Viel Lärm um einen G8-Gipfel

Der Morgen beginnende G8-Gipfel in Schottland beschäftigt Politiker und Demonstranten schon im Vorfeld

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Am Mittwoch beginnt der G8-Gipfel in der Nähe des schottischen Edinburgh. Aber jetzt schon hat er eine Aufmerksamkeit gefunden, wie sonst kaum ein Gipfeltreffen vorher. Auf kultureller Ebene waren es die Live8-Konzerte vom letzten Samstag (Stimmen gegen die Armut), die vor allem in den Medien den Gipfel ins Gespräch brachten. Ganz besondere Aufmerksamkeit erhält der Gipfel in Afrika, wo zahlreiche Konferenzen sowohl von regierungsnahen Gruppen als auch von Nichtregierungsorganisationen ihre Wünsche nach Schottland übermittelten. So tagte auch die Afrikanische Union in Libyen, die den Schulenerlass für alle armen afrikanischen Staaten fordern. Nur Libyens al-Gaddafi wandte sich dagegen.

Demonstranten sind in Edinburgh auf einen Kran gestiegen. Foto: Indymedia Scotland

Das Interesse in Afrika ist verständlicherweise groß, weil das Schwerpunktthema auf dem Gipfel die Entschuldung dieses Kontinents sein wird. Welche Dimensionen das hat, machte der Finanzminister von Burkino Faso Jean-Baptiste Compare deutlich, der davon sprach, dass sein kleines Land durch einen vollständigen Schuldenerlass allein von einer Zins- und Tilgungslast in der Höhe von 129 Millionen Euro befreit würde. Andere Staaten wie Sambia oder der Kongo ächzen noch mehr unter der Schuldenlast.

Dass es einen Schuldenerlass in Edinburgh geben wird, ist unbestritten. Nur über den Umfang wird noch heftig hinter den Kulissen debattiert. Auch für die Gläubigerländer ist ein Schuldenerlass eine relativ einfache Angelegenheit, zumal ein Großteil der Verbindlichkeiten gar nicht mehr einzutreiben sind.

Welche Auswirkungen ein Schuldenerlass haben wird, ist aber unter Fachleuten umstritten. Manche Experten warnen vor den Glauben an eine einfache Lösung, dass sie Probleme vorbei seien, wenn die Schulden erlassen sind. Es wird daraufŽverwiesen, dass die afrikanischen Länder sowohl durch neokolonialistische Strukturen als auch durch korrupte und diktatorische Eliten in Armut und Elend gehalten werden. Deshalb wird auch vor sentimentalen Aufrufen a la Bob Geldof gewarnt, der den Eindruck erweckt, dass eine Schuldenstreichung die Lösung aller Übel ist. Eine solche Stimmung kann schnell kippen. Wenn nach einer Schuldenstreichung die Armut nicht verschwundet, werden dann schnell die Menschen in Afrika selber verantwortlich gemacht.

Einer differenzierteren Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse widmen sich zahlreiche Konferenzen in Schottland, die von Nichtregierungsorganisationen veranstaltet werden. Sie sind Teil der sehr heterogenen Protestbewegung, die sich schon seit vergangenen Samstag in Schottland bemerkbar gemacht hat. Ob die Live8-Konzerte die Proteste stimulierten, ist strittig. Die Schiffe, die ein reicher Mentor für die Proteste von Frankreich nach Schottland gechartert hatte, blieben leer. Auch die Gratisbusse, die am Sonntag von der Siegessäule, dem Ort des dortigen Live8-Konzerts, nach Schottland aufbrachen, waren längst nicht vollständig besetzt. Am Mittwoch wollen zahlreiche Künstler in Edinburgh vor Ort für die Entschuldung Afrikas demonstrieren. Allerdings dürfte ein Teil der Demonstranten, die am Samstag in Edinburgh demonstrierten, zumindest durch Live8 stimuliert worden sein. Wie Geldof traten auch viele der Demonstranten zur Unterstützung des britischen Premierministers auf.

Blockade in Faslane. Foto: Indymedia Scotland

Die Kritik am Kriegskurs des britischen Premiers, die noch im November beim Europäischen Sozialforum im Mittelpunkt gestanden hat, schien vergessen. Medienvertreter sprachen schon von einer neuen Gipfelkultur. Die Demonstranten unterstützen die Regierung, die lässt die Proteste dafür in die Nähe des Gipfeltreffens. Die Bilder von Genua oder Göteborg), wo es beim EU- oder G8-Gipfel heftige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gaben, schienen der Vergangenheit anzugehören. „Warten wir ab, wenn die Samstagsdemonstranten wieder in ihre Busse gestiegen sind“, dann werden sie hier andere Bilder sehen“, prophezeite eine Demonstrantin.

Sie sollte Recht behalten. Schon am Montag ging die Polizei in der Bankenmetropole von Edinburgh gegen Demonstranten vor, 100 angeblich gewalttätige Demonstranten wurden festgenommen. In Faslane an der schottischen Westküste blockierten am Montag mehrere hundert Demonstranten den Atom-U-Boot-Stützpunkt Faslane. In den nächsten Tagen werden die Proteste noch zunehmen. Ab Mittwoch soll der Gipfelort, das Golfhotel Gleneagles in den schottischen Bergen, blockiert werden. Seit Monaten bereiteten zahlreiche Bündnisse die Proteste vor. Mit einem Global Action Day am Mittwoch wird an die Gipfelproteste der letzten Jahre angeknüpft. Aktionen sind auf allen Kontinenten geplant. Es wird sich zeigen, wie groß in diesem Jahr die Resonanz sein wird. Schließlich schien nach den Schüssen auf Carlo Giuliani am 20.Juli 2001 in Genua (Wer erschoss Carlo Giuliani?) und mehr noch nach den Anschlägen vom 11.September 2001 das Wachstum der Bewegung gestoppt.