Versuchsballon Online-Award

Das Grimme-Institut überträgt traditionelle Fersehkritik auf das Netz

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Wenn das Grimme-Institut einen Online-Preis vergibt, dann ist das anders als andere Branchenereignisse. Es gibt keine Discokugeln oder Technorhythmen, keine Flachbildschirme und nicht mal eine PowerPoint-Präsentation. Stattdessen schwarze Anzüge, Zigarren und die traditionell gediegene Atmosphäre eines Bankettsaals.

Schon seit 37 Jahren vergibt das renommierte Institut seine Preise an Fernsehgrößen. Es ist ein Bollwerk im Deutschen Fernsehprogramm - ein Ansporn auch für private Sender, mindestens einmal im Jahr mit Qualität aufzuwarten.

Jetzt entdeckten die Fernsehkritiker aus Marl das Internet – als Erweiterung des Fernsehprogramms. Um nicht den traditionellen Grimme-Preis einfach um die Kategorie "Beste Webseite" zu ergänzen, wurden gleich Preise in drei Kategorien ausgeschrieben. Dabei erlebte das Institut eine kleine Bauchlandung. Der Preis für TV-Journalismus im Netz wurde mangels geeigneter Aspiranten überhaupt nicht vergeben. Im Bereich "Web-TV" gab es gerade einmal vier Kandidaten, von denen zwei eine Trophäe mit nach Hause nehmen konnten: Bitfilm und Giga.de.

Die Gewinner der Kategorie TV gehören allesamt zu den Big-Playern: n-tv.de brilliert mit "soliden Informationen in Breite und Tiefe", MTV.de begeisterte die Preisrichter durch seine "beispiellose Aufgeräumtheit" und der Internet-Auftritt der Harald Schmidt-Show ist nach Jurymeinung der Inbegriff von Synergie zwischen Netz und Fernsehen. Keine Überraschungen – Harald Schmidt hatte übrigens schon den "echten" Grimme-Preis im Jahr 1997 bekommen.

Gleichzeitig wurde auch noch ein zweiter Preis vergeben, der zum Grimme-Online-Award gehörte, aber dann doch nicht. Eine andere Jury entschied über die Preisträger, und statt der Trophäe gab es Geld. Das Land Nordrhein-Westfalen, Intel und Evita hatten sich finanziell beteiligt, um diesen Preis zu ermöglichen. Prämiert wurden Angebote, die den Umgang mit dem Medium Internet und anderen Medien fördern.

So ganz aus den Vollen schöpfte die Jury aber dann doch nicht. Von den ausgelobten 65000 Mark vergab die Jury nur 50000 Mark. Jeweils 25.000 Mark gab es für Kidsville.de und das Online-Forum Medien-Pädagogik, die Redaktion von politik-digital und das ZDF-Online-Projekt eScript bekamen wenigstens eine Urkunde.

Der Preis soll gerade junge Projektmacher anregen, Qualität zu liefern. Eine Eigenschaft, die Kultusministerin Behler auf deutschen Internetseiten offenbar bisher vermisst hat. "Uns fehlt bisher das Fleisch am Knochen", sagte die Politikerin. Die Ausstattung der Schulen mit Computern und Internetzugang komme in die Gänge – jetzt fehlen noch Seiten, auf denen die Schüler ihre Medienkompetenz beweisen können. Deshalb das Engagement der Landesregierung für den Preis.

Ein dauerhaftes Engagement? Vielleicht. Noch ist die Finanzierung für das nächste Jahr noch nicht geklärt. Die Schwierigkeiten der Jury bei der Abgrenzung der Kategorien dürfte auf alle Fälle zu einer überarbeiteten Konzeption führen.

Die erste Verleihung des Preises war ein Versuchsballon: "Die klassische TV-Kritik ist nicht auf das Internet übertragbar", weiß Friedrich Hagedorn vom Grimme-Institut jetzt. Trotzdem haben sich die Initiatoren an das Projekt gewagt – von dem Erkenntnisgewinn kann das Konzept nur profitieren. Jury-Vorsitzender Markus Deggerich bezeichnet Internet als Zehnkampf. Jetzt müssen sich die Preisrichter über Abgrenzungen und Qualitätskriterien Gedanken machen, die sich der ständigen Entwicklung anpassen.

So ganz saß der Ablauf beim ersten Mal noch nicht. Die Paten fanden sich noch nicht so ganz in ihre Rolle, die Begründung der Jury von kleinen Kärtchen abzulesen. Den letzten Preis überreichte ganz unerwartet und unvermittelt Dennis Hopper. Ein guter Anfang war es allemal. Die bis dato unbekannten Preisträger dürften sich in der Zukunft über erhöhte Aufmerksamkeit freuen, die bekannteren wissen, dass man ihnen über die Schulter guckt.

Das Grimme-Institut bewies am Verleihungsort Köln übrigens strikte Unabhängigkeit. Nicht nur, dass es zum Bankett kein Kölsch gab, auch die Lokalmatadore WDR und VIVA gingen leer aus. Hoffen wir, dass die Jurymitglieder sich auch in Zukunft weiterhin nicht von Proporz und Konzernzugehörigkeit leiten lassen.