USA: Streit um taktische Atomwaffen
Demokratische Abgeordnete wollen den weiteren Bau von Trident-Marschflugkörpern mit "geringer Sprengkraft" verhindern, Trump und die Republikaner favorisieren einen damit möglichen "flexibleren" Einsatz von Atomwaffen
Barack Obama wollte in Richtung einer atomwaffenfreien Welt starten (Barack Obamas Prager Frühling), aber während seiner Präsidentschaft wurde das Wettrüsten mit Russland und China verstärkt und die "Modernisierung" der Atomwaffen in die Wege geleitet. Nachträglich wird man sagen müssen, dass Obama gegen den Sicherheitsapparat nicht angekommen ist, immerhin sind aber die USA unter ihm nicht aus Rüstungsbegrenzungsabkommen ausgestiegen. Donald Trump hat das Militärbudget wieder hochgesetzt, ist aus Abkommen wie dem INF ausgestiegen und befürwortet nuklearen Hochrüstung. Für ihn sichert das Militär die Macht der USA, um andere Länder durch Bedrohung zu erpressen.
Der Kongress hat bei der Erhöhung des Militärhaushalts demonstriert, dass es sowohl demokratischen als auch republikanischen Abgeordneten ein Anliegen ist, die USA als militärisch dominantes Land zu erhalten. Der Kongress überbot 2017 noch den von Trump vorgelegten Haushalt für das Pentagon. Allerdings gab es immer auch Bedenken, einen Präsidenten als obersten Kriegsherrn zu haben, der letztlich über den Einsatz von Atomwaffen entscheiden kann und der gerne mal anderen Länder wie dem Iran mit völliger Vernichtung droht.
Nach einer Umfrage ist eine Mehrheit der Amerikaner dagegen, dass der Präsident den Einsatz von Atomwaffen beschließen kann. Es wurden auch entsprechende Gesetzesvorschläge eingereicht, um zu bewirken, dass der Kongress dies beschließen muss (USA: Soll Trump über den Einsatz von Atomwaffen entscheiden können?). Die Entwicklung der Waffentechnik, vor allem mit Hyperschallraketen, verkürzt allerdings das Fenster für Entscheidungen, was darauf hinauslaufen wird, dass die Entscheidung im Ernstfall sowieso Algorithmen überlassen werden müsste.
Jede Atomwaffe ist eine Atomwaffe
Der republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses Ted Lieu und der demokratische Senator Ed Markey haben den Kongress nun aufgefordert, im Pentagon-Haushaltsbudget für 2020 die geplante Entwicklung neuer, taktischer Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft zu verhindern. Die vorhandenen Atomwaffen würden zur Abschreckung bei weitem ausreichen: "Atomwaffen dürfen niemals zuerst eingesetzt werden, und es dürfen keine neuen Atomwaffen entworfen werden, die leichter einsetzbar sind."
Taktische Atomwaffen senken die Einsatzschwelle und erhöhen auch deswegen das Risiko, weil sie "normalen" Atomwaffen gleichen. Und überhaupt sei eine Atomwaffe eine Atomwaffe. Verwiesen wird auf den zurückgetretenen Verteidigungsminister Jim Mattis, der erklärt hatte: "Ich glaube nicht, dass es so etwas wie eine taktische Atomwaffe gibt. Jede zu jeder Zeit eingesetzte Atomwaffe verändert das strategische Spiel."
Die Rede von Bomben mit kleinerer Sprengkraft würde die Tatsache verschleiern, dass es sich um Atomwaffen handelt, die noch ein Drittel der Sprengkraft der Bombe haben, die 1945 Hiroshima zerstörte. Sie seien um das 500-Fache stärker als die größte konventionelle Bombe und würden eine Tötungskapazität besitzen, die um ein Vielfaches höher wäre, als für jeden konventionellen Krieg gebraucht wird. Eine solche Bombe könne 80.000 Menschen töten und 120.000 verletzen, wenn sie auf das Zentrum von Washington abgeworfen wird. Schon jetzt habe das Pentagon Atombomben mit variabler Sprengkraft, auch solche mit geringer Sprengkraft. Sie seien auch in den Ländern stationiert, die wie Deutschland eine nukleare Teilhabe haben.
Im Nuclear Posture Review (NPR) war die Modernisierung der Atomwaffen und der Bau kleinerer Atomwaffen vorgesehen worden. Die neuen Sprengköpfe für die Trident-Interkontinentalraketen hätten den Vorteil, dass im Unterschied zur nuklearen Teilhabe die USA alleine über ihren Einsatz entscheiden können, sie würden auch unterschiedliche Angriffs- und Reaktionsmöglichkeiten eröffnen (Flexibilität) und als Bunkerbrecher dienen (Im Taumel des Wettrüstens).
Demokraten und Republikaner im Streit über neue Atomwaffen
Im September 2018 habe der Kongress zwar "dummerweise" die Entwicklung eines solchen nuklearen Sprengkopfs W76-2 für die Trident D5-Marschflugkörper mit überwältigender Mehrheit für 65 Millionen US-Dollar gebilligt, die von U-Booten aus abgefeuert wird. Dazu wurden dem zuständigen Energieministerium noch Ausgaben in Höhe 11 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen genehmigt, fast 500 Millionen US-Dollar mehr als 2018. Anfang des Jahres hatte die für Atomwaffen zuständige National Nuclear Security Agency im Energieministerium berichtet, dass die Produktion der neuen Sprengköpfe W76-2 bereits begonnen habe. Bis zum Ende des Haushaltsjahrs 2019 sollen sie bereits an die US-Marine geliefert werden (USA haben mit der Produktion kleinerer, U-Boot gestützter Atomwaffen begonnen).
Es sei aber noch Zeit, die Entwicklung zu korrigieren, sagen die beiden Politiker. Im Repräsentantenhaus hat Ted Lieu einen Gesetzesentwurf eingereicht, der speziell ein Verbot für "die Forschung und die Entwicklung, Produktion und Aufstellung des Trident D5-Nuklearsprengkopfs mit geringer Sprengkraft" vorsieht. Jetzt könnte die weitere Entwicklung und Produktion im Haushaltsbudget noch verhindert werden. Atomwaffen sollten nur der Verteidigung und Abschreckung dienen. Wichtig sei auch, das START-Abkommen zu verlängern.
Zu erwarten sind heftige Auseinandersetzungen im Kongress über die neuen Atomwaffen. Im Repräsentantenhaus, wo die Demokraten seit den letzten Wahlen eine Mehrheit haben, hat ein für strategische Waffen zuständiger Unterausschuss mit 10 Stimmen der Demokraten und gegen 8 Stimmen der Republikaner eine Empfehlung für das Pentagon-Haushaltsgesetz beschlossen. Danach würde die Lieferung der neuen Trident-Marschflugkörper gestoppt und eine Aufkündigung des "Vertrags über den Offen Himmel" von 1992 verhindert werden. Der Vertrag zur Vertrauensbildung ermöglicht gegenseitige Überflüge auf festgelegten Routen und das Machen von Aufnahmen. So dürfen russische Flugzeuge etwa das amerikanische Territorium oder amerikanische das russische Überfliegen.
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