US-Geldpolitik schürt große Ängste
Die Ablehnung der Dollarschwemme wird immer größer, die Weltbank denkt über eine neue Leitwährung nach
Die Politik Washingtons, mit der Regierung und die Notenbank (FED) die US-Wirtschaft ankurbeln wollen, wird immer heftiger kritisiert. Angesichts der Flutung des Geldmarkts durch die FED mit weiteren 600 Milliarden Dollar, machte der Vorsitzende der Eurogruppe auf einen klaren Widerspruch aufmerksam. Schließlich werfen die USA seit langem lauthals China vor, seine Währung künstlich niedrig zu halten, sie täten nun aber das Gleiche, sagte Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich vor ihrer Abreise zum G-20 in Südkorea in die Kritikerfront eingereiht und dabei sogar China gelobt. Angesichts der verfahrenen Situation mit dem Dollar schlägt nun kein geringerer als der Weltbank-Chef Robert Zoellick eine neue Leitwährung und eine quasi Rückkehr zum Goldstandard vor.
Die Zeichen stehen auf Krach, wenn am Donnerstag und Freitag die Staats- und Regierungschefs zum G-20-Gipfel zusammenkommen. Die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) treffen sich in Südkoreas Hauptstadt Seoul, um über drängende Fragen zu diskutieren. Zwar soll auch über die Überwindung von Hunger und Armut und über den Klimawandel debattiert werden, faktisch wird aber auch dieser Gipfel erneut von wirtschaftspolitischen Themen bestimmt werden. Im Vorfeld zeichnet sich das schon mehr als deutlich ab.
So steht unter anderem die Verabschiedung des Pakets über die Finanzmarktregulierung an, nachdem man im Juni auf dem Gipfel in Toronto erneut keinen Schritt weiter gekommen war, neuen Finanzkrisen vorzubauen (G20-Gipfel kapituliert vor dem Finanzsektor). In der Zwischenzeit hat man sich aber unter dem Stichwort Basel III auf softe und unzureichende Maßnahmen geeinigt, um nicht erneut ohne Ergebnisse nach Hause fahren zu müssen (Basel III: Soft, spät und unzureichend). Bei zukünftigen Eigenkapitalanforderungen hatten zum Beispiel die USA für deutlich strengere Anforderungen an die Banken plädiert, wie sie zum Beispiel die Schweiz einführen will.
Angesichts anderer Konflikte, die in den letzten Wochen für viel Zündstoff gesorgt haben, dürfte Basel III aber kaum noch für größeren Streit hervorrufen. Zum wirklichen Sprengstoff entwickelt sich der drohende Währungskrieg - und hier bilden sich auch höchst merkwürdige Allianzen heraus. So bahnt sich eine direkte Konfrontation zwischen den USA auf der einen Seite und Deutschland und China auf der anderen Seite ab. Ein weiterer zentraler Konfliktpunkt wird neben dem Währungsstreit das enorme Handelsdefizit der USA sein, bei gleichzeitigen Handelsüberschüssen Chinas und Deutschlands. Die Ungleichgewichte wollen die USA über messbare Vorgaben für die Handelsströme abbauen.
Der drohende Währungskrieg
Gebetsmühlenhaft werfen die USA seit Jahren China vor, das Reich der Mitte halte seine Währung künstlich billig, um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den amerikanischen Unternehmen zu stärken. Doch nun, nachdem China schon im Juni die Koppelung des "Volksgelds" (Renminbi, die Einheit heißt Yuan) gelöst und in langsamen Schritten seine Währung aufwertet, haben ihrerseits Japan und die USA begonnen, ihre Währungen nach unten zu drücken. Sie wollen ihre Waren verbilligen, um wegen der schwachen Binnennachfrage stärker zu exportieren und so ihre schwächelnden Ökonomien zu stabilisieren. Dass in dieser Frage schon die IWF-Herbsttagung ergebnislos verlief, hat das Konfliktpotential für den G-20 deutlich gemacht.
Erst letzte Woche haben die USA so richtig Öl ins Feuer gegossen. Die Notenbank (FED) gab bekannt, dass die Notenpresse auf Volllast geht und weitere 600 Milliarden Dollar auf den Markt geworfen werden. Insgesamt können es sogar bis zu 900 Milliarden werden. Das vordergründige Ziel ist, für Liquidität und billige Kredite zu sorgen. Im Hintergrund geht es vor allem darum, den Wert des Dollars weiter zu senken. Nach Ansicht des Vorsitzenden der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, verletzen die USA damit den internationalen Konsens über das Gebaren in der Geldpolitik. Es würden "Schulden mit noch mehr Schulden bekämpft". Er sagte, die USA kritisierten scharf die Geldpolitik Chinas, um dann indirekt das Gleiche zu tun. "Ich sehe vermehrte Risiken und Gefahren, dass die Dinge außer Kontrolle geraten", warnte der luxemburgische Ministerpräsident vor einem "inflationären Krisenausgang".
