Vereiste Fronten: Wettstreit zwischen russischen und Nato-Militärs in der Arktis nimmt zu

Seite 2: Wachsende Konfrontation statt Kooperation

Doch es gibt noch einen noch schwerwiegenderen langfristigen Preis, der zu berücksichtigen ist. Multilaterale Organisationen können in einem vertrauensarmen oder feindseligen Umfeld besonders nützlich sein, da sie als Plattformen zur Steuerung der Konkurrenz, zum Reduzieren destabilisierender Verhaltensweisen und zur Förderung des Dialogs über Themen dienen, bei denen eine begrenzte Zusammenarbeit von gegenseitigem Nutzen sein kann.

Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) von 1973, aus der eine Reihe von Leitprinzipien hervorging, die 1975 in den Helsinki-Vereinbarungen formuliert wurden, war eine wesentliche außenpolitische Errungenschaft der USA, die von einer ähnlichen Art von sukzessivem institutionellem Denken getragen wurde. Die Mitgliedschaft Moskaus im BEAC und im Arktischen Rat war für den Westen eine Möglichkeit, die russischen Aktivitäten zu überwachen und in Schach zu halten.

Die Einbindung Russlands in mehrheitlich westliche Institutionen war alles andere als eine Belastung, sondern brachte erhebliche strategische Vorteile mit sich. Sie schuf Systeme der regionalen Zusammenarbeit, die Russland einschränkten und dem Westen langfristig zugutekamen, indem sie Moskau einen Anreiz boten, sich gegenüber westlichen Staaten und Institutionen konstruktiv zu verhalten und gleichzeitig die Möglichkeiten für destabilisierendes Verhalten verringerten.

Nun treibt Russlands anhaltende Isolation von regionalen und anderen multilateralen Organisationen das Land dazu, nach alternativen Vereinbarungen zu suchen, die westlichen Interessen in der Arktis schaden können. Russland hat auf das westliche Embargo für die arktische Zusammenarbeit reagiert, indem es seine arktische Partnerschaft mit China vertieft hat – eine Lücke, die Beijing (Peking) nur allzu gerne füllt.

Russland setzt seine Pläne für eine Brics-Forschungsstation auf der arktischen Inselgruppe Spitzbergen (norwegisch: Svalbard) fort, was Moskaus breitere Strategie widerspiegelt, die Auswirkungen der westlichen Sanktionen durch die Vertiefung seiner Zusammenarbeit mit nicht-westlichen Akteuren auszugleichen.

Noch alarmierender ist, dass Moskau und Beijing in der nordwestrussischen Stadt Murmansk ein Memorandum über eine Sicherheitskooperation in der Barentssee und den arktischen Gebieten zwischen russischen und chinesischen Küstenwacheeinheiten unterzeichnet haben. Die Isolierung Russlands hat China die Möglichkeit eröffnet, sich als "nahe-arktischer Staat" zu etablieren – ein Ergebnis, das der Kreml vor den neuen geopolitischen Gegebenheiten, die nach dem März 2022 entstanden sind, mit Sorge betrachtet hätte.

Russland nimmt etwa die Hälfte der Arktis ein und verfügt über 53 Prozent der Küstenlinie des Arktischen Ozeans. Die derzeitige Isolierung Moskaus von regionalen Organisationen kann nichts an der grundlegenden Tatsache ändern, dass Russland ein wichtiger Akteur im hohen Norden ist und bleiben wird. Auch die Nato-Bewerbungen Finnlands und Schwedens haben dazu beigetragen, dass Russland seine Interessen in der Arktis zunehmend unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit betrachtet.

Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Moskau seine militärische Präsenz in der Arktis allmählich ausbaut und in Radarstationen, Start- und Landebahnen und andere Infrastruktur investiert. Diese Maßnahmen werden von einem Anstieg der Nato-Bewegungen begleitet und tragen zu einem Kreislauf der Militarisierung bei, der die Sicherheit der Bewohner der Region beeinträchtigt.

Die Gesamtwirkung dieser Entwicklungen ist ebenso bedrohlich wie eindeutig: Der Hohe Norden, der einst als Musterbeispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit für den Rest der Welt galt, hat sich in den letzten 18 Monaten in einen weiteren Schauplatz des Wettbewerbs zwischen Großmächten verwandelt.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Mark Episkopos ist Professor für Geschichte an der Marymount University in den USA. Er forscht über Fragen der nationalen Sicherheit und schreibt über internationalen Beziehungen.