Unternehmen für zwei Billionen Dollar übernommen

Unternehmen und Finanzmärkte schwimmen im Geld und ziehen gerade die größte Neuordnung der globalen Märkte seit dem Zweiten Weltkrieg durch

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Mit 15. Mai hat das Volumen der (angekündigten) Unternehmensübernahmen die Marke von zwei Billionen US-Dollar (rd. 1500 Milliarden Euro!) überschritten, meldet die Informationsagentur Bloomberg. Das ist noch einmal um 60 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, und man sei am besten Weg, den 3,49 Billionen-Dollar-Rekord von 2006 zu übertreffen.

Die so genannten "levereged buyouts", bei denen wie zuletzt bei Chrysler und der österreichischen Gewerkschaftsbank Bawag als Übernehmer ein Investmentfonds ("private equity" - die so genannten Heuschrecken) – auftritt, belaufen sich dabei auf vergleichsweise bescheidene 366 Milliarden USD. Mehr als drei Viertel entfallen hingegen auf Überahmen mit industriellem Hintergrund, also um Unternehmenskäufe unter Konkurrenten, bei denen es um die Kontrolle und Bereinigung von Märkten geht.

Die Beispiele allein aus den letzten beiden Woche sprechen Bände: Die Baustoffgruppe HeidelbergCement will den britischen Konkurrenten Hanson Plc für 7,85 Milliarden Pfund ($15.5 Milliarden) übernehmen. Der US-Konzern Alcoa hat gerade 33 Milliarden Dollar für den kanadischen Konkurrenten Alcan geboten, womit die im Vorjahr verlorene Weltmarktführung zurück gewonnen werden könnte. Sie ist erst letztes Jahr an die russische Rusal gegangen, die aus den russischen Alu-Riesen SUAL und RUSAL und dem Schweizer Rohstoffhändlers Glencore entstanden ist. Sollte der weltgrößte Bergbaukonzern BHP Billiton den australischen Kupfer-, Eisenerz- und Aluminiumgigant Rio Tinto, wie gerüchteweise verlautet, tatsächlich für 100 Mrd. Euro feindlich übernehmen wollen, würde damit sogar die nach Marktkapitalisierung größte Aktiengesellschaft der Welt entstehen, meint Bloomberg.

Wenn indes die 8,7-Milliarden-Pfund-Fusion der britischen Reuters in die kanadische Thomson umgesetzt wird, könnte auch Bloomberg selbst, der Marktführer für Finanzinformationen, seine Führungsposition an den Zusammenschluss der beiden stärksten Konkurrenten verlieren. In der Finanzmedien-Branche zeigte sich vergangene Woche aber auch, dass ein Aktionärskern, der sich auf einen 64prozentigen Kapitalanteil stützt, unliebsame Angreifer wie Rupert Murdochs News Group immerhin noch abwehren kann. So sorgt sich die alterwürdige Verlegerfamilie Bancroft, die seit 1902 Dow Jones & Co. kontrolliert, um die verlegerischen Standards und weigert sich standhaft, ein 5 Milliarden Dollar Angebot für den Herausgeber des Wall Street Journal anzunehmen. Allerdings liegt der Preis, den der ruppige rechtskonservative Medienzar zu zahlen bereit ist, um 65 Prozent über dem letzten Börsenkurs vor dem Angebot. Bloomberg-Kolumnist David Pauly erwartet nun, dass sich jetzt auch etwas besser beleumundete Konkurrenten zu einem hohen Gebot werden hinreißen lassen, was die Familie dann nicht mehr ablehnen könne.

Geld ist offenbar in jeder Menge vorhanden: „Das Vertrauen ist angesichts starker Aktien- und lebhafter und liquider Kreditmärkte groß“, zitiert Bloomberg Anthony Parsons, den Chef von "U.K. mergers", der Londoner Investmentbanking Abteilung der Deutschen Bank. Allein den "private equity funds" wäre Bloomberg zufolge seit Anfang 2006 insgesamt mehr als 250 Milliarden USD an Eigenkapital zugeflossen. Bei einem je nach Kaufobjekt bis zu zehnfachen Leverage dürfte nunmehr weltweit kein Unternehmen zu groß für eine Übernahme sein, insbesondere da sich die großen Übernahmefonds seit kurzem angewöhnt haben, gemeinsam für ein Unternehmen zu bieten, anstatt sich gegenseitig die Preise zu sehr in die Höhe zu treiben.

Dass das aktuelle Übernahmefieber realwirtschaftlich viele positive Folgen zeigen wird, ist indes kaum zu erwarten. So steigt durch die Unternehmenskonzentration die Marktmacht der Marktführer, wodurch mittelfristig mit Preiserhöhungen auf breiter Front zu rechnen ist. Und Studien nach dem Fusionsfieber während des New Economy-Booms vor kaum zehn Jahren zeigen, dass die meisten Übernahmen, außer für jene, die im Misserfolgsfall die Filetstücke billig aufsammeln konnten, oft keinerlei ökonomischen Mehrwert geschaffen haben. Etliche Fusionen - siehe DaimlerChrysler – mussten auch bald wieder getrennt werden.

Sichere Gewinner des Übernahmefiebers sind wieder einmal die großen Wallstreet-Investmentbanken. Die Nummer Eins im Beratungsgeschäft ist dabei die Citigroup, die an Deals im Volumen von 672 Mrd. USD beteiligt war, gefolgt von Vorjahressieger Goldman Sachs, Morgan Stanley, Lehman Brothers Holdings, Merrill Lynch & Co., JPMorgan Chase & Co und der Züricher UBS. Allein die US-Investmenthäuser haben dabei ihre "Assets" im ersten Quartal 2007 zusammen um 379 Milliarden USD erhöht, bemerkt Doug Noland von prudentbear.com wovon allein 114 Milliarden USD auf Aktienfinanzierungen entfallen. Die Finanzierung dieser Banken selbst erfolgt Noland zufolge in ungewöhnlich hohem Ausmaß am Repo-Markt, wo mittels so genannter Rückkaufvereinbarungen (repurchase agreement) erstklassige Anleihen an die Notenbank oder andere Banken verkauft und zu einem bestimmten Zeitpunkt samt Zinsaufschlag zurückgekauft werden, Noland zufolge im ersten Quartal um 267 Milliarden USD.

Reißenden Absatz bei institutionellen Anlegern finden zudem nach wie vor Junkbonds, die für Übernahmen aufgelegt werden. Letzter Schrei an den Märken sind dabei Bonds, die anfangs keine Couponzahlungen leisten, sondern stattdessen weitere Schulden emittieren. Die Risikoaufschläge hochriskanter Anleihen liegen wegen der hohen Nachfrage derzeit im Schnitt um zwei Prozentpunkte unter dem langjährigen Schnitt bei nur noch 2,61 Prozent. „We are close to a time when we'll look back and say we did some stupid things”, kommentierte am 9. Mai übrigens Bank of America CEO Ken Lewis die Situation am Kreditmarkt.