Ulrich Chaussy über das Oktoberfest-Attentat und die NSU-Mordserie

Seite 4: "Je aufgeblasener die Verschwörungsgebilde, desto weniger substantiell die Antworten"

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Ich habe den Eindruck, dass sowohl der Oktoberfestanschlag als auch der NSU-Skandal beide von den Medien nicht in ihrer Tragweite erfasst worden sind. Stimmen Sie zu?

Ulrich Chaussy: Ich denke nicht, dass man mit Alarmismus wirklich etwas bewirkt und man die Ungerührtheit der Behörden damit beantworten sollte, den Grad zu erhöhen, in welchem Spekulationen aufgegriffen und gekauft werden, wie beispielsweise die Bekundungen des Herrn Kramer letztens beim Bombenleger-Prozess in Luxemburg. Ich glaube, dass man sich damit einen Bärendienst erweist.

Freilich muss man solche Hinweisen untersuchen, aber ich habe es in den letzten Jahrzehnten häufiger erlebt, dass sich an mich Leute gewandt haben, die alles zum Oktoberfestattentat erklären konnten, aber je aufgeblasener die Spekulations- und Verschwörungsgebilde gewesen sind, desto weniger substantiell waren die Antworten auf konkrete Fragen. Es existiert diese Haltung, dass es unbedingt einen Hauptbösewicht geben müsse und das wird von gewissen Medien leider gerne genommen.

Die ganze Geschichte ist außer Rand und Band geraten, seitdem Daniele Gansers Buch über die NATO-Geheimarmeen in Europa erschienen ist und seitdem grassiert die vor allem in der Linken gerne eingenommene Neigung, das italienische Modell auf alles und jedes zu übertragen, ohne dass der Erkenntnisstand aus den Ermittlungen spezieller Terrorakte eine Rolle spielen würde. Klar klingt eine "Strategie der Spannung" großartig, aber in Deutschland waren dafür die Umstände überhaupt nicht gegeben.

Für mich macht diese Strategie auch für Deutschland durchaus Sinn, schließlich gab es auch hier im Zuge der 68er-Bewegung eine starke außerparlamentarische Opposition, die sich dann in den Grünen manifestierte und auch nicht unbeträchtliche Teile der Gewerkschaften, SPD und FDP waren im Vergleich zu Franz-Josef Strauß und heute ja geradezu linksradikal. Natürlich hätte ein Wahlsieg für Strauß einen Politikwechsel wie seinerzeit in den USA und Großbritannien dargestellt und in diesem Sinne kann ich mir sehr wohl vorstellen, dass eine False-Flag-Aktion Herrn Strauß eine Woche vor der Bundestagswahl in eine günstige Lage versetzt hätte, was natürlich nicht bedeutet, dass er selber davon Kenntnis hatte. Und bei der Frage, woher denn der Sprengstoff kam, halte ich es nicht für widersinnig nach Gladio-Strukturen auch in Deutschland zu forschen ...

Ulrich Chaussy: Nach der italienischen Theorie der Strategie der Spannung - und auch dort ist sie ja eine Theorie, auch wenn erwiesen ist, dass der Geheimdienst vor allem bei der Darstellung nach außen mitgefingert hat - wurden diese Strukturen deswegen tätig, weil ein Herausbrechen des Landes aus der NATO befürchtet wurde und es ist einfach ein Aberwitz, dergleichen für die Bundesrepublik von Helmut Schmidt anzunehmen.

Am 26. September wird im Kino Atelier in der Münchner Sonnenstraße um 19 Uhr der Film "Der blinde Fleck" gezeigt. Ulrich Chaussy wird anwesend sein. Nach der Vorführung ist ein gemeinsamer Gedenkzug zum Denkmal für die Opfer des Oktoberfestattentats geplant. Am 22.10. liest der Autor in Gera, am 23.10. in Magdeburg, am 24.10. in Leipzig, am 27.10. in Köln und am 28.10 in Düsseldorf aus seinem Buch Oktoberfest - Das Attentat - Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann.

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