Internetverbindung Kapital schlagen. Selbst die nicht gerade der intellektuellen Elite zugerechnete Leserschaft von The Sun kann sich inzwischen gratis bei einem neu geschaffenem Provider einwählen. Dieser hört auf den Namen "Currant Bun", was frei übersetzt Rosinensemmel bedeutet aber eigentlich ein Beispiel für sogenannten Cockney Rhyme Slang ist - "Bun" reimt sich auf "Sun" und "Currant" wurde der Rhythmik und des Spasses halber hinzugefügt. Sun-Leser surfen nicht, was sie machen heißt im Sun-Portal "Doing the Bun Dance".

Doch das Problem mit den Ortsgebühren ist damit noch nicht gelöst. Zwar bietet die Kabelgesellschaft NTL inzwischen einen Mix aus Fernsehen, Email und Web für eine Grundgebühr an, doch die Natur des regulatorischen Environments verhindert es, daß die anderen Kabelgesellschaften, Cable London (Cable & Wireless), Telewest, etc., gleichziehen müssen. Denn die Kabelgesellschaften haben die Insel territorial untereinander aufgeteilt und agieren in ihren jeweiligen Gebieten wie Defacto-Monopole.

BT als Windschattenfahrer des Internet-Booms

Die Gratis-Service-Provider haben Grossbritannien in den vergangenen Monaten die höchste Wachstumsrate an neuen Internetnutzern beschert. Doch davon profitiert derzeit hauptsächlich British Telecom. Das Unternehmen, das immer noch den Local Loop beherrscht, hat im abgelaufenen Geschäftsjahr Rekordgewinne zu verzeichnen gehabt. 18% davon stammen bereits aus Lokalgebühren von Internetnutzern. Solange sich an der Art von Gebührenverrechnung nichts ändert, kann sich der Ex-Monopolist ein geradezu parasitäres Geschäftsverhalten leisten.

Doch das könnte sich ändern, denn eine kleine, furchtlose, neugegründete Telephongesellschaft, Localtel, hat BT nun den Fehedehandschuh hingeworfen. Mit "Screaming.Net" bietet die Firma ebenfalls einen Gratisinternetzugang an. Ab 18.00 Uhr und an Wochenenden sind dabei aber auch die anfallenden Telefongebühren völlig umsonst, sofern die Nutzer auch ihren Telephonanschluss bei Localtel bestellen. Das Angebot scheint so erfolgreich zu sein, daß die Bestellnummer für den neuen Service rund um die Uhr blockiert ist. Zahlreiche Nutzer scheinen vom BT-Gratis-Internetdienst für Heimnutzer, BTClick, in Windeseile zu BT abgewandert zu sein.

Die geheime 0800-Nummer

Seither wollen die Spekulationen nicht ruhen, daß BT nun schnell antworten werde. Von einer Flatrate träumen zwar viele, doch CUT, die "Campaign for Unmetered Communications" fährt eine intensive Kampagne, um dieses Ziel auch zu erreichen. Für den 6.Juni ruft man zum "European Telecom Boycott" auf. Und Zeitungsberichte wie jüngst im Sunday Telegraph wollen, unter Berufung auf geheime Quellen innerhalb der British Telecom, wissen, dass BT nun demnächst Internetzugang zu einer Flatrate unter einer 0800-Nummer anbieten werde (diese Nummern sind in Grossbritannien kostenfrei). Die Gerüchte wurden noch zusätzlich dadurch befeuert, daß vor rund 10 Tagen, am Wochenende des 15. und 16.Mai, für ca. 48 Stunden tatsächlich eine 0800-Nummer existierte, unter der man sich ganz und gar gratis ins BT-Internet einwählen konnte. Die Nummer war in der Newsgroup alt.uk.internet.providers.free gepostet worden und hatte sich, kein Wunder, rasend schnell verbreitet. Nach zwei Tagen war der Spass allerdings vorbei und BT ist seither damit beschäftigt, alle Anfragen in sorgfältig gewählten Worten zu dementieren: Eine Internet-Flatrate sei nicht geplant. Die 0800-Nummer sei nur für den internen Gebrauch zum Testen neuer V90-Modems bestimmt gewesen. Doch für Insider klingt das unglaubwürdig. Sie glauben, BT stehe 0800-Nummer bereit, um den neuen Service anbieten zu können, sobald ein wirklich ernsthafter Konkurrent ebenfalls Internetzugang mit Flatrate anbietet. Da Microsoft im Begriff ist, ganze Kabelnetze aufzukaufen, könnte diese Situation demnächst gegeben sein.

Einen ausführlicheren Blick auf den Stand der Dinge bezüglich Internetzugang im Vereinigten Königreich wirft James J.King in Doing Time Online.