Ukraine: Poroschenko zweifelt an Waffenruhe

Weiter Kämpfe in Debalzewo, Donezk und anderen Ortschaften - US-Senator verwendete falsche Fotos, um Waffenlieferungen durchzusetzen

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In der Ukraine soll heute Nacht um 0 Uhr 1 Ortszeit (23 Uhr 1 Mitteleuropäischer Zeit) ein Waffenstillstand in Kraft treten, den die Konfliktparteien und die kontinentaleuropäischen Großmächte am Donnerstag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbarten. Am Samstag wurde allerdings noch geschossen - unter anderem in der Stadt Debalzewo, wo ukrainische Truppen von Separatisten eingekesselt sind, in Donezk und in der 250.000-Einwohner-Stadt Gorlowka, wo nach Angaben der örtlichen Volksrepubliksverwaltung mindestens sechs Menschen durch ukrainischen Beschuss ums Leben gekommen sein sollen. Die ukrainischen Behörden beschuldigen wiederum die Separatisten, in Schastye, in der Nähe der Stadt Lugansk, und in in Artjomowsk bei Debalzewo zwei Erwachsene und ein Kind durch Granatbeschuss getötet zu haben.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zweifelt angeblich daran, dass die Waffen heute Nacht tatsächlich pünktlich schweigen werden. Der BBC zufolge sagte er, er sehe die Übereinkunft in "großer Gefahr", weil "Russland" [sic] seine Aktivitäten "beträchtlich verstärkt" habe. Russland selbst sieht sich allerdings nicht als Kriegspartei und bestreitet eine staatliche Beteiligung am Konflikt. Der stellvertretende ukrainische Verteidigungsminister Petro Mekhed sagte, er glaube, dass die Separatisten bis zum Waffenstillstandsbeginn nicht nur Debalzewo, sondern auch Mariupol erobern wollten. Deshalb erwarte er eine "Eskalation" und werde "alle nötigen Maßnahmen treffen, um in der Lage zu sein, darauf zu reagieren".

Semen Sementschenko. Foto. ВО Свобода. Lizenz: CC BY 3.0.

Um militärisch erfolgreicher zu werden, bemüht sich die ukrainische Regierung seit geraumer Zeit um Waffenlieferungen aus den USA. Diese Bemühungen haben einen Rückschlag erlitten, nachdem Leser des Portals The Washington Beacon aufdeckten, dass Fotos russischer Truppen, mit denen der republikanische Senator Jim Inhofe die angebliche Notwendigkeit solcher Lieferungen begründete, gar nicht aus der Ukraine stammen können. Eines davon wurde bereits 2008 im Georgienkrieg aufgenommen und von der Nachrichtenagentur AP verkauft. Ob AP nun - wie in vergleichbaren Fällen - Schadensersatz wegen Immaterialgüterrechtsverletzung fordern wird, steht noch nicht fest.

Inhofe hatte mit den Fotos für einen von ihm eingebrachten Gesetzentwurf geworben, der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert. In diesem Zusammenhang verlautbarte der Republikaner aus Oklahoma, er wolle der amerikanischen Öffentlichkeit mit den Fotos zeigen, dass Putin "genau so schlimm" sei wie die Terrorgruppe Islamischer Staat. Das, so Inhofe, wolle die Obama-Administration den Leuten nämlich vorenthalten. Nach dem Bekanntwerden der Bildherkunft meinte er, die ukrainischen Parlamentsabgeordneten, die ihm die Fotos übergaben, hätten sich zwar selbst "einen echten Bärendienst erwiesen", aber er glaube weiterhin, dass Russland mit T-72-Panzern in die Ostukraine einmarschiert sei

Der Senator hatte im Washington Beacon zuerst behauptet, er habe die Authentizität der Fotos überprüft, die ihm als Vertreter des Wehrausschusses im Dezember 2014 von ukrainischen Parlamentsabgeordneten übergeben und angeblich zwischen dem 24. August und dem 5. September in der Ukraine aufgenommen worden waren. Spätere Rechtfertigungen seines Büros lassen den Schluss zu, dass diese Überprüfung offenbar weitgehend darin bestand, sich auf eine Aussage des an der Washingtoner Jesuitenuniversität Georgetown lehrenden Professors Phillip Karber zu verlassen, der die Delegation damals begleitet hatte. Karber sprach nach dem Bekanntwerden der Herkunft der Bilder von einem Missverständnis: Er habe zur Authentifizierung der Fotos das Delegationsmitglied Jurij Bereza gefragt, das geglaubt habe, es gehe um andere Bilder.

Kritiker bezweifeln jedoch, dass die ukrainischen Abgeordneten tatsächlich nicht den Eindruck erwecken wollten, die Fotos von russischen Truppen seien in der Ukraine aufgenommen worden - immerhin gehörte zur Delegation auch der Abgeordnete Semen Sementschenko, der das Freikorps Donbass kommandiert und als nicht unbedingt neutral gilt.

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