Überproduktion und unterschiedliche Interessen sorgen weiter für billiges Öl
Es ist unwahrscheinlich, dass die Ölförderländer bei ihrem Treffen am Sonntag den Preis in die Höhe treiben können
Vermutlich haben Spekulationen im Vorfeld des Treffens der Ölförderländer in Doha mehr Effekt auf den Ölpreis gehabt, als es die Zusammenkunft Treffen in einem Hotel in der Hauptstadt von Katar am Sonntag haben wird. Dass sich nicht nur die Mitgliedsstaaten der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) treffen werden, sondern auch Russland, der Iran und andere teilnehmen, hatte zunächst die Hoffnung geschürt, dass man tatsächlich eine Einigung finden könnte. Das trieb den Ölpreis in dieser Woche auf einen neuen Jahreshöchststand. Da darin aber viel Spekulation enthalten war, konnte sich der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent nicht auf den knapp 45 US-Dollar vom Dienstag halten, sondern ist seither wieder deutlich gesunken.
Kurz vor dem Treffen gaben die Ölpreise auch am Freitag wieder nach. Das Barrel Brent bewegte sich auf den Kurs von 42,50 US-Dollar zu, während das Fass der US-Sorte WTI wieder drohte, unter die Marke von 40 Dollar zu fallen. Damit sind die Preise zwar immer noch knapp 40 Prozent über den Tiefständen von unter 30 Dollar vor drei Monaten. Dass der Trend aber wieder nach unten geht, hat damit zu tun, dass die ohnehin begrenzten Erwartungen auf ein positives Ergebnis in Doha inzwischen wohl deutlich realistischer eingeschätzt werden.
Allein die Zielsetzung für das Treffen der Förderländer ist alles andere als ambitioniert. Und schon sie ist kaum dazu geeignet, die Ölschwemme einzudämmen. Denn von der vor kurzem groß angekündigten Kürzung der Ölförderung ist längst keine Rede mehr. Es geht vielmehr nur noch um den Vorschlag, die Förderung auf dem Januar-Niveau einzufrieren, wie es einige Opec-Mitglieder bereits mit Russland vereinbart haben. Allerdings wollen sie das Abkommen nur umsetzen, wenn andere Förderländer wie der Iran mitziehen.
Doch insgesamt gibt es dieser Geschichte diverse Haken. Das kollabierende Venezuela klammert sich zum Beispiel wie an einen glühenden Nagel an die Hoffnung, dass der Ölpreis wieder steigen könnte und wieder mehr Geld in die leeren Kassen spülen würde. Das Land hat unfreiwillig in den letzten Jahren die Förderung deutlich gesenkt. Es war unfähig, sie auch nur auf dem bestehenden Niveau zu halten, geschweige denn auszuweiten.
Ganz im Gegensatz dazu steht Russland da. Zwar hat auch Russland immer wieder im Chor mit Venezuela schwadroniert, man versuche, das Land über einen niedrigen Ölpreis in die Knie zu zwingen. Doch gerade die Russen haben heftig dazu beigetragen, die bestehende Ölschwemme noch auszuweiten. Damit hat der Druck auf den Preis weiter zugenommen. Das Land hat seine Produktion auf immer neue Rekorde ausgeweitet (Russische Ölförderung erreicht Spitzenwert), um angesichts der Rezession an Einnahmen zu kommen. Und es gibt deutliche Hinweise, dass die Förderung auch seit der Einigung mit Opec-Ländern weiter ausgeweitet wurde.
Iran wird nicht mitspielen
Einer der großen Haken für das Treffen am Sonntag in Doha ist allerdings der Iran. Dass die Sanktionen gegen das Land weggefallen sind, ist einer der zentralen Gründe dafür, warum der Ölpreis deutlich in die Knie gegangen ist. Das darbende Land giert nach dem Ende der Sanktionen nach Einnahmen, deshalb ist es den Iranern derzeit ziemlich egal, wie niedrig der Ölpreis gerade ist. Jeder eingenommene Dollar ist für das Land wichtig. Deshalb baut der Iran seine Ölexporte immer stärker aus. Die Ausfuhren wurden nach Angaben des Energieministers Bijan Zanganeh inzwischen auf mehr als zwei Millionen Barrel pro Tag gesteigert. Damit haben sich die Ölexporte des Landes seit Anfang März fast verzehnfacht. Und dabei soll es nicht bleiben. Der Iran will mindestens seinen Marktanteil zurück, den das Land vor den Sanktionen hatte. Damals soll es etwa 3,5 Millionen Barrel täglich exportiert haben. Da seither die Produktion insgesamt gesteigert wurde, strebt der Iran eine Ausweitung seiner gesamten Förderung von derzeit auf vier Millionen Barrel pro Tag an. Somit wird verständlich, warum Zanganeh bereits die Pläne für Doha als "absurd" bezeichnet hat, die Förderung auf dem Niveau vom Januar einzufrieren.
Das hatte der iranische Minister allerdings schon im Februar getan. Deshalb ist eigentlich seit Wochen klar, dass es kein Abkommen geben kann, das diesen Namen auch verdient. Vor allem Saudi-Arabien hatte das Einfrieren daran geknüpft, dass der schiitische Gegenspieler in der Region mitzieht. Denn die sunnitischen Saudis haben kein Interesse, dass der erneute Aufstieg des Iran zur konkurrierenden Regionalmacht über ihren Verzicht finanziert wird. Nun haben sich auch frühere Gerüchte bestätigt, dass der iranische Energieminister als Konsequenz aus der Haltung seines Landes nicht nach Doha reisen wird. Da er sich nur von Politikern aus der zweiten Reihe vertreten lässt, ist eigentlich die Grundvoraussetzung für ein Abkommen weg und damit die Bedingung anderer Ölländer für das Einfrieren der Produktion.
USA nicht beteiligt
Der nächste große Haken an den Verhandlungen ist, dass auch die USA nicht an den Gesprächen beteiligt sind. Dabei stieg das Land langsam, aber sicher zum größten Ölproduzenten weltweit auf. Es war Obamas Idee, die USA über Fracking zum "Marktführer in der globalen Energiewirtschaft" zu machen und den Saudis dem Rang abzulaufen (Wie das Fracking-Wunder loslegte. 2012 zogen die USA in der Ölproduktion praktisch mit Russland und Saudi-Arabien gleich. Seither wurde die Produktion bis im Juni 2015 um etwa 2,5 Millionen Barrel täglich weiter gesteigert. Der Rekord wurde damals mit 9,6 Millionen Barrel pro Tag aufgestellt. Seither geht die Produktion langsam, aber sicher zurück.
Die Förderung über Fracking ist angesichts des Preisverfalls längst nicht mehr rentabel. Die Fracking-Blase platzt derzeit wie erwartet. Etwa 50 Ölfirmen sind seit Anfang 2015 in die Pleite gerutscht. Banken, die stark in dem Geschäft aktiv waren, weiten die Rückstellungen massiv aus. Sie gehen davon aus, dass zunehmend Kredite faul werden und nicht mehr zurückbezahlt werden. Es gibt Schätzungen, die befürchten, dass die Hälfte aller Kredite im Geschäft mit dem Fracking ausfallen könnte. Einen Schock, wie nach dem Platzen der Immobilienblase 2007 ist aber nicht zu erwarten, dafür ist das Volumen dann doch nicht groß genug.
Doch die Probleme der Fracker zeigen schon deutliche Auswirkungen. Über Fracking werden schon etwa 600.000 Barrel täglich weniger gefördert als noch vor neun Monaten. Es wird schlicht kaum noch investiert. Die Zahl der aktiven Bohrlöcher sinkt und deren Ausbeute nimmt bekanntlich recht schnell ab. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht auch deshalb davon aus, dass der Löwenanteil des Rückgangs der Förderung von Nicht-Opec-Staaten im Bereich von 700.000 Barrel im laufenden Jahr auf die USA entfällt.
Doch damit geht keinesfalls eine Verknappung des Angebots einher. Wie schon aufgezeigt, hat die Ausweitung der Produktion im Iran den bisherigen Rückgang mehr als ausgeglichen. Weitere Rückgänge im Fracking werden zudem durch die geplante Ausweitung der Förderung im Iran weiterhin wettgemacht werden. Geschätzt wird ohnehin, dass die Überproduktion an Öl derzeit bei etwa zwei Millionen Fässern am Tag liegt. Deshalb darf kaum darauf gehofft werden, dass sich am billigen Ölpreis kurzfristig etwas ändern wird.
Ist Saudi-Arabien gerade jetzt an einer Stabilisierung der Fracking-Industrie durch höhere Preise interessiert?
Ohnehin sind auch Experten skeptisch, ob es überhaupt ein Ergebnis am Sonntag in Doha geben wird. Für Eugen Weinberg, Ölexperte der Commerzbank, sei ein Abkommen, selbst wenn es gegen alle Erwartungen zustande käme, "zum Scheitern verurteilt". Das werde sich dann bald herausstellen, meint er: "Die Länder, die das unterzeichnen werden, haben entweder sowieso keine Möglichkeit zur Produktionssteigerung gehabt, wie Venezuela, Nigeria und andere, oder aber werden sich einfach nicht dran halten, wie Kuweit, Saudi-Arabien, Irak oder Russland."
Andere Analysten verweisen darauf, dass sich sogar ein positiver Ausgang des Treffens schnell als Eigentor herausstellen könnte. Tatsächlich würde ein realer Preisanstieg die Pleitewelle in den USA dämpfen. Ein deutlicher Preisschub würde der flexiblen und dynamischen Fracking-Industrie sogar wieder Flügel verleihen, deren Produktion wieder lukrativ würde und schnell ausgeweitet werden könnte. Damit würde schnell das Fracking-Überangebot zurückkehren, das derzeit vom Markt gedrängt wird.
Die Frage ist, ob Saudi-Arabien gerade jetzt an einer Stabilisierung der Fracking-Industrie interessiert ist, da die Strategie des Landes am Aufgehen ist. Nur wenn es jetzt massiv zu Pleiten und Kreditausfällen in den USA kommt, kann mittelfristig mit einer Zurückhaltung bei der Finanzierung von Fracking 2.0 gerechnet werden. Der große Ölproduzent in der Wüste hat ein großes Interesse daran, die Fracking-Konkurrenz aus den USA aus dem Wettbewerb zu stechen und wieder eine Vorrangstellung einzunehmen. Schon einmal hatte sich die von den Saudis bestimmte Opec deshalb einer Begrenzung der Fördermenge wiedersetzt, sie angeblich stabil gehalten, aber real ausgeweitet. (Die OPEC und der fallende Ölpreis). Auch so etwas kann ein Ergebnis von Doha werden.
Die Interessenslagen in und um dieses Treffen in Katar sind derartig vielschichtig, dass es an ein Wunder grenzen würde, wenn sich daraus tatsächlich eine Erhöhung des Ölpreises ergeben würde. Vermutet werden darf vielmehr, dass man zu irgendeiner Scheinlösung wie beim Opec-Jahrestag im Dezember kommen wird. Denn sollte gar nichts am Sonntag herauskommen, könnte die "Enttäuschung über den geplatzten Deal die Ölpreise erneut unter die 30-US-Dollar-Marke befördern", meinen zum Beispiel Analysten der Saxo Bank. Die Citigroup erwartet in diesem Fall ebenfalls "schwere negative Folgen" für den Ölpreismarkt.