US-Verteidigungsminister: "Der erste große Test für das Cyberkommando"

Das befreite Ramadi. Screenshot von einem Roten-Kreuz-Video

Der propagierte Cyberwar bleibt allerdings ein gehütetes Geheimnis

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Das US-Verteidigungsministerium hat vor einiger Zeit erstmals einen Cyberwar angekündigt (Mosul im Visier des Pentagon, Cyberwar inklusive). Geführt werden soll er nicht gegen einen anderen Staat, sondern gegen die Terrormiliz Islamischer Staat, um die Großstadt Mossul, die irakische "Hauptstadt" des IS, einzunehmen. Wie mittlerweile auch bekannt wurde, wird das Pentagon nicht nur mit eigenen Spezialtruppen am Boden, sondern auch mit schwerer Artillerie sowie massive Luftangriffe mit Drohen, Kampfflugzeugen und B-52-Bombern sowie Apache-Kampfhubschrauber einsetzen.

Versprochen wird gleichwohl ein Präzisionskrieg, auch wenn dies im bevölkerten Raum einer Großstadt schwierig sei. Das hat sich bereits bei der Einnahme von kleineren Städten wie Ramadi, Tikrit oder Sindschar gezeigt. Auch das befreite Kobani war eine ruinierte Geisterstadt. Die großflächigen Zerstörungen sind nicht alleine den Angreifern zuzuschreiben, die Städte aus der Luft bombardieren oder mit Artillerie in sie feuern, sondern auch der Strategie des IS, die Straßen und Gebäuden mit Teppichen von Sprengbomben zu überziehen, die so "verbrannte Städte" hinterlassen.

Wohl auch aus dem Grund wird nicht darauf gesetzt, vor einem Angriff auf Mossul die verbliebene Bevölkerung aufzufordern, die Stadt vor dem entscheidenden Angriff zu verlassen, sondern auch in den Reihen des IS Angst und Unsicherheit durch psychologische Operationen und Cyberangriffe zu erzeugen. Cyber-Angriffe werden vom Pentagon als weitere Präzisionswaffe präsentiert, mit der sich gezielt angreifen lässt, um Kollateralschäden zu minimieren (Pentagon bereitet Offensive auf Mossul mit schweren Waffen vor).

Vergangene Woche wurden US-Verteidigungsminister Carter und General Dunford in einer Senatsanhörung befragt, was man denn an Cyberangriffen plane. Wir hatten schon erwähnt, dass sich von außen kaum sagen lässt, ob die Äußerungen aus dem Pentagon eher der Verunsicherung des IS mittels klassischer PsyOp-Strategien dienen oder das Cyberkommando tatsächlich seine Cyberwaffen ausprobieren will, schließlich sind Kriege, das wurde auch an der militärischen Intervention Russlands in Syrien deutlich, eine Möglichkeit, Waffen zur Abschreckung und für den Verkauf zu testen und vorzuführen. Carter sagte, es sei der "erste große Test für das Cyberkommando".

Carter erklärte, mit Cybermitteln wolle man die Befehlsketten des IS stören und die Möglichkeiten unterbinden, Geld zirkulieren zu lassen - was allerdings der Darstellung des Pentagon zuwiderzulaufen scheint, dass man durch gezielte Angriffe große Mengen an Bargeld vernichtet habe, was damit kaum digital wäre. Es sei denn Carter meint, dass man die Kommunikationskanäle der Geldeintreiber und -verteiler unterbrechen will. Unterbunden werden soll auch "die Möglichkeit, die Bevölkerung zu tyrannisieren und zu kontrollieren" und im Ausland neue Anhänger zu rekrutieren. Während die Anwerbung von Rekruten im Ausland sicher zu einem guten Teil über das Internet stattfindet, dürfte die Kontrolle der Menschen vor Ort eher mit roher Gewalt erfolgen. Davon zeugen freilich wieder Videos des IS, die zeigen, wie brutal vermeintliche Spione oder Übeltäter bestraft und exekutiert werden.

General Dunford machte klar, dass der Cyberwar den klassischen Strategien folgt. Ähnlich wie man Gegner wie Russland oder China zu isolieren und einzudämmen sucht, so soll auch der IS territorial und virtuell isoliert werden. Die virtuelle Isolation soll die "physischen Aktionen auf dem Boden" ergänzen. Carter ergänzte in dem Sinn, dass die "Bombenkampagne durch Cyberangriffe in Syrien und im Irak ergänzt" werde: "Wir bombardieren sie und zerstören auch ihr Internet. Das ist in der modernen Welt notwendig, um einen Feind zu besiegen." Weder Carter noch Dunford ließen sich wie üblich in die Cyberkarten schauen.

Bevor der erste Cyberwar wirklich geführt wird, scheint die Strategie zu sein, die Cyberwaffen bzw. die virtuellen Angriffsszenarien geheim zu halten und gleichzeitig eine Bedrohungskulisse aufzubauen. Diese Strategie, die auch gegenüber der eigenen Bevölkerung und wohl auch gegenüber den Abgeordneten des jeweiligen Landes aufrechterhalten wird, hat schon längst ein digitales Wettrüsten ausgelöst, um die eigenen Netzwerke zu sichern und die der anderen lahmlegen oder manipulieren zu können. Der Cyberwar unterscheidet sich damit von der herkömmlichen militärischen Strategie, die mit dem Vorzeigen der neuesten Waffentechnik auf Paraden oder in Kriegen den Gegner zu beeindrucken. Während hier mitunter mehr vorgespielt wird, als tatsächlich vorhanden ist - Nordkoreas Atombomben sind dafür ein gutes Beispiel -, wird im Kontext der Cyberrüstung kaum etwas außer vielleicht der Manpower präsentiert, um die Fantasie zu schüren, über welche Mittel der Gegner verfügen könnte, um das eigene Militär oder das gesamte Land digital herunterzufahren.

Generalmajor Peter Gersten, der in Bagdad für Operation Inherent Resolve zuständig ist, verkündete letzte Woche, dass "Cyberoperationen" bereits ihre Wirkung auf dem Schlachtfeld zeigen würden, aber das bleibe höchst geheim. Das sei sehr effektiv und koordiniert. Auch hier also das Raunen. Bekannt ist nur, dass das Cyberkommando eines von 27 Kampfteams dem CentCom unterstellt hat, das für den Kampf gegen den IS verantwortlich ist. Vermutlich besteht so ein Team aus 45-60 "Cyberkämpfern", das kann man zumindest aus dem Plan ableiten, dass das Cyberkommando anstrebt, mit fast 6200 Cybersoldaten 133 Teams zu bilden.

Der Islamische Staat hat zwar eine archaische Ideologie, aber nutzt alle technischen Mittel, um den propagierten Gottesstaat durchzusetzen. Nicht nur gegenüber dem Ausland wird auf gut gemachte Medienprodukte und das Internet gesetzt, inklusive Hackergruppen und verschlüsselte Kommunikation, auch intern wird neben Kurieren alles an Informationstechnologie verwendet, um die Befehlsketten effektiv zu machen.

Cyberangriffe könnten hier ansetzen, ob das geschieht, ist freilich unbekannt. Erkennbar sind Cyberangriffe von außen jedenfalls bislang nicht. Selbst die Überwachung scheint begrenzt zu sein. So ist weiterhin unbekannt, ob al-Bagdadi, der Chef und selbsterklärte Kalif, noch lebt und wo er sich aufhalten könnte. Erfolge gegen den IS werden normalerweise mit roher, im Jargon "kinetischer" Gewalt erzielt.

Ähnlich wie al-Qaida in Afghanistan und Osama bin Laden passen sich die Gegner den bekannten Strategien und Techniken an, um sie auszutricksen. So soll der IS zwar hierarchisch geführt werden, aber gleichzeitig als flaches Netzwerk arbeiten, also dezentrales Vorgehen von Kommandeuren nach allgemeinen Vorgaben zu fördern. Abgesehen von üblichen Hackerangriffen auf Websites dürfte der IS kaum die Fähigkeit haben, wirkliche Cyberangriffe auszuführen.

Krieg aus der Ego-Shooter-Perspektive - mit tödlichem Ausgang.

Dass der IS alle Mittel einsetzt, wurde auch über das Video einer Helmkamera bekannt, das bei einem IS-Kämpfer gefunden wurde. Die IS-Kämpfer griffen Ende Dezember mit drei Fahrzeugen eine kurdische Stellung im Irak an. Der Film zeigt die aufgeregte Panik der IS-Kämpfer, der Helmträger verlässt das Fahrzeug und wird verwundet. Man sieht das brennende IS-Fahrzeug auf den letzten Bildern. Dann muss der IS-Kämpfer getötet worden sein. Möglicherweise durch Angriffe von US-Kampfflugzeugen. Nach den Peschmerga sollen alle getöteten IS-Kämpfer Helmkameras getragen haben. Ob beabsichtigt war, die Kämpfer zu kontrollieren, oder ob man Bilder für die üblichen heroischen Filme gewinnen wollte, ist nicht klar.