Ukraine-Hilfe: Aufschreckende Signale aus den USA

Aus der Führung der Republikaner kommt der Hinweis, dass es angesichts der Rezession "keinen Blankoscheck" für die Ukraine gebe. Die Hilfen müssten besser kontrolliert werden.

Die Mehrheitsverhältnisse in den USA könnten sich zu den Halbzeitwahlen am 8. November auf eine für die Unterstützung der Ukraine ungünstige Weise verändern. Sollte die Republikanische Partei die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat erringen, so haben sie bei Hilfen für die Ukraine mitzureden. Sie können Gesetze blockieren und über Postenvergaben und andere Deals Positionen durchsetzen.

Das verleiht der Aussage von Kevin McCarthy ihr politisches Moment:

Meiner Einschätzung nach sehen sich die Menschen einer Rezession gegenüber und sie werden keinen Blankoscheck für die Ukraine ausstellen. (…) Sie werden es einfach nicht tun. ... Es ist kein kostenloser Blankoscheck.

Kevin McCarthy, Republikanische Partei

Erschrecktes Echo in der Ukraine

Die Aussage des amtierenden Minderheitenführers im Repräsentantenhaus hat unter Politikern der Ukraine offenbar erschreckte Echos ausgelöst. Die britische Financial Times schreibt von "Schockreaktionen" seitens ukrainischer Vertreter. Genau genommen sind es zwei Reaktionen, die die Zeitung zitiert.

Eine stammt von David Arakhamia, Fraktionsvorsitzender der Partei Selenskyj, Sluha narodu ("Diener des Volkes"): "Wir waren schockiert, als wir diese Kommentare von Herrn McCarthy hörten, ehrlich gesagt." Als zweiter ukrainischer Offizieller wird der Sprecher des Außenministeriums, Oleg Nikolenko, mit der Aussage wiedergegeben, dass Kiew auf eine Weiterführung der US-Unterstützung von beiden Parteien zähle.

Die USA sind bei weitem die größten Geldgeber der Ukraine. Auf 52,3 Milliarden US-Dollar - seit Beginn des Ukraine-Krieges Ende Februar - summiert der Unterstützungstracker des ifw Kiel die bisherigen Hilfsleistungen aus Washington. Als humanitäre Hilfeleistungen werden knapp 9,5 Milliarden US-Dollar ausgewiesen. Den mit Abstand größten Teil macht "security assistance" aus, Waffen und Geld für Waffen.

Die Summen sind beträchtlich höher als die Hilfszahlen aus der EU (16,2 Milliarden Euro), Großbritanniens (6,7 Milliarden Euro), Deutschland (3,3 Milliarden Euro) oder Kanada (drei Milliarden Euro), die in Kiel ermittelt wurden.

Es geht nicht nur um Geld

Nach Aussage von Christoph Trebesch vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (ifW Kiel) haben die USA "jetzt fast doppelt so viel zugesagt wie alle EU-Länder und -Institutionen zusammen". Für die größeren europäischen Länder sei das ein mageres Ergebnis, zumal viele ihrer Zusagen mit großer Verspätung in der Ukraine ankommen. "Der geringe Umfang der neuen Zusagen im Sommer scheint sich nun systematisch fortzusetzen."

Sollte sich an der US-amerikanischen Hilfe etwas ändern, so würde das nicht nur weniger Geld bedeuten, vielmehr wäre das auch ein Signal, das wahrscheinlich einige politische Wirkung auf die Partner der USA hätte und die Debatten in Europa beeinflussen würde.

Künftige Zahlungen würden wahrscheinlich den Trend weiter fortsetzen, den Trebesch beklagt. Die Diskussion über die Hilfen an die Ukraine, die sich auch in Europa und Deutschland mit den Auswirkungen der Rezession auseinandersetzen werden, würden ganz sicher ein solches Signal aus den USA aufnehmen.

"Mehr Kontrolle"

Allerdings ist die Wahl des Repräsentantenhauses, wo Anfang November über alle Sitze neu abgestimmt wird, und die des Senats (35 von 100 Sitzen werden neu bestimmt) noch nicht gelaufen – und was auch ins Gewicht fällt: Die Republikanische Partei ist kein monolithischer Block, auch aktuell nicht.

So hört man von Michael McCaul, der für ein anderes Lager in der GOP steht, ein Trump-Gegner und Transatlantiker, andere Töne:

"Die Ukrainer - wenn wir ihnen geben, was sie brauchen, gewinnen sie."

Im Lager des US-Präsidenten geht man laut Informationen von Politico von einer Dringlichkeit aus, um große Hilfspakete für die Ukraine zu schnüren. So gibt es die Absicht, noch im Dezember, vor der Neubesetzung des Hauses, über eine größere Hilfe abzustimmen, da sich eben auch unter Republikanern Unterstützer dafür finden.

In informellen Gesprächen soll Biden sogar davon ausgehen, dass Kevin McCarthy nur im Wahlkampf blinkt, um dann aber realpolitisch Hilfen weiter zu unterstützen.

Michael McCaul, erklärte indessen, dass die Republikaner die Hilfe für die Ukraine nach wie vor unterstützen, aber mehr Kontrolle wünschen.

Europäische Beamte äußerten sich laut Financial Times dahingehend, dass sie "McCarthys Äußerungen zwar zur Kenntnis genommen haben, aber nicht glauben, dass sie den Beginn eines wirklichen Wandels markieren".

Mehrheit der US-Amerikaner für Unterstützung

Bei einer Umfrage von Reuters/Ipsos, die vor zehn Tagen veröffentlicht wurde, gaben zwei Drittel von 1.000 befragten US-Amerikaner an, dass sie besorgt seien, der Krieg könnte eskalieren, "wenn die Ukraine Waffen mit größerer Reichweite erhält, die unbestrittenes russisches Territorium treffen könnten". 58 Prozent befürchten, dass auf einen Atomkrieg mit Russland zugesteuert werde.

Im Vergleich zu Ende April seien die US-Amerikaner "weniger geneigt, einen Kandidaten zu unterstützen, der sich für die Fortsetzung der Militärhilfe für die Ukraine ausspricht (69 Prozent gegenüber 76 Prozent Ende April)".

Das sind allerdings noch immer deutliche Mehrheiten. Wie auch generell: "73 Prozent der Amerikaner sind der Meinung, dass die Vereinigten Staaten die Ukraine weiterhin unterstützen sollten, obwohl Russland mit dem Einsatz von Atomwaffen droht."

Unterstützung für eine diplomatische Lösung

Allerdings, wie eine andere Umfrage herausstellt, ist dies an Bedingungen geknüpft. So ergab eine Umfrage im Auftrag des Quincy Institute for Responsible Statecraft Ende September, dass fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) die Fortsetzung der US-Militärhilfe für die Ukraine nur dann befürworten würden, "wenn sich die USA an den laufenden(?) diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges beteiligen". Ein relativ hoher Prozentsatz, 41 Prozent, würde die Fortsetzung der US-Militärhilfe für die Ukraine unabhängig davon befürworten.

Wie es der frühere deutsche Diplomat bei der OSZE und der UN, Michael von der Schulenburg in der Berliner Zeitung beschreibt, zeigte sich die Bereitschaft für eine diplomatische Lösung in der Nato-Führung und in der US-Führung wenige Wochen nach Kriegsbeginn noch deutlich beschränkt:

"Das auffälligste Beispiel dafür ist, als die Nato im März die ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen torpedierte. Damals, nur einen Monat nach Kriegsbeginn, gelang es ukrainischen und russischen Verhandlungsteams, einen 15-Punkte-Entwurf für ein mögliches Friedensabkommen vorzulegen, demzufolge die Ukraine keine Nato-Mitgliedschaft anstreben und keiner ausländischen Macht gestatten würde, Militärstützpunkte auf ihrem Hoheitsgebiet zu errichten. Im Gegenzug würden alle russischen Besatzungstruppen abziehen und die Ukraine würde ihre territoriale Integrität weitgehend bewahren. Der Entwurf sah auch Zwischenlösungen für den Donbass und die Krim vor. Man hoffte, dieses Abkommen auf einer Friedenskonferenz am 29. März in Istanbul auf Außenministerebene abschließen zu können. Sowohl ukrainische als auch russische Politiker hatten bereits Hoffnungen auf ein Ende des Krieges geäußert."

Man müsse aus der Spirale eines immer mehr außer Kontrolle geratenden Krieges aussteigen, empfiehlt Schulenburg.