Verunstaltung als Verbrechen

Den Graffitisprayern wollen neue Gesetzesvorhaben das Leben schwerer machen

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Harte Zeiten für Graffitisprayer könnten demnächst anbrechen. Zumindest, wenn es nach der CDU/CSU und der FDP geht. Die beiden Oppositionsparteien wollen nach der parlamentarischen Sommerpause einen Gesetzesentwurf im Bundestag verabschieden, der die bisherigen Gesetze §303 und §304 StGB erheblich verschärfen würde. Auch die unionsregierten Bundesländer sind im Bundesrat in gleicher Sache aktiv geworden.

Ein Graffiti aus Oranienburg

Das Delikt der "Verunstaltung" soll nach diesen Vorstellungen neu in den Strafbestandskatalog aufgenommen werden. Kritiker bemängeln, dass dann schon jemand eine Anzeige bekommen könnte, der zum Spaß einen Denkmal eine Mütze aufsetzt. Außerdem soll nach dem Oppositionsentwurf künftig eine "nicht unerhebliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes gegen den Gestaltungswillen des Eigentümers" für den Tatbestand der Sachbeschädigung ausreichen. Bisher ist eine Bestrafung nur möglich, wenn durch die Sprühereien eine Substanzverletzung des besprühten Gegenstands im Einzelfall festgestellt und nachgewiesen werden kann.

Nach den Vorstellungen der konservativen Opposition sollen künftig Verurteilungen ertappter Graffitisprayer im Schnellverfahren möglich werden. Für nichtdeutsche Sprayer ist die Abschiebung ausdrücklich vorgesehen. Diese Gesetzesentwürfe liegen ganz auf der bisherigen politischen Linie der konservativen Opposition, die schon seit Jahren mit Nofitti-Initiativen bei ordnungsliebenden Bürgern Punkte sammelt.

So forderte die CDU/CSU-Bundestagabgeordnete Andrea Voßhoff schon Anfang Januar in einer Presseerklärung. "Rot/Grün sollte endlich die Blockadehaltung bei der Verbesserung der strafrechtlichen Erfassung von Graffiti-Schmierern aufgeben." Dabei sind Sprayer auch jetzt schon mit empfindlichen strafrechtlichen Folgen konfrontiert. Immer wieder gibt es Hausdurchsuchungen und Prozesse.

Doch die Gesetzesverschärfungen haben auch Kritiker auf den Plan gerufen. Rechtshilfetipps für potenzielle Sprayer werden ins Netz gestellt. Eine Jugendinitiative aus den HipHop-Bereich will mit der Forderung "Mehr Toleranz für Graffitikünstler! Alternativen prüfen" die Bundestagsabgeordneten von SPD und Bündnisgrünen mit Protestmails zur Ablehnung der Gesetzesverschärfungen veranlassen. "Das Problem liegt nicht bei unzulänglichen Gesetzen, sondern in der Praxis des repressiven Verhalten der Städte und Gemeinden, die nicht für eine ausreichende Menge an legalen Flächen im öffentlichen Raum sorgen und bei dem jahrelangen Betrug am Steuerzahler durch völlig überteuerte Reinigungskosten-Angaben", heißt es in dem Aufruf.

Auch Sozialarbeiter, kritische Strafrechtler und Stadtplaner machen sich seit Jahren mit guten Argumenten für die Entkriminalisierung der Graffitisprayer stark. Doch meist werden ihre Einwände ignoriert. Schließlich eignet sich das Thema gut zur Stimmungsmache gegen nichtkonforme Minderheiten und die führenden Boulevardmedien sind ganz vorne dabei.