Ulrich Chaussy über das Oktoberfest-Attentat und die NSU-Mordserie

Seite 3: "Der Verantwortung hat sich Hoffmann nie gestellt"

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Wie beurteilen Sie die Möglichkeit einer Beteiligung der Wehrsportgruppe Hoffmann an dem Attentat, auch in Verbindung mit dem Mord an Shlomo Levin und Frieda Poeschke?

Ulrich Chaussy: Die Verbindung zum Oktoberfestattentat ist durch das Tatbekenntnis des mutmaßlichen Mörders Uwe Berendt gegeben, der von Hoffmanns Haus zur Tat aufgebrochen ist und danach wieder dorthin zurück kehrte, hergestellt worden, wie sie durch die gerichtliche Aussage von Karl-Heinz Hoffmann vorliegt. Nach dieser soll gesagt haben: "Chef, ich habe es auch für Sie getan: Rache für München."

Das bedeutet nach dem Verständnis des ehemaligen WSG-Mitglieds damit: Rache dafür, dass interessierte deutsch-israelische Geheimdienstkreise das Münchner Attentat nur inszeniert hätten, um es als Aktion Hoffmanns darzustellen, um ihn in der Öffentlichkeit als das darzustellen, was er angeblich nie gewesen sei: Ein Nazi. Dieses Verständnis von Behrendt entspricht dem, was Karl-Heinz Hoffmann unmittelbar nach der Tat innerhalb seines Kreises auch in einem internen Papier kommuniziert hat.

Der Anfangsverdacht von Karl-Heinz Hoffmann ist durch die mangelhafte Ermittlung soweit entkräftet worden, dass er keinerlei strafrechtliche Verantwortung für das Münchner Attentat nachgewiesen werden konnte. Das muss man erst mal zur Kenntnis nehmen. Dass er aber in seinem Zorn diese Geschichte einer jüdischen Verschwörung in die Welt setzt und bis heute eifrig verbreitet, ist unfassbar. Man sieht doch, wie aus dem Hoffmann-Anhänger Uwe Behrendt auf diese Art und Weise ein Mörder wurde, der aus Loyalität zu seinem Chef einen Mann umbrachte, zu dem er gar keine Beziehung hatte. Dieser Verantwortung hat sich Hoffmann nie gestellt.

Shlomo Levin war aber für Hoffmann insofern ein Thema, als er in einer Reportage einer italienischen Zeitschrift über Hoffmann und seine damaligen rechtsextremistischen Beziehungen innerhalb der Bundesrepublik interviewt wurde. Levin war damals der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde zu Nürnberg und wurde darin zu Hoffmann befragt. Er hat relativ trocken darauf verwiesen, dass man in Deutschland schon einmal einen Rechtsextremen für einen harmlosen Trottel gehalten und seine Bewegung als irrelevant hingestellt hat.

Tobias von Heymann ist auf die Idee gekommen, die - allerdings öffentlich zugänglichen - Stasi-Akten zu sichten. Wäre es nicht gleichfalls interessant, hier die Akten des Verfassungsschutzes zu Rate zu ziehen?

Ulrich Chaussy: Das ist nur schwierig umzusetzen. Hier steht der Quellenschutz dagegen. Ich habe sehr viele Anträge auf Akteneinsicht laufen, aber dies wird schwierig und lange dauern und es ist überhaupt nicht klar, ob das gelingt.

"Die Ungerührtheit der Bundesanwaltschaft kann einen wirklich in die Resignation treiben"

Wie hoch schätzen Sie denn die Chancen, dass eines Tages die Ermittlungsarbeiten wieder aufgenommen werden?

Ulrich Chaussy: Das ist für mich unmöglich einzuschätzen. Die Ungerührtheit, mit die Bundesanwaltschaft - ganz nach den Worten von Karl Valentin: "Das tun wir gar nicht erst ignorieren" - bislang damit umgegangen ist, kann einen wirklich in die Resignation treiben. Die Frage ist einfach, ob diese sich jetzt unter dem Eindruck des Geschehens mit der NSU auf eine andere Linie verständigt.

Ich kann nur sagen, dass die politische Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses, die ich viel zu wenig beachtet finde, sehr wichtig wäre. Die Art und Weise, wie Herr Range mit diesen Dingen umgehen wird, ist ein Lackmustest für mich, und ob sich speziell bei der Generalbundesanwaltschaft etwas geändert hat, werden wir daran erkennen, was mit dem aktuellen Wiederaufnahmeantrag von Rechtsanwalt Werner Dietrich geschieht.

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