Urknall oder Demiurg?

Seite 3: Das anthropische Prinzip: Alles nur für uns gemacht?

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Es sind die ausgesprochen verdächtigen Koinzidenzen, die von einigen Wissenschaftler und Philosophen - Theologen sowieso - als Beweise dafür gewertet werden, dass das Universum erschaffen wurde - und zwar ganz speziell für uns!

Koinzidenzen sind gemeinsam vorkommende, aufeinander abgestimmte Tatsachen. Und es ist wirklich frappierend, wie unglaublich fein justiert Naturkonstanten und andere Parameter sind, um ein lebensfreundliches Universum zu ermöglichen!

Und was speziell die Konstanten betrifft: Das sind Größen, die man nicht aus Formeln und Gleichungen errechnen, sondern nur messen kann! Sie ergeben sich nicht aus beweisbaren Gesetzen, sondern sind einfach nur so wie sie sind. Oder wie gemacht…

Ohne diese kosmischen Koinzidenzen wäre das Universum eine tote und leere Wüste. Professor Henning Genz, der sich nicht nur als Theoretischer Physiker, sondern auch als Autor einen Namen gemacht hat, schreibt:

Wir wissen, dass die Oase der Werte der Naturkonstanten, die unser Leben ermöglichen, von einer Wüste von Werten umgeben ist, die eben dies nicht tun.

Dass diese Oase durch Zufall entstanden ist, wollen viele Kosmologen und Philosophen nicht glauben, denn es müsste, wenn es nur dieses eine Universum gäbe, ein wahres Wunder sein, dass ein derart unwahrscheinliches System aus haargenau aufeinander abgestimmten Parametern entsteht. Deshalb hat auch die teleologische (nicht theologische!) Transzendenz-Theorie eine gewisse Wahrscheinlichkeit.

Teleologisch-transzendent bedeutet: Die zweckorientierte Ordnung der Welt wird durch eine zielstrebig wirkende Weltkraft hergestellt. Wir haben uns darauf geeinigt, diese Kraft Demiurg zu nennen.

Einen Ausweg aus dem Dilemma des anthropischen Prinzips weisen die Theorien, die das Universum als eines von vielen in einem höherdimensionalen Multiversum betrachten. Leonard Susskind, einer der Väter der Stringtheorie hat errechnet, dass es bis zu 10500 Vakuumzustände geben kann. Im Klartext: 10500 Universen mit unterschiedlichen Naturkonstanten und Gesetzen! Angesichts dieser riesigen Zahl wird selbst die geringste Wahrscheinlichkeit realisiert, und man darf konstatieren: Wir leben eben deshalb in einem lebensfreundlichen Universum, weil die beinahe unendliche Zahl von differenzierten Vakuumzuständen auch dieses spezielle Universum beinhaltet, das Leben hervorgebracht hat. Und daran ist nichts Mystisches. Man nennt diese Erklärung das schwache anthropische Prinzip.

Das Problem daran ist nur: Alle uns möglichen Experimente liefern nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Existenz zusätzlicher Dimensionen, und die Stringtheorie ist bis jetzt eine reine, unbeweisbare Kopfgeburt.

Also wenden wir uns wieder dem starken anthropischen Prinzip zu.

Hier eine kleine Auswahl der "Feinabstimmungen" und ihrer Bedeutungen:

Anzahl der Raum- und Zeitdimensionen - Planeten- und Elektronenbahnen wären instabil, wenn sie größer oder kleiner wäre.

Entropie nach dem Urknall - wäre sie nicht so unerklärbar gering gewesen, hätte das Universum keine komplexen Strukturen bilden können.

Die starke Kraft - wäre sie nur 0,5 % größer oder kleiner, könnten die Sterne nur Kohlenstoff oder Sauerstoff bilden - aber nicht beides. Bei Abweichungen im einstelligen Prozentbereich gäbe es erst gar keine Sterne. Ähnlich würde eine Änderung der elektromagnetischen Kraft um 4% wirken (Feinstrukturkonstante!)

Die schwache Kraft - wäre sie minimal größer oder kleiner, gäbe es keine schweren Elemente

Gravitation - geringste Abweichungen hätten das Universum entweder längst kollabieren lassen oder eine so schnelle Expansion bewirkt, dass sonnenähnliche Sterne kaum älter als eine Million Jahre werden könnten

Massendifferenz zwischen den Nukleonen - geringste Abweichungen würden dazu führen, dass es nur Protonen oder nur Neutronen gäbe (Zerfallsprozesse)

Bis jetzt sind 37 Naturkonstanten bekannt, deren Feinabstimmung die Ordnung unseres Universums gewährleistet, und der Eindruck, da gäbe es eine ordnende Hand, verunsichert selbst den einen oder anderen Nobelpreisträger genug, um Gegenstand sehr ernsthafter Diskussionen zu sein.

Die Theorie, die Welt sei eine Simulation, kann jedoch weder bewiesen noch widerlegt werden.

Oder ein Universum aus dem Teilchenbeschleuniger?

Der Vollständigkeit halber soll auf eine Hypothese von Andrei Linde hingewiesen werden. Er beschreibt in einem Artikel, wie man im Labor ein schwarzes Mini-Loch erzeugen und zur exponentiellen Expansion bringen könnte. Daraus würde sich ein Tochter-Universum mit eigener Raumzeit bilden, das sich sogleich vom Mutter-Universum "abnabelt". Es wäre für uns ebenso unsichtbar und unzugänglich, wie ein anderes Universum im Multiversum.

Trotzdem gäbe es eine Möglichkeit, ihm eine Botschaft für seine späteren Bewohner mit auf den Weg zu geben! Nicht in Gestalt einer wie auch immer gearteten Struktur bzw. Information, denn jede Information würde im Expansionsprozess vernichtet werden - aber wenn man die Botschaft in den Eigenschaften des Vakuumzustands codiert, bleibt sie erhalten!

Hat der Demiurg uns eine solche Botschaft hinterlassen?

Linde sagt dazu: "Ist das etwa der Grund, warum wir so hart arbeiten müssen, um die seltsamen und nicht perfekten Eigenschaften unserer Welt zu verstehen? Bedeutet das vielleicht, dass unser Universum geschaffen wurde? Aber nicht von Gott, sondern von einem Physiker? Wenn das stimmt, zeigt das Resultat, dass er einen harten Job hatte. Hoffentlich hat er nicht zu viele Fehler gemacht…"

Ist das nicht ein schönes Schlusswort?

;-)

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