Zuvor hatte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble offen die US-Politik als "ratlos" kritisiert, weil die USA kein Liquiditätsproblem hätten. Und China machte darauf aufmerksam, dass diese riesigen Summen nicht nur den Dollarkurs beeinflussen, sondern auch spekulativ in Schwellenländer fließen. Das bereitet China große Sorgen, weil sich dort Blasen schon gefährlich aufblähen. Bedenken haben aber auch Länder wie Brasilien. Das Land hat schon Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, um sich gegen riesige Kapitalzuflüsse zu wehren. Allseits wird seit langem davor gewarnt, dass besonders die FED-Politik eine "Monsterblase" aufbläht, weil das billige Geld nicht bei Firmen und Verbrauchern ankomme, wie auch Juncker kritisiert, sondern renditehungrige Anleger zu zweifelhaften Investitionen verleite. Das würde neue schwere Krisen unvermeidlich machen.
Und vor neuen gefährlichen Blasen warnt nun sogar die Bundeskanzlerin. So benannte sie auf Nachfrage von Journalisten die "aggressive Geldpolitik der USA" während einer Pressekonferenz vor ihrer Abreise nach Seoul. Angela Merkel sagte: "Kein Mensch kann Interesse an neuen Blasen haben, sondern alle müssen sehen, dass das Wachstum diesmal in der Weltwirtschaft nachhaltiger und dauerhafter ist als das, was wir vor einigen Jahren erlebt haben." Zwar ziele die Geldschwemme darauf ab, Beschäftigung und Wachstum zu schaffen, doch "das hat natürlich Nebenwirkungen über die Wechselkurse bei den Nachbarn". Die spielten im internationalen Wettbewerb allerdings "eine große Rolle für die Unternehmen, die exportieren wollen und diejenigen, die mit Importen konkurrieren". Wenn also die Währungen wegen der Geldpolitik anderer an Wert gewinne, "könne das zu Problemen führen", warnte Merkel.
Zwar kritisierte sie auch, dass China weiter seine Währung nicht freigegeben habe und sie deshalb unterbewertet sei, doch sie richtete auch sehr lobende Worte an das Reich der Mitte. Merkel bezeichnet China als "guten Begleiter unserer Haushalts- und Euro-Konsolidierungsmaßnahmen". Die chinesische Regierung habe durch den Kauf von griechischen und portugiesischen Staatsanleihen und durch einen Besuch in Portugal gezeigt, dass sie dem Euro-Raum vertraue. "China hat ein sehr starkes Interesse daran, von dem Gipfel ein positives Signal auszusenden."
Der Abbau von Handelsungleichgewichten
Das Lob der Kanzlerin an China kam nicht von ungefähr, schließlich sitzt das Land mit Deutschland in einem Boot, wenn es um die US-Forderung geht, die Handelsungleichgewichte abzubauen. Der nach den Wahlen im eigenen Land schwer angeschlagene US-Präsident Barack Obama, will verbindliche Ziele festlegen, um das gewaltige US-Handelsdefizit abbauen zu können. Immer wieder haben die USA Exportländer wie China und Deutschland aufgefordert, ihre großen Handelsüberschüssen zu reduzieren. Die Forderung hatte US-Finanzminister Timothey Geithner beim Treffen der G-20-Finanzminister in Südkorea erst vor drei Wochen wiederholt. Doch würde Deutschland den Inlandkonsum zum Beispiel durch Steuersenkungen oder Erhöhung von Sozialleistungen ankurbeln, wäre der drastische Sparkurs nicht durchzuhalten.
Vorprogrammiert ist in Seoul also der Streit um konkrete Vereinbarungen zum Abbau der Handelsüberschüsse, die Washington fordert. Derlei Ansinnen lehnt Merkel rundweg ab. "Wir lehnen quantifizierte Bandbreite für akzeptable Ungleichgewichte ab", sagte sie. Die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit von Staaten müsse sich auch weiterhin über die Exportraten ausdrücken können, schließlich hätten die Ungleichgewichte auch etwas mit der Wettbewerbsfähigkeit von Produkten auf dem Weltmarkt zu tun. Sie bekräftigte, dass die Länder selbsttragenden Aufschwung erreichen müssten, also Wirtschaftswachstum aufgrund hoher privater Nachfrage, um mit dem Rückzug aus den gewaltigen Anti-Krisen-Programmen und mit der Sanierung der Staatskassen beginnen zu können. Die USA entfernen sich mit der Politik der Geldschwemme immer weiter von den Vereinbarungen, die in Toronto getroffen wurden.
Dass Obama aber an seinen Ideen festhält, machte er mit einem Brief an die Gipfelteilnehmer deutlich. Die New York Times berichtete am Mittwoch über den Inhalt des Schreibens. "Kein einzelnes Land kann unser gemeinsames Ziel einer starken, dauerhaften und ausgewogenen Erholung auf sich selbst gestellt erreichen", schreibt der US-Präsident. Alle G-20-Staaten müssten sich aktiv am Abbau der Handelsungleichgewichte beteiligen. "Wenn alle Staaten ihren Teil dazu beitragen - Schwellenländer ebenso viel wie Industrieländer, Überschuss- ebenso viel wie Defizitländer -, werden wir alle von einem höheren Wachstum profitieren", erklärte er. Obama plädiert für "eine starke Konjunkturerholung" als wichtigsten Beitrag, "den die USA für die globale Wirtschaft leisten können". Auch auf die Kritik an der Währungspolitik geht er ein, denn die Dollarschwäche werde sich mit einem US-Aufschwung erledigen, denn die Stärke des Dollar hänge von der fundamentalen Stärke der US-Wirtschaft ab, argumentiert er weiter.
Angesichts des deutschen Widerstands hatte Geithner offiziell die Forderung nach verbindlichen Vorgaben zurückgezogen, doch aus Seoul ist zu vernehmen, dass das Thema nicht vom Tisch sei. Die Unterhändler, die den G-20-Gipfel vorbereiteten, sprechen von unüberbrückbaren Gegensätzen. Man trete auf der Stelle und auf den Konfliktfeldern sei kein "Mittelweg" absehbar. Heiße Diskussionen hätten sich vor allem am Passus über die Währungspolitik für die Abschlusserklärung ergeben.
Zurück zum Goldstandard?
Das der Dollar als Leitwährung zum Auslaufmodell geworden ist, diese Einschätzung setzt sich immer breiter durch. Russland und China haben den Dollar in der Krise deutlich in Frage gestellt, und China bringt den Renminbi schon gegen den Dollar in Stellung. Es fällt aber auf, dass inzwischen sogar in den Finanzorganisationen über die Ablösung des Dollars als Leitwährung nachgedacht wird, welche die USA noch kontrollieren. War es kürzlich der Internationale Währungsfonds (IWF), der die offene Debatte eröffnete, zog nun auch die Schwesterorganisation Weltbank nach.
In einem Gastbeitrag für die "Financial Times" spricht sich der Weltbank-Präsident Robert Zoellick für einen Gold-Standard aus. Seine Aussagen sind denen ähnlich, die Reza Moghadam in einer IWF-Studie gemacht hatte (IWF denkt über die Ablösung des Dollars als Leitwährung nach) und den "Bancor" als Weltwährung vorschlug. Auch Zoellick tritt für ein neues, kooperatives Währungssystem ein. "An diesem System müssen wahrscheinlich der Dollar, der Euro, der Yen und das britische Pfund beteiligt sein sowie ein Renminbi, der sich auf eine Internationalisierung hin bewegt", schreibt er. Eine Rückkehr zum Goldstandard, wie er in Bretton Woods 1944 vereinbart worden war, hat er offensichtlich aber nicht vor. Aber, so meint Zoellick, "sollte das System in Betracht ziehen, Gold als einen internationalen Bezugspunkt für Markterwartungen zu Inflation, Deflation und künftigem Währungswert zu nutzen".
Auch in diesem System gäbe es kein Land mehr, das seine Vormachtstellung über die Leitwährung derart missbrauchen könnte, wie es die USA seit Jahrzehnten getan haben. Nur sie konnten die nötigen Scheinchen je nach Bedarf drucken, was letztlich zur Aufgabe der Golddeckung und zum Scheitern des Systems von Bretton Woods I führte. Wäre der Dollar als Leitwährung beerdigt, könnten sie fortan nicht mehr einfach buntes Papier gegen Waren und Dienstleistungen tauschen, während sich die Entwertung des Geldes weltweit verteilt. Das ist ein massiver Vorteil für die USA, den sie bei allen Klagen gegenüber Chinas Währungspolitik geflissentlich vergessen.
Die Entwicklung eines Währungssystems, das Nachfolger des 1971 eingeführten "Bretton Woods II" werden könne, braucht nach Ansicht von Zoellick Zeit. "Wir müssen jedoch damit beginnen", fordert er. "Das Ausmaß der Veränderungen seit 1971 entspricht dem der Veränderungen zwischen 1945 und 1971, die die Verlagerung von Bretton Woods I auf Bretton Woods II veranlasst haben."