Umherschweifen bei den Gelbwesten

Seite 2: Gegen jeden Antisemitismus

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Das ist bei den Juives et Juifs revolutionnaires anders, einer Gruppe jüdischer Linker, die in einem Aufruf eine scharfe Kritik an den antisemitischen Vorfällen bei Aktionen der Gelbwesten leisten.

Auch sie nutzen ihren Text aber nicht, um die Bewegung rechts liegen zu lassen, sondern sie wollen damit eine Emanzipation innerhalb der Bewegung befördern. Damit hebt sich die französische Debattenkultur angenehm von mancher Diskussion in der außerparlamentarischen Linken in Deutschlands ab.

Da hat man öfter den Eindruck, es ginge nicht darum, einen gemeinsamen Emanzipationsprozess zu befördern, der auch zu Trennungen führen muss, beispielsweise von Antisemiten und Sexisten. Bei manchen Debatten in Deutschland hat man oft den Eindruck, eine Protestversammlung würde mit einem Soziologieseminar verwechselt, bei dem es nicht um politische Kritik, sondern um Ungenügend-Noten für Referate oder Hausarbeiten geht. Die zusammengestellten Texte sind vor allem deshalb lesenswert, weil sie diesen Gestus nicht vermitteln.

Wurden die Gilets Jaunes jetzt nicht genug beforscht?

"Unser Ziel ist es, der eher schwachen und unmotivierten Auseinandersetzung mit der Gelbwestenbewegung innerhalb der Linken etwas Papier in die Hand zu geben", schreiben die Herausgeber im Vorwort. Allerdings sind die Gelbwesten von der akademischen Linken durchaus beforscht worden.

Allein in dem Raum an der Berliner Humboldtuniversität, in dem die Herausgeber kürzlich ihre Broschüre vorstellten, gab es in den letzten Monaten zwei weitere durchaus anregende Veranstaltungen zu den Gilets jaunes.

Unter dem Titel "Winter is coming" hatte bereits 2017 Sebastian Lotzer Texte von den sozialen Kämpfen in Frankreich vor den Gelbwesten im Bahoe-Verlag herausgebracht. Vielleicht gibt es jetzt doch genügend Texte, um auch mal zu einer praktischen Solidarität zu kommen.

Beispielsweise, wenn es wieder Repression gegen die Gelbwesten gibt oder allgemein gegen den von der europäischen Mitte so hochgelobten Macronismus. Viele der Grünen und Liberalen nehmen es den Gelbwesten schließlich übel, dass sie gegen Macron und nicht gegen einen Orbán oder Putin protestieren. Hier ergäbe sich viel Raum für Interventionsmöglichkeiten.