USAID-Schließung: EU nennt erste Millionenbeträge für Hilfe- und Politprogramme

Eine Hand hält $ vor dem Logo der USAID

Die Dollar sind weg, kommen jetzt die Euros? Bild: VSV Media/ Shutterstock.com

US-Aus für Entwicklungszusammenarbeit. EU vor enormen finanziellen Lücken. Bei internen Beratungen in Brüssel wurden nun erste Millionenbeträge genannt.

Die faktische Schließung der US-Agentur für Entwicklungszusammenarbeit wird die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten vor neue Herausforderungen bei der Finanzierung stellen. Dies bestätigen deutsche Diplomaten der Ständigen Vertretung in Brüssel, die an entsprechenden Gesprächen und strategischen Planungen beteiligt waren.

Klar ist: Der unvermittelte Rückzug der USA aus zentralen Projekten und Organisationen hinterlässt ein Vakuum, das die Europäische Union nur schwer füllen kann. Interne Dokumente, die unserer Zeitung vorliegen, zeichnen ein alarmierendes Bild der Lage. Führende Akteure aus dem Feld der Entwicklungszusammenarbeit besprachen dabei auch offen. Die politische Einflussnahme westlicher Staaten in Osteuropa und auf dem Balkan.

Auswirkungen auf globaler Ebene

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, hat die Entscheidung der US-Regierung unter Präsident Donald Trump, die Mittel für die Entwicklungshilfeagentur USAID massiv zu kürzen, weltweit für Schockwellen gesorgt.

In Südostasien werde die Entwicklungshilfe aus den USA "unter anderem für die Entfernung amerikanischer Blindgänger aus dem Vietnamkrieg benötigt", schreibt das Blatt. Dort, wo die USAID tätig war, könnte nun China vorstoßen. Andernorts würde die Miliz "Islamischer Staat" wohl an Boden gewinnen.

Besonders dramatisch sei die Lage in Afrika, wo teilweise ganze Gesundheits- und Bildungssysteme von den US-Geldern abhängen. Auch in Lateinamerika, wo USAID Projekte zur Integration venezolanischer Migranten fördert, drohen nun Einschnitte.

Radio Free Europe verklagt US-Regierung

Doch nicht nur Entwicklungsprojekte sind betroffen. Auch der US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) sieht sich existenzbedrohenden Kürzungen ausgesetzt. Wie das juristische Fachmagazin "beck-aktuell" berichtet, hat RFE/RL vor wenigen Tagen Klage gegen die eigene Regierung eingereicht.

Der in Prag ansässige Sender argumentiert, dass das Vorenthalten der vom Kongress bewilligten Gelder rechtswidrig sei und gegen die Verfassung verstoße.

Ob die Klage Erfolg haben wird, ist offen. Klar ist jedoch, dass eine Schließung von RFE/RL weitreichende politische Folgen haben wird. Dass die von den Kürzungen betroffenen Institutionen auch Instrumente der außenpolitischen Einflussnahme waren, bestätigen interne, diplomatische Protokolle aus Brüssel, die Telepolis einsehen konnte.

Vertrauenskrise und finanzielle Lücken

Aus den Dokumenten wird ersichtlich: Innerhalb der EU sorgt der US-Rückzug für erhebliche Turbulenzen. Die Entscheidung der USA werde dem gesamten Westen angelastet, warnte Jerzy Pomianowski, Exekutivdirekter des European Endowment for Democracy (EED), vor wenigen Tagen. Dies führe zu einem Vertrauensverlust in das westliche Demokratiemodell.

Der ehemalige polnische Vize-Außenminister schlug vor, die weggefallenen US-Gelder aus dem 800-Milliarden-Euro-Fonds für Verteidigung und Infrastruktur gegenzufinanzieren. Er schlug vor, ein Prozent der für die europäische Verteidigung geplanten 800 Milliarden Euro "in eine European Soft Power als Teil einer umfassenden Sicherheitsstrategie zu investieren", heißt es in einem Protokoll. Damit seien nicht nur die Förderung demokratischer Institutionen und Einrichtungen wie der EED selbst gemeint.

Gleichzeitig entstünden erhebliche finanzielle Lücken, die die EU kaum schließen könne. Allein in der Ukraine, derzeit Prioritätsland Nummer eins, fehle es an allen Ecken und Enden, insbesondere im Energiesektor. Dort geht die EU Kommission von einem unmittelbaren zusätzlichen Finanzbedarf von 200 bis 300 Millionen Euro aus.

Aus Sicht der Mitgliedstaaten habe die EU-Kommission hier keine ausreichenden schriftlichen Informationen vorgelegt, was ein schnelles Handeln erschwere. Auch eine bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten sei nötig, monierten die Teilnehmer, womit klar wurde: Die Europäer haben bisher kaum Antworten auf die Kettensägenpolitik von Donald Trump.

Ratlosigkeit bei Vertretern der Soft Power

Auch bei einem zweiten Treffen am 18. März zeigte sich Pomianowski höchst besorgt. Der Rückzug des langjährigen Partners USA bedeute nicht nur eine finanzielle Lücke von 150 Millionen US-Dollar allein für RFE/RL, sondern habe seiner Meinung nach auch verheerende politische Folgen. "Erstes Opfer des US-Rückzuges sei über Jahre mit Partnerorganisationen aufgebautes Vertrauen", wird er in einem Bericht zitiert. Autoritäre Regime hingegen erhielten Rückenwind.

Laut EED-Chef eröffnen sich für Mächte wie China und Russland, aber auch Golfstaaten neue Möglichkeiten, das entstehende Vakuum zu füllen. Als besonders prekär bewertete er die Lage in Moldau, wo nach dem Wegfall der US-Gelder über die Hälfte der Finanzierung für unabhängige Medien und Zivilgesellschaft fehle – und das kurz vor den Parlamentswahlen. Auch in Georgien, Serbien und Syrien bestehe dringender Handlungsbedarf.

Forderung nach Kurswechsel der EU

Der European Endowment for Democracy leiste mit seiner "flexiblen Arbeitsweise" und "großen Diskretion" einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Demokratie in Krisenregionen. So formulierte es Simon Mordue, der außenpolitische Chefberater des Präsidenten des Europäischen Rates, bei einer der internen Aussprachen in Brüssel.

Als besonders dringlich gelten laut EED-Direktor Pomianowski neben politischen Initiativen vor den Parlamentswahlen in Moldau im Sommer 2025 die "gezielte Zuwendungen an die syrische Zivilgesellschaft", um den nationalen Dialogprozess zu unterstützen.

In Georgien habe sich die Situation für Opposition und Zivilgesellschaft drastisch verschlechtert, da die Regierungspartei "kein Interesse an einer proeuropäischen Agenda" zeige. Premierminister Iwanischwili sehe im EED gar einen "Staatsfeind", so Pomianowski.

Weitere Finanzlast für die EU

Die Europäische Kommission ist mit rund 100 Millionen Euro größter Geber des EED und versichert die Fortsetzung ihres finanziellen und politischen Engagements. Umso wichtiger sei dies, da nach Einstellung der Zahlungen von USAID und Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) klar sei, dass auf die USA "kein Verlass mehr" sei, heißt es aus der Kommission.

Der Wegfall der US-Zuwendungen in Höhe von 150 Millionen Euro trifft RFE/RL besonders hart.