Ukraine-Krieg: Wer will "nach Berlin durchmarschieren"?
Seite 2: Tiktok-Truppe mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen
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Die Kadyrowzy unterscheiden sich von Truppen der Nationalgarde aus anderen russischen Regionen vor allem durch ihre exzessive Außendarstellung und ihren berüchtigten Ruf. Das Video vom "Durchmarsch nach Berlin", das in Deutschland so viele Schlagzeilen gemacht hat, ist nur eines von vielen markigen und in sozialen Netzen verbreiteten Filmchen.
Sogar als "TikTok-Truppe" werden die Tschetschenen angesichts ihrer vielen echten und inszenierten Schlachtenvideos von der Presse bezeichnet.
Ob die tatsächliche Kampfkraft der Einheiten ihrer Selbstdarstellung entspricht, ist umstritten. Bei ihrem Einsatz in Mariupol bezeichnete sie der Kommandeur der mit ihnen verbündeten Rebelleneinheit "Wostok", Alexander Chodakowsky, als "Sammelsurium aus Polizeitruppen einer Republik, weder richtig ausgebildet noch ausgerüstet". Belegt ist jedoch aus Mariupol, dass sie auch in schwere Häuserkämpfe verwickelt waren.
Den Ruf der Truppe nachhaltig geprägt hat jedoch am stärksten die mutmaßliche Beteiligung an Kriegsverbrechen. So berichteten Bewohner von Butscha über die Einheit
Vor einer Gruppe anderer Militärs kamen Kadyrowzy an unserem Haus vorbei. Ein (russischer) Offizier meinte, wenn die reingekommen wären, wären wir weg. Sie rächen sich gerade wegen einer zuvor zerstörten Militärkolonne und töten wahllos ohne Ziel. Ich hatte Glück.
Kristina, Bewohnerin von Butscha gegenüberdem Online-Portal Insider
Auch der Anteil aus dem Gefängnis befreiter Krimineller macht sich im Verhalten der Soldaten im Kampfgebiet bemerkbar. Die südukrainische Firma Agrotek bezichtigt etwa die Kadyrowzy, Landmaschinen und Traktoren im Wert von einer Million Euro aus einer Niederlassung in Melitopol gestohlen zu haben.
Islamistische Tschetschenen auf ukrainischer Seite
Im Ukraine-Krieg stehen aber nicht nur auf russischer Seite tschetschenische Kämpfer zweifelhafter Herkunft unter Waffen. Gegen die Invasoren kämpfen in speziellen Freiwilligen-Bataillonen der Ukrainer auch etwa 500 weitere Tschetschenen. Diese kleinere Truppe ist ein Überbleibsel der ins Ausland geflüchteten, separatistischen Gegner Kadyrows.
Es handelt sich um Kämpfer der ehemaligen Tschetschenischen Republik Itschkeria, die sich in den Neunzigerjahren von Russland lossagen wollte. Sie war vor der Eroberung durch die Russen und Kadyrows Leute kein demokratischer Musterstaat, auch wenn westliche Staaten ihren Führern seit der Niederlage Asyl gewähren.
Stellen Sie sich ein Scharia-Regime in Tschetschenien vor (…) In Tschetschenien gab es damals in der Volkswirtschaft drei Sektoren: Menschenhandel, Drogen und Brandschatzung. Es gab Posten auf der Straße, die Passanten im Namen Allahs beraubten, abgeschnittene russische Köpfe waren zur Hauptsendezeit im Fernsehen zu sehen:Julia Latynina am 16.06.2008 im oppositionellen Radiosender Echo Moskwy
Die Exilregierung dieses früheren Terrorstaates unter der aktuellen Führung von Achmed Sakajew hat für die Ukraine die Kämpfer rekrutiert. Sakajew gilt in Russland als islamistischer Terrorist und lebt im Exil in Großbritannien. Dieser Umstand zeigt, dass die Akteure im Ukraine-Krieg trotz russischer Grausamkeiten nicht nach einem simplen Gut-böse-Schema zu beurteilen sind.