UN kann sich nicht über eine allgemeine Definition des Terrorismus verständigen

Die Gespräche über ein Abkommen gegen den Terrorismus sind vor allem daran gescheitert, weil die arabischen Länder Kämpfe gegen eine "fremde Besatzungsmacht" ausschließen wollten

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Die UN-Gespräche im Rahmen des Ad Hoc Committee on Terrorism über ein neues Abkommen der Weltgemeinschaft gegen den Terrorismus sind vorerst gescheitert. Grund ist die Uneinigkeit hinsichtlich einer Definition des Terrorismus. Vor allem opponierten die arabischen Staaten dagegen, auch diejenigen Gruppen als Terroristen zu bezeichnen, die gegen eine ausländische Besatzung kämpfen.

Es gibt zwar bereits 12 UN-Abkommen gegen den Terrorismus, diesen aber liegt keine allgemeine Definition zugrunde, sondern sie ächten einzelne terroristische Taten wie Geiselnahme, Bombenanschläge oder Flugzeugentführungen. Seit 1996 gibt es das Ad Hoc Committee on Terrorism, angestoßen wurde das Projekt eines internationalen Abkommens gegen den Terrorismus von Indien. Nach den Anschlägen hatte die UN diese und allgemein den Terrorismus einhellig verurteilt sowie den USA das Recht auf Selbstverteidigung zugestanden, aber es blieb offen, was jeder unter diesem Begriff verstehen will. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte, um diese Lücke zu schließen, ein neues Abkommen gefordert.

Das Ad Hoc Komitee hatte diese Woche zum sechsten Mal getagt, um aufgrund von Vorschlägen die noch offenen Punkte des vorwiegend auf einem australischen Entwurf basierenden Abkommens zu klären. Während der letzten beiden Sitzungen konnte man sich auf die meisten der 27 Paragraphen einigen, Probleme gab es jedoch, wie zu erwarten, mit der Definition des Terrorismus, aber auch damit, ob das Verhalten des Militärs internationalen Gesetzen unterworfen ist oder nur in Übereinstimmung mit diesen geschehen soll.

Die arabischen Staaten wollen in der Definition des Terrorismus "Freiheitskämpfer" ausschließen, die sich gegen eine fremde Besetzungsmacht und kolonialistische Herrschaft zur Wehr setzen. Damit sollen natürlich vornehmlich die palästinensischen "Befreiungsbewegungen" wie Hamas, Hisbollah oder Dschihad, die mittlerweile von den USA (Zehntausende über die Welt verstreute tickende Zeitbomben) und der EU (Die europäische Liste der Terroristen) als Terroristen bezeichnet werden, von der Ächtung der Weltgemeinschaft ausgenommen werden und ihr Kampf als legitimer Widerstand gelten (Erster Selbstmordanschlag einer Frau in Israel). Zutreffen könnte eine Ausklammerung von solchen "legitimen" Befreiungskämpfen aber auch für die muslimischen Terrorgruppen, die den zu Indien gehörenden Teil Kaschmirs "befreien" wollen, aber auch für die Tschetschenen in Russland oder die Uiguren in China. Das Thema ist also nicht nur im Mittleren Osten brisant - und ganz allgemein würde es auch für den Terrorismus im Baskenland oder Nordirland eine Rolle spielen.

Israel warnt selbstverständlich in besonderem Maß davor, einen "guten" von einem "bösen" Terrorismus zu unterscheiden. Diese Position wird auch von den USA vertreten, während die Europäer unschlüssig zu sein scheinen. Indien hingegen scheint auch diese Einschränkung in Kauf zu nehmen, da Kaschmir nicht von einer fremden Macht besetzt sei, sondern zu Indien gehöre. Daher blieben die Aufständischen Terroristen. Auch daran sieht man, dass es wohl kaum in nächster Zeit zu einer Einigung kommen dürfte. Denn zu der Definition von Terrorismus im Unterschied zum legitimen Kampf kommt noch die Frage, ob es auch so etwas einen "Staatsterrorismus" gibt, wie dies die Araber oft Israel vorwerfen.

Jetzt wurden erst einmal weitere Gespräche über das internationale Abkommen auf Oktober verschoben. Dann könnte sich auch die Lage in der Welt wieder verändert haben - und möglicherweise neue Konflikte entstanden sein. Insgesamt ist es allerdings höchst problematisch, jede Form des bewaffneten Kampfes, wenn er nicht von regulären Armeen eines Staates ausgeführt wird, als Terrorismus zu ächten und zu verfolgen. Damit würde nur die jeweils bestehende Weltordnung von Nationalstaaten verteidigt werden, die in ihrer territorialen Form sakrosankt blieben - egal, wie und wodurch sie entstanden sind, ob es sich um demokratisch legitimierte Regierungen handelt und welche Unterdrückung von kulturellen, religiösen oder ethnischen Gruppen stattfindet (Wie es beliebt). Das kann eigentlich nicht die Grundlage für eine Allianz gegen den internationalen Terrorismus bilden, die angeblich auf Seiten der Freiheit und Demokratie steht. Verurteilt werden sollte zunächst auch nur der "internationale Terrorismus", der in mehr als nur einem Land stattfindet und gegen den man dann auch zuschlagen kann, wenn die Terroristen sich in einem anderen Land befinden. Auch das war schon anfangs eine Formel, um den Nationalstaat zu retten und die meisten Länder nicht gegen die von den USA geplante Allianz aufzubringen.