Urin – ein wertvoller Rohstoff, wenn Düngemittel knapp sind
Seite 2: Sinnvolle Aufbereitung auf dem Land und in der Stadt
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Wie lässt sich menschliches Abwasser effizient und gewinnbringend recyceln? In ländlichen Gebieten könnte man Urin in Fässern lagern, um Krankheitserreger abzutöten, bevor man ihn als Dünger auf die Felder bringt. Hierfür gibt es bereits Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO. In Städten, wo der meiste Urin produziert wird, müsste man separate Kanalisationsrohre verlegen, um den Urin an einen zentralen Ort zu leiten.
Dies aber wäre zu aufwändig und zu teuer. Deshalb müssen die festen Bestandteile des Urins bereits im Gebäude vom Wasser getrennt, getrocknet und extrahiert werden. Wissenschaftler arbeiten daran, Urin in der Toilette oder im Gebäude zu trocknen, das überschüssige Wasser zurückzulassen, so dass ein Konzentrat zurückbleibt. Das ist gar nicht so einfach.
Urin besteht zu einem Großteil aus Harnstoff, einer stickstoffreichen Verbindung, die der Körper als Nebenprodukt des Proteinstoffwechsels herstellt. In Verbindung mit Wasser verwandelt er sich allerdings schnell zu Ammoniakgas. Ammoniak entzieht dem Harnstoff den nützlichen Stickstoff. Katalysiert wird der Prozess durch das Enzym Urease.
Um aus hydrolysiertem Urin eine konzentrierte Nährlösung zu gewinnen, entwickelten Wissenschaftler der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf/Schweiz ein neuartiges Verfahren: Zunächst wandeln Mikroorganismen das flüchtige Ammoniak in nichtflüchtiges Ammoniumnitrat um, welches ebenfalls als Dünger verwendet wird. Anschließend wird die Flüssigkeit in einem Destilliergerät konzentriert.
Das Schweizer Unternehmen Vuna will das System kommerziell in Gebäuden einsetzen. Es vertreibt das daraus resultierende Produkt namens Aurin. In der Schweiz ist Aurin bereits für den Anbau von Lebensmitteln zugelassen. Andere Verfahren versuchen, einzelne Nährstoffe aus dem Urin zu extrahieren.
William Tarpeh von der Stanford University in Kalifornien experimentiert unterdessen mit Adsorptionskügelchen, die Stickstoff in Form von Ammoniak oder Phosphor in Form von Phosphat aufnehmen. Einmal vollgesogen, nutzt sein System ein Regenerationsmittel, eine Flüssigkeit, die über Kügelchen fließt und dabei die aufgenommenen Nährstoffe auswäscht.
Allerdings sind die derzeit kommerziell verfügbaren Regenerationsmittel umweltschädlich, weshalb das Wissenschaftler-Team versucht, billigere und umweltfreundlichere Regenerationsmittel herzustellen. Das gesamte Abwasser der Welt hat das Potenzial, globale Probleme - von der ökologischen Nachhaltigkeit bis hin zum Welthunger – zu lösen, ist er überzeugt.
2019 reiste der Chemiker in die Hauptstadt Senegals, um seine neuartige Methode zur Extraktion von Nährstoffen aus Urin zur Herstellung von Flüssigdünger, Desinfektionsmitteln zu demonstrieren.
Trenntoilette mit modernem Design
In der südafrikanischen Gemeinde eThekwini begann die Geschichte der Trenntoiletten vor mehr als 20 Jahren. Nach dem Ende der Apartheid waren die Behörden auf einmal für arme ländliche Gebiete verantwortlich, in denen es keine Toiletteninfrastruktur gab, weiß Anthony Odili, der an der Universität von KwaZulu-Natal in Durban zur Abwasserentsorgung forscht.
Nach einem Cholera-Ausbruch im August 2000 installierten die Behörden eilig verschiedene Sanitäranlagen, darunter etwa 80.000 Trockentoiletten mit Urinabscheidung, von denen die meisten noch heute in Betrieb sind. Wegen anhaltender Geruchsbelästigung waren diese Toiletten allerdings nicht besonders beliebt.
2010 starteten die Stadtwerke von Durban – eThekwini Water and Sanitation (EWS)- und die Eawag ein Projekt namens VUNA (auf isiZulu = Ernte), um den in den Trenntoiletten anfallenden Urin für die Verbesserung der sanitären Grundversorgung zu nutzen. Das Projekt verfolgte drei Ziele:
• Umweltverschmutzung durch Urin sollte vermieden werden.
• Aus Urin sollte landwirtschaftlicher Dünger entstehen, aus dessen Verkaufserlös die sanitäre Grundversorgung finanziert wird.
• Die monetäre Bewertung von Urin sollte die Anwohner motivieren, die Trenntoiletten häufiger zu nutzen.
Inzwischen gibt es ein neues System, basierend auf der Tendenz von Wasser, an Oberflächen zu haften. Getestet werden die Toiletten mit Urinfalle, bei der der Urin abgetrennt und die Feststoffe fortgespült werden, von der Universität von KwaZulu-Natal sowie von der Stadtverwaltung von eThekwini. Die Massenproduktion von Technologien zur Urinabtrennung stehe kurz bevor, glaubt Tove Larsen, die als Chemieingenieurin bei der Eawag arbeitet.
Die Urinabscheidung sei die richtige Technologie, der Umgang mit Abwässern werde optimiert. Jetzt müssen nur noch die Menschen mitmachen. Die Abscheidung und Wiederverwendung von Urin erfordert ein drastisches Umdenken in der menschlichen Hygiene: bei Düngemittel- und Lebensmittelfirmen, Landwirten, Toilettenherstellern, Aufsichtsbehörden und Verbrauchern.
Auf der anderen Seite wird mit zunehmender Knappheit von Energie, Wasser und Rohstoffen die Erforschung von Alternativen für landwirtschaftlichen Dünger immer wichtiger. In einigen Regionen sind Menschen durchaus offen für die neue Dünge-Alterative: Glaubt man einer Umfrage vom letzten Jahr, so liegt in Frankreich, China und Uganda die Bereitschaft, mit Urin gedüngte Lebensmittel zu verzehren, bei fast 80 Prozent der Befragten.