Über den Wolken bitte nicht abheben!

Wozu Waffen an Bord bringen oder Teppichmesser? Flugzeuge lassen sich auch mit Küssen vom Kurs abbringen!

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Erotik über den Wolken ist sagenumwoben, vielfältig in die Literatur eingegangen und in der Praxis meistens extrem unkomfortabel. Solange sie nicht das Personal betrifft, waren ihre Auswirkungen auf den Flugbetrieb jedoch bislang eher gering. Nun führte nach all den Terrordrohungen ausgerechnet ein Kuss – der noch nicht einmal sicher als Mund zu Mund belegt ist – fast zu einer Notlandung.

Es war der American Airlines-Flug 45, von Paris, Flughafen Charles de Gaulle nach New York, Flughafen J.F. Kennedy. Die Transatlantikflüge waren in den letzten Wochen stets als mögliches Ziel von Attentätern unter verschärfter Beobachtung. Doch was nun dank der scharfen Beobachtung einer aufmerksamen Stewardess am 22. August dieses Jahres beinahe zu einem Flugabbruch geführt hätte, hatte nichts mit verbotenen Gegenständen an Bord zu tun – keine Waffen, keine Teppichmesser oder Apfelschäler und auch keine Apple- oder Dell-Notebooks. Ja nicht mal die Waffen einer Frau waren involviert.

George Tsikhiseli, Fernsehjournalist, und sein neuer Freund, Stephan Varnier, Schriftsteller, waren seit vier Monaten zusammen und hatten Paris, die Stadt der Liebe, sozusagen als Hochzeitsreise besucht. 12 Tage zuvor hatten die Briten einen Terrorplan vereitelt und die Sicherheitsbeamten waren noch ziemlich nervös, weshalb der Einstieg ins Flugzeug zwei Stunden länger gedauert hatte als erwartet. Doch schließlich hob der Flieger Richtung New York ab und Varnier nickte ein, wobei er seinen Kopf an die Schulter von Tsikhiseli lehnte.

Der süße Schlummer dauerte jedoch nicht lange, denn eine Stewardess erschien und erklärte: "Die Flugscheinkontrolleurin möchte, dass Sie sofort damit aufhören!". Vernier fragte verschlafen "Mit was?" – "Na mit dem Berühren und Küssen!"

Das Pärchen war verblüfft, sie hatten nicht einmal richtig geküsst, nur den Kopf auf die Schulter gelegt und Kussgeräusche gemacht, ohne sich dabei viel zu denken. Zwar war den umsitzenden Passagieren durchaus aufgefallen, dass die beiden sich aneinanderkuschelten wie Turteltauben, doch nun waren sie doch überrascht. Und als die Ticketkontrolleurin tatsächlich an ihre Reihe kam, fragten sie nach. Doch diese wusste noch überhaupt nichts von dem Vorfall und hatte schon gar nicht in Auftrag gegeben, die Zärtlichkeiten zu untersagen.

Zunächst schob sie den Vorfall noch auf die spezielle Moral der betreffenden Stewardess, weil diese aus Texas komme und etwas „empfindlicher“ sei als andere. Doch dann wechselte die Stimmung, sie wurde giftig und sagte "Küssen ist eine unangemessene Verhaltensweise an Bord eines Flugzeugs!"

Eine halbe Stunde später kam die Ticketkontrolleuren an den „Tatort“ zurück und behauptete, andere Passagiere hätten sich über den Vorfall beschwert, konnte aber niemanden benennen und drohte den umliegenden Passagieren, die nun ungehalten wurden, wenn sie das Thema nicht auf der Stelle fallen lassen, würde der Flug nach New York abgebrochen. Daraufhin traute sich niemand mehr etwas zu sagen.

Nach einer Stunde wurde George Tsikhiseli nach vorne zum Piloten bestellt, der ihm bestätigte, dass er nicht weiter nach New York fliegen werde, wenn Tsikhiseli und die anderen Passagiere nicht sofort aufhören würden, noch weiter mit seiner Crew herumzustreiten.

Dass es sich um ein schwules Pärchen handelt, spielte für den Vorfall laut Auskunft der Fluglinie keine Rolle, es ginge vielmehr darum, angesichts der Mischung aus verschiedenen ethischen und Altersgruppen an Bord eines Flugzeugs zu vermeiden, dass sich andere Fluggäste belästigt fühlten, wozu Zärtlichkeiten zwischen jeglichen Fluggästen, ob nun gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts, zählen würden. Wieweit die Küsserei nun im Detail überhaupt gegangen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander, doch vor anderen Fluggästen an die Wäsche gegangen sind sich die beiden definitiv nicht. Eine andere Sprecherin der Fluglinie sagte denn auch eine Woche später, selbstverständlich sei gegen Küssen an Bord eines Flugzeugs nichts einzuwenden, die Fluggäste dürften nur nicht zusammen die Toilette aufsuchen.

Derartige, weitergehende Vorfälle haben übrigens tatsächlich schon zu Alarmierungen der Flugsicherheit geführt. Aber dass es nun bereits ausreichen soll, eine mehr oder weniger wilde Kuschel- und Knutscherei anzufangen, um ein Flugzeug von seinem Kurs abzubringen, hat etwas. Dass Terroristen nun zu dieser neu entdeckten Waffe greifen werden, um ihre Ziele durchzusetzen, ist allerdings bedauerlicherweise eher unwahrscheinlich.