Ukraine-Krise: EU zwischen Solidarität und nationalen Interessen
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Bild: esfera/ Shutterstuck.com
EU ringt um Ukraine-Politik. Während die meisten Mitgliedstaaten mehr Hilfe fordern, blockiert Ungarn. Was das für Kiew bedeutet.
Während die militärische Lage für die Ukraine immer schwerer wird, ringt die EU um eine gemeinsame Linie. Der Amtsantritt von Donald Trump in den USA hat den Druck erhöht. Mehrfach haben sich die EU-Kommission, osteuropäische und baltische Staaten für eine entschiedenere Unterstützung Kiews ausgesprochen. Doch vor allem Ungarn stellt sich quer: Die Regierung von Viktor Orbán blockiert nicht nur härtere Sanktionen, sondern auch den "Ukraine Assistance Fund" zur Finanzierung von Waffenlieferungen. Begründet wird dies mit Bedenken hinsichtlich der eigenen Energiesicherheit.
"Angriffe gegen die Energiesicherheit sind für Ungarn eine Frage der nationalen Sicherheit", erklärte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó beim Treffen mit EU-Amtskollegen am Montag dieser Woche in Brüssel. So schildert es ein deutscher EU-Diplomat, der an den Beratungen teilnahm. Szijjártó warf den Nachbarländern demnach auch vor, durch die Ablehnung von Investitionen in die Konnektivität und die Erhöhung von Transitgebühren eine Diversifizierung der ungarischen Energiequellen verhindert zu haben.
Gaslieferungen: EU sagt Gespräche mit Kiew zu
Dies stieß bei den anderen Mitgliedsstaaten auf Unverständnis. Denn viele EU-Vertreter waren auf Ungarns Vorbehalte eingegangen. Der Deal: Die Orbán-Regierung stimmt zumindest der Verlängerung der Sanktionen gegen Russland zu, im Gegenzug führt die EU-Kommission Gespräche mit der Ukraine über den Transit von Gas und Öl nach Europa unter Einbeziehung Ungarns und der Slowakei. Darauf einigten sich die EU-Staaten am Ende.
Dennoch hat sich nach dem Ministertreffen eine Erkenntnis gefestigt: Der anhaltende russische Krieg in der Ukraine hat die Europäische Union in eine schwierige Lage gebracht.
EU plant schon mit Blick auf Friedensgespräche
Durch die internen Konflikte – vor allem mit Blick auf die Energiepolitik – wird so die Ausweitung der militärischen Hilfe, für die sich die Mehrheit der EU-Regierungen ausspricht, verhindert. Dabei sei diese Hilfe nötig, argumentierten die Fürsprecher am Montag in Brüssel, um das angegriffene Land in eine möglichst starke Verhandlungsposition zu bringen und der EU einen Platz am Verhandlungstisch zu sichern. Von einem militärischen Sieg sprach laut Teilnehmern niemand mehr.
"Die EU muss ihre Unterstützung für die Ukraine signifikant hochfahren, um eine relevante Rolle bei etwaigen Friedensverhandlungen zu spielen", betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Viele Mitgliedsstaaten stimmten dem zu und forderten eine verstärkte Lieferung von Waffen, Munition und Ausrüstung. Auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten und die Unterstützung der ukrainischen Rüstungsindustrie sollen intensiviert werden.
Ruf nach härteren Sanktionen
Gleichzeitig gibt es breite Unterstützung für ein 16. Sanktionspaket gegen Russland. Dieses soll sich vorwiegend gegen Moskaus sogenannte Schattenflotte richten, die hilft, die bisherigen Strafmaßnahmen zu umgehen. Weitere Unternehmen und Personen sollten auf die Sanktionsliste gesetzt werden, die Russland dabei helfen, seine Devisenreserven aufzufüllen.
"Der Druck auf Russland muss weiter erhöht werden", erklärte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis stellvertretend für die baltischen Staaten. Nur so könne der Kreml zu einem Einlenken und einer Beendigung seines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges bewegt werden.
Streitpunkt Zentralbankvermögen
Uneinigkeit herrscht allerdings in der Frage, ob in der EU eingefrorene russische Zentralbankvermögen direkt zugunsten der Ukraine verwendet werden sollten. Während sich Polen und die baltischen Staaten dafür starkmachen, lehnen Länder wie Deutschland, Frankreich und Luxemburg dies als rechtlich problematisch ab.
Laut diplomatischen Kreisen mahnte Deutschland, dass eine solche Maßnahme nur in einem vertraulichen Rahmen und nach einem Briefing der Europäischen Zentralbank zu den möglichen wirtschaftlichen und fiskalischen Konsequenzen diskutiert werden sollte. Es müsse zunächst versucht werden, den rechtlichen Rahmen der Sanktionen so anzupassen, dass die Listungen von Personen und Unternehmen auf eine solidere Basis gestellt werden.
USA: Ausnahme bei Ukraine-Hilfe
In einem aktuellen Schreiben hat der US-Außenminister Marco Rubio indes eine Ausnahme für humanitäre Hilfe erklärt. Die Entscheidung erfolgt inmitten einer grundlegenden Neuordnung der US-Hilfsprogramme, die sich bislang auf rund 60 Milliarden US-Dollar beliefen.
Nach einer ursprünglichen Anordnung, die einen 90-tägigen Stopp aller ausländischen Hilfszahlungen vorsah – dies hatte Präsident Donald Trump per Exekutivorder verfügt – gab es erhebliche Unruhe bei den entsprechenden Behörden. Der Grund: Es wurden zahlreiche Anweisungen an die Entwicklungshilfsorganisation USAID, Vertragspartner und Nichtregierungsorganisationen verschickt, die Arbeit umgehend einzustellen. Vielen Mitarbeitern wurde gekündigt.
In dem neuen Memo vom Dienstag definiert Rubio humanitäre Hilfe als "lebensrettende Medizin, medizinische Dienstleistungen, Nahrung, Unterkunft und Existenzhilfe sowie notwendige Versorgungsgüter und angemessene Verwaltungskosten, die zur Lieferung dieser Hilfe erforderlich sind". Der Stopp bleibt bestehen für Programme, die "Abtreibungen, Gender- oder Diversitätsprogramme, Geschlechtsumwandlungen oder andere nicht lebensrettende Hilfe" beinhalten.
Beamte und NGO-Mitarbeiter in der Ukraine hatten gewarnt, dass zahlreiche Programme wie die Unterstützung für Schulen und Krankenhäuser sowie Bemühungen zur Entwicklung von Wirtschafts- und Energieinfrastruktur ohne die US-Unterstützung eingeschränkt werden müssten.
Rubios jüngste Anordnung macht zudem bei militärischem Beistand für Israel und Ägypten eine Ausnahme. Auch die US-Militärhilfe für die Ukraine, die von der vorherigen Biden-Regierung beschlossen worden war, bleibt von den Maßnahmen unberührt und fließt weiter.