Ukrainischer Außenminister: "Wir werden immer mehr zu einer De-facto-Armee der Nato"

Montage-Flaggen-NATO-Ukraine

Eine symbolische Darstellung der wachsenden Zusammenarbeit: Die Flaggen der NATO und der Ukraine fließen ineinander.

Nato-Außenminister tagen im Ukraine-Rat. Das angegriffene Land will einen gemeinsamen euro-atlantischen Bereich von Verteidigungsindustrien. Was ist realistisch?

Wie sieht der Realismus zum Ukraine-Krieg vor dem Publikum aus und wie fällt er in den internen Gesprächsrunden und Verhandlungen aus?

Das ist die Kernfrage des heutigen Treffens der Nato-Außenminister mit dem ukrainischen Außenminister im sogenannten Ukraine-Rat.

Es gibt Überschriften, die das Feld markieren: "‘Wir sind am Ende, wir sind müde‘ Nach fast zwei Jahren Krieg macht sich in der Ukraine Ernüchterung breit. Die Lage sei ernst, warnen Experten. Der Westen müsse umdenken" (Tagesschau).

"Nato-Außenminister bekräftigen Unterstützung. (…) Weitere Munitions- und Waffenlieferungen können nicht zugesagt werden, wohl aber erhöhte Finanzhilfen und Ausbildung ukrainischer Piloten." (Deutschlandfunk).

Und: "Die Nato schraubt ihre Ziele herunter. Das militärische Patt führt dazu, dass der Westen nun schon das Halten der Front als Erfolg der Ukraine betrachtet. Das ist realistisch, trotzdem sollte Kiew weiter unterstützt werden." (FAZ).

"Es gibt keinen Patt"

Der Kommentar der FAZ ist ein Appell. Realistisch ist die Ernüchterung. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba teilt die Ernüchterung nicht, wie er Journalisten heute Morgen vor dem Nato-Treffen in Brüssel verdeutlichte (ab Minute 3:20): "Es gibt keinen Patt."

Er sagte dies ohne weitere Erklärungen auf Nachfrage einer Journalistin. Geäußert als Feststellung, an der nicht weiter gerüttelt werden sollte. Ob das auch an den Nato-Ukraine-Rats-Gesprächstischen so behandelt wird?

Eingebettet war der axiomatische Satz in die Beteuerung, dass die Ukraine weiter kämpfen, sich nicht beugen werde. Dass die Grenzen von 1991 die Zielvorgabe sind, an der auch nicht zu rütteln ist.

Und er wurde eingebettet in die appellative Überzeugung, dass es den Unterstützern der Ukraine – der Deal heißt laut Kuleba: "Wir kämpfen, ihr liefert uns Hilfe, ohne das Leben von euren Soldaten zu riskieren" – nicht an politischem Willen fehle.

Dann holte der Appell weiter aus. Kuleba fordert eine bessere, größere, systematischere und nachhaltigere logistische Unterstützung: mehr Waffen, mehr Munition, mehr Professionalität und technisch-systematische Hilfe.

Zusammenarbeit der Rüstungsindustrien - für die euro-atlantische Sicherheit

Es soll ein gemeinsamer euro-atlantischer Bereich von Verteidigungsindustrien aufgebaut werden, schwebt ihm vor. Das sei nicht nur im Interesse der Ukraine, sondern sei essentiell für die europäische Sicherheit.

Diesen Ansatz, die Verquickung von europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen und denen des nordatlantischen Verteidigungsbündnis mit der Unterstützung der Ukraine, der gegen Gegenströmungen gerichtet ist, die mit "Das ist nicht unser Krieg" auf Distanz gehen, untermauerte Kuleba beim Presseauftritt mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (ab Minute 9:36).

Zur Hilfe verpflichtet

Hier legte der ukrainische Außenminister dar, wie sehr die Ukraine aus seiner Sicht bereits mit der Nato verquickt ist. Schlüsselsätze (Minute 12:20):

Der Sieg der Ukraine ist nicht nur im Interesse der Ukraine, sondern auch der gesamten euro-atlantischen Gemeinschaft (…) Europa zu verteidigen, ohne die Ukraine, ist zwecklos. Wir sind die stärkste und die am meisten kampferfahrene Armee in Europa. Wir werden ständig mehr de facto zu einer Nato-Armee – was das Management unserer technischen Fähigkeiten betrifft, unseren Ansatz und Prinzipien, eine Armee zu führen.

Dmytro Kuleba

Dass es heute zu einem ersten historischen Treffen des Ukraine-Rats komme, habe für ihn die Bedeutung, dass die Ukraine zum ersten Mal mit den Nato-Außenministern unter Gleichen zusammensitze.

Das läuft im realistischen Klartext darauf hinaus, dass die Ukraine als Beinahe-Mitgliedsstaat die Nato in der Pflicht sieht, sie auf längere Kriegsdauer hinaus zu unterstützen.

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