Verteidigung via Website bringt Vereinte Nationen unter Druck

In Ruanda wehrt sich ein wegen Aufhetzung zum Völkermord angeklagter Journalist über das Netz

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Hassan Ngeze steht zusammen mit zwei anderen Journalisten wegen Verschwörung und Aufhetzung zum Völkermord vor dem Internationalen Völkermordtribunal in Arusha, Ruanda. Dem Prozess bleibt er fern. Die Verteidigung hat er dennoch selbst übernommen - im Netz. Dort unterhält er, wie der Daily Globe berichtete, von seiner Gefängniszelle aus eine Website auf einem US-Server.

Hassan Ngeze soll zusammen mit Ferdinand Nahimana und Jean Bosco Barayagwiza Anfang der 90er Jahre eine Hetzkampagne betrieben haben. Barayagwiza und Nahimana gelten laut taz als Chefideologen des Hutu-Extremismus, der 1994 zu den Massenmord an der Tutsi-Bevölkerung geführt hatte.

Ngeze, Nahimana und Barayagwiza gehörten der radikalen Hutu-Partei CDR an. Ngeze war Chefredakteur der Zeitschrift Kangura, einem Sprachrohr radikaler Hutu-Extremisten. Dort veröffentlichte er 1990 die "10 Hutu-Gebote", die für radikale Hutus 1994 zum Manifest wurden. Auf seiner Website bezeichnet sich Ngeze als Opfer einer Verschwörung von UN-Beamten und der ruandischen Regierung. Sein Magazin habe die Bevölkerung lediglich informiert, aber nicht verhetzt.

Beamte der Vereinigten Nationen zeigten sich angesichts der Website mehr als irritiert: Sie befürchten, dass die Site nicht nur die Integrität des Prozesses, sondern auch das Leben der anonymen Zeugen gefährden könnte. Ngeze könnte verschlüsselte Nachrichten über die Zeugen nach draußen verschicken. Die UN-Beamten sind sich sicher, dass Ngeze selbst Material für die Website zur Verfügung gestellt hat, da es Dokumente enthält, die nur innerhalb des UN-Gefängnisses in Arusha verfügbar seien. Außerdem zeigt die Website jüngere Fotografien von Ngeze.

Sicherheits- und Computerexperten der UN durchsuchten Ngezes Zelle im Januar. Sie fanden ein Laptop, dessen Benutzung nach UN-Regeln erlaubt ist. Außerdem konfiszierten sie ein Modem sowie zwei CDs mit Computersoftware und zwölf Fotoalben. Ngeze verfügt über kein Handy und hat nur begrenzten Zugang zu Telefonanlagen. Dennoch wurde die Site seither mehrfach aktualisiert. Die UN vermutet nun, dass Ngezes Rechtsbeistand Disketten aus der Zelle geschmuggelt haben könnte. Letzte Wochen wurden drei Mitglieder des Verteidigungsteams von den Anwälten entlassen.

Ngeze fordert laut AllAfrica.com nun ihre Rückkehr sowie den Rücktritt seiner Anwälte, die zuvor den Kontakt mit ihm abgebrochen haben sollen. Angeblich seien nach der Durchsuchung wichtige Unterlagen der Verteidigung verschwunden und Zeugen umgebracht worden. Zuvor hatte Ngeze schon zweimal seinen Rechtsbeistand ausgewechselt.

Die UN will die Website am liebsten schließen lassen. Allerdings müssen zuvor zahlreiche rechtliche Fragen geklärt werden. Unter anderem müssen die Vereinigten Nationen auch die eigenen Statuen zur Meinungsfreiheit berücksichtigen.

Dokumentation des Falles