Vom Hardware-Produzenten zum E-Business-Designer

Es brodelt in der Computerbranche

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Internet verändert die Art und Weise wie Geschäfte gemacht werden. Dieser so harmlos klingende Satz hat eine gehörige Wirkung, insbesondere dann, wenn es um den Return on Investment geht. Die Hardwarefirmen geraten durch den Wettbewerb im World Wide Web zunehmend unter Transformationsdruck. Die zukünftige Nachfrage nach Systemen der Informationstechnologie erfordert von den heutigen PC-Konstrukteuren vor allem die Trends im Bereich des E-Commerce und E-Business in die Produkte und Dienstleistungen zu integrieren. Die entscheidende Herausforderung, vor der die PC-Hersteller heute stehen, ist keine geringere, als zu beweisen, daß sie auch in der Lage sind, für den Kunden nützliche E-Business-Infrastrukturen zu entwickeln. Die Hardware ist zwar wichtig, aber längst nicht mehr der Benchmark der technologischen Entwicklung.

Jüngste Opfer dieses dramatischen Wandels waren der langjährige CEO und Präsident von Compaq, der deutschstämmige Eckhard Pfeiffer, sowie der CEO Lew Platt von Hewlett Packard. Sie mußten, nachdem die Gewinne der beiden Hardware-Hersteller deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben, von ihren Ämtern zurücktreten. Obgleich der Umsatz von Compaq um über 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr anstieg, vor allem durch die 9 Milliarden-Dollar Übernahme von Digital Equpiment, erodierte der Gewinn.

"Many companies are quickly outgrowing their CEOs," sagt Jeff Christian, Geschäftsführer der in Cleveland ansässigen Suchfirma für Führungskräfte Christian & Timbers, die auch den Nachfolger von Lew Platt bei Hewlett-Packard Co. sucht. "I think there's recognition that the industry has changed fundamentally, and the skills needed to go forward really are brand-new skills," sagt auch Bob O'Malley, Vorstand von Pinacor Inc. In den nächsten Monaten werden die Transformationsprozesse noch eine zunehmende Zahl von CEOs in amerikanischen High-Tech-Firmen ihren Posten kosten. Zukünftig werden Manager nachgefragt werden, die über eine Gespür und eine Wahrnehmung verfügen, die weit über das hinausgehen, was sich in der jeweiligen Branche abspielt.

Pfeiffers Fehler

Pfeiffer hatte sich derart auf den Wettbewerb im PC-Markt konzentriert, daß er es versäumte, die High-End-Server-Technologien für das E-Business zu integrieren. Zwar hat Compaq alle Mosaiksteine für eine Fokussierung im E-Commerce, jedoch weiß man dort bisher nicht, wie man diese intelligent zusammenfügen kann. Die Konsequenz dieses Versäumnisses ist ein Rückgang der weltweiten Marktanteile für PC-Auslieferungen auf nur mehr knapp 13 %.

Wer im Internet Beachtung finden will, muß sich auf E-Business-Strategien fokussieren. Dell hat dies erkannt und hat bezogen auf den US-Marktanteil nahezu mit Compaq gleichgezogen. So ist es Vorreiter beim Aufbau von Webseiten für Business Kunden sowie "Build-to-order"-PC-Verkäufen. Dell ist vor allem ein Teamplayer mit den Kunden, was es unter anderem durch die Ankündigung unter Beweis stellt, zusammen mit dem Suchmaschinen-Spezialist Fast die größte WWW-Suchmaschine der Welt aufbauen zu wollen. Doch Compaq hat das Potential, sehr schnell einen Turnaround zu schaffen, da es über das E-Business-Know-how und die entsprechenden Kundenkontakte verfügt.

Strategischer E-Commerce-Provider

Compaqs Probleme bei der Umsetzung von E-Commerce-Lösungen für deren Kunden sind kein Einzelfall. PC- und Server-Angebote sind im Internet nicht genug, wenn Firmen wettbewerbsfähig bleiben wollen. Im Gegensatz zu Compaq sind die Gewinne von IBM stark gestiegen, was vor allem auf deren exzellente E-Business-Strategie zurückzuführen ist. Im Vergleich zum 1. Quartal des letzten Jahres stieg dort der Reingewinn um 42 % auf 1,5 Milliarden Dollar. Hierbei macht E-Business nach Angaben von IBM bereits 30 % des Gesamtumsatzes aus. "We'll grow with customers as they exploit E-business further," sagt Neil Isford, Vize-Präsident E-commerce bei IBM Global Services.

Sun Microsystems, welches den Internet Server Markt bereits früher als IBM betrat und dort einer der Marktführer ist, berichtete einen Anstieg des Reingewinns um 13 % auf 261 Millionen Dollar. Sun hat als eine der ersten Firmen die strategische Bedeutung des Provider-Marktes erkannt. Insbesondere Topkunden haben Sun aufgrund ihrer exzellenten Internet-Infrastruktur ausgewählt.

Vom Systemlieferanten zum Interface-Designer

In einem Markt, der eigentlich kein Markt mehr ist, sondern durch das World Wide Web sich zu einem gigantischen Interface gewandelt hat, kommen die Hardware-Hersteller immer mehr unter Druck, sich vom Systemlieferanten zum Interface-Designer für E-Commerce zu entwickeln. Das rasante Wachstum neuer E-Business Anwendungen erfordert von den Hardwarefirmen, sich auch um die Entwicklung neuer Dienstleistungen und neuer Software zu kümmern, die in Kombination mit der Hardware den Anforderungen der Kunden gerecht wird.

Intel, der führende Chip-Hersteller gab im 2. Quartal 1999 bekannt, daß es zukünftig einen neuen Geschäftsbereich