"Vollständige situative Kenntnis der Außengrenzen"

Seite 2: Schwerpunkt Grenzsicherheit

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Einer der Schwerpunkte des Programms ist "Intelligente Überwachung und Grenzsicherheit (Technik, Ausrüstung, Werkzeuge und Methoden)". Es besteht aus fünf verschiedenen Bereichen: Meeresgrenzen, Landgrenzen, Luftgrenzen, Kontrollen an Grenzübergängen und "intelligente Überwachung", womit digitale Mustererkennung gemeint ist, grundsätzlich ein wichtiges Feld in der Sicherheitsforschung.

67 Projekte aus den ersten drei Ausschreibungen von FP7 bearbeiten das Thema Grenzsicherheit. Zu ihnen gehört beispielsweise das Autonomous Maritime Surveillance System (AMASS), ein Netzwerk aus Bojen für die "Seeraumabsicherung". Entwickelt wird das System von einem Konsortium unter der Leitung von Optronics, der Rüstungssparte der deutschen Firma Carl Zeiss Jena. Wie Drohnen in der Luft stabilisieren die Bojen ihre Lage im Wasser mit versetzten Antrieben autonom und versorgen sich selbst mit Energie. Die "Überwachungsplattformen" sind mit optischen und Wärmebildkameras und Mikrophonen ausgestattet und über Funk und Laser mit einem Kontrollzentrum an Land verbunden. Dort werden die Daten aufbereitet und mit aktuellen Informationen über Schiffsbewegungen abgeglichen.

Bis 2013 soll AMASS für eine Demonstration bereit sein. Danach könnte das System im Mittelmeer zum Einsatz kommen; die Streitkräfte von Malta sind an der Entwicklung beteiligt. Die Projektbeschreibung betont, wie nützlich das System gegen illegale Einwanderung sei: Angeblich macht das Bojen-Netzwerk eine Überwachung rund um die Uhr möglich und kann auch kleine Boote entdecken.

So soll mit AMAAS das Meer überwacht werden. Bild: Optronics

Andere Projekte im FP7 entwickeln organisatorische und technische Standards für eine reibungslose Zusammenarbeit und einen effektiven Informationsaustausch zwischen den diversen nationalen Behörden, die irgendwie mit dem Schutz der Landesgrenzen befasst sind. Dazu gehört beispielsweise OPARUS (Open Architecture for UAV-based Surveillance System), eine Infrastruktur für die Luftraumüberwachung mit Drohnen, oder WIMAAS (Wide Maritime Area Airborne Surveillance), das Satellitenaufklärung, Drohnen und Radar verbindet.

All diese Projekte sind mögliche Bausteine für das europäische Grenzüberwachungssystem EUROSUR. Bis 2013 soll dieses "System der Systeme" die südliche und südwestlichen Meeresgrenzen Europas abdecken. Später könnte es auf alle Außengrenzen der Schengen-Staaten ausgeweitet werden, heißt es aus der EU-Kommission. EUROSUR soll den Mitgliedsstaaten eine "vollständige situative Kenntnis der Außengrenzen" verschaffen ("full situational awareness on the situation at external borders").

Das ist kein bescheidenes Ziel: Allein das Mittelmeer umfasst einen zu überwachenden Raum von 2,5 Millionen Quadratkilometern. Aber durch Datenintegration und automatische und mobile Überwachungsanlagen soll ein umfassendes Lagebild möglich werden.

Schnittstelle Frontex

Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex spielt dabei eine Schlüsselrolle. Bereits jetzt vermittelt sie avancierte Technik an die Behörden der Mitgliedsstaaten. Letztes Jahr organisierte Frontex eine Präsentation kleiner Unbemannter Luftfahrzeuge (UAV), die allerdings laut Frontex-Sprecher Michal Parzyszek die Anwesenden nicht recht überzeugen konnten. Die Reichweite sei zu klein und die sogenannten Drohnen seien bei vielen Wetterlagen nicht einsetzbar. Nun soll Anfang Oktober eine Vorführung von mittelgroßen Drohnen mit größerer Reichweite für die Kontrolle von Seegrenzen stattfinden. Weil diese Fluggeräte dem zivilen Luftverkehr in die Quere kommen können, ist ihr Einsatz in Europa allerdings bisher noch nicht rechtlich geregelt. Diesen Monat werden in Finnland "Überwachungsfesselballons und mobile Bodensensoren für den schnellen Einsatz" vorgeführt.

An fast allen nationalen Grenzen - wenigstens dort, wo die Regierungen sich das leisten können - werden zunehmend mobile Überwachungsanlagen eingesetzt. Sie haben nicht nur den Vorteil, dass sie ein größeres Gebiet überwachen können. Fest installierte Anlagen, beispielsweise Kameras oder Wachtürme, führen nämlich nach einer Weile dazu, dass die Schleuser ihre Routen und Tarnungen anpassen. Mobile Anlagen dagegen können von ihnen nicht oder nur mit großem technischen Aufwand entdeckt werden.

Frontex war auch an der Ausrichtung der europäischen Sicherheitsforschung beteiligt. Erik Berglund, der damalige Chef der Forschungsabteilung von Frontex, war Leiter der "Arbeitsgruppe Grenzsicherheit" im "Europäische Forum für Sicherheitsforschung und -innovation" (ESRIF), einem Komitee aus Vertretern der Staaten und der Industrie, das 2007 von der EU-Kommission den Auftrag erhielt, eine umfassende Sicherheitsforschungsstrategie zu entwickeln. Im Abschlussbericht von ESRIF vom Dezember 2009 werden als zukünftige Prioritäten unter anderem "eine effiziente und effektive Kontrolle der Personen- und Warenströme an den Grenzübergängen" und "die Überwachung der Grenzregionen" genannt. Mit Biometrie und Sensortechnik sollen "Anomalitäten in großen regulären Strömen" (also an den Grenzübergängen) entdeckt werden. Auch die Bedeutung der Sozialwissenschaften für die Sicherheit Europas wird erwähnt: Diese seien wichtig, um "Risiken" zu erkennen und zu modellieren.