Ukraine-Krieg: Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?

Seite 2: Proteste in Europa: die Stille Front

Mehr als eine Million Menschen gehen in Frankreich im Rahmen von Sozialprotesten auf die Straße. Gleichzeitig findet in Großbritannien der größte Streik seit mehr als einem Jahrzehnt statt. Beide Protestwellen folgen auf Großdemonstrationen in anderen Teilen Europas, vor allem in Tschechien, im vergangenen Jahr. Der Grund in allen Fällen: Preissteigerungen, Inflation und die Unsicherheit im Kontext des russischen Krieges gegen die Ukraine und den EU-Sanktionen gegen Moskau.

Es ist eine stille Front, an der täglich gekämpft wird: Westliche Regierungen versuchen, die Folgen der tiefgreifenden wirtschaftlichen, handels- und energiepolitischen Umwälzungen infolge des Krieges in der Ukraine herunterzuspielen. Moskau, so ist zu vermuten, setzt im Zuge des Wirtschaftskriegs auf eine Verschärfung der Energie- und Sozialkrise in den europäischen Nato-Staaten.

Da kommt den hiesigen Regierungen eine Meldung wie die des EU-Statistikamtes Eurostat gerade recht: Die Inflation in der Eurozone sei im Januar den dritten Monat in Folge gesunken, die Verbraucherpreise seien im Jahresvergleich um 8,5 Prozent gestiegen, teilte Eurostat am Mittwoch in Luxemburg nach vorläufigen Schätzungen mit. Im Dezember hatte die Inflation noch bei 9,2 Prozent gelegen, nach einem Rekordhoch von 10,6 Prozent im Oktober. Nachrichtenagenturen sprachen von einem "Lichtblick" für Verbraucher.

Doch was bedeutet dieser Rückgang für die Menschen konkret? In Großbritannien hat der öffentliche Dienst fünf Prozent mehr Lohn angeboten, die kumulierte Inflation liegt auch dort bei gut zehn Prozent.

In allen Teilen der Eurozone ist der Wertverlust von Geld und Lohn ebenso zu spüren wie die parallel wirkenden Preissteigerungen in allen Bereichen. Nachzahlungen für Strom und Gas flattern in die Briefkästen, Einkäufe und Tankfüllungen kosten schmerzlich spürbar mehr als noch vor ein oder zwei Jahren.

Wen beruhigen Durchhalteparolen, etwa des Internationalen Währungsfonds, es werde jetzt eine Durststrecke geben, aber ab 2024 gehe es wieder aufwärts? Es brodelt in der Mittelschicht. Und das hat historisch gesehen in Deutschland noch nie ein gutes Ende genommen.

Die Frage ist also: Was tun die politisch Verantwortlichen, um die Menschen in ihrem Verantwortungsbereich zu entlasten und den sozialen wie politischen Frieden zu sichern? Was macht SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, um seinem Amtseid gerecht zu werden, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden? Was unternehmen Emmanuel Macron in Frankreich und Rishi Sunak in Großbritannien?

Der Besuch von Olaf Scholz in Brasilien hat gezeigt, wie gravierend, tiefgreifend und zukunftsweisend die aktuellen Umbrüche sind, für die der Krieg in der Ukraine ein Katalysator ist. Europa findet keine eigene und vor allem keine gemeinsame Linie zur Beendigung dieses Krieges und setzt, getrieben von Washington und der Nato, auf die weitere Aufrüstung der Ukraine.

Das ist angesichts des russischen Völkerrechtsbruchs legitim, aber einer solchen Strategie müsste ein politischer Masterplan zugrunde liegen. Den aber gibt es nicht.

Zugleich trifft die vielschichtige Wirtschaftskrise den Euroraum mit voller Wucht. Die USA bei der Energieversorgung durch eigene Gasvorkommen und die Frackingindustrie besser da; Schwellenländer wie Indien und China werden wieder zu Motoren der Weltwirtschaft.

Und in Deutschland? Die Spalten der Lokalzeitungen zeugen von Pleitewellen auf kommunaler Ebene, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen leiden unter den wirtschaftlichen Verwerfungen. Und natürlich – wie immer – die Armen.

Nach Berechnungen des Online-Portals Check24 reicht das sogenannte Bürgergeld nicht aus, um die gestiegenen Strompreise zu decken – so wenig wie zuvor Hartz IV. Zu diesem Ergebnis kommen auch der Sozialverband VdK und der Paritätische Gesamtverband.

Der heiße Herbst ist in Deutschland ausgeblieben. Aber in der Eurozone brodelt es. Laut Meteorologen soll der Jahresbeginn mild verlaufen sein. Politisch könnte es bald heiß werden.

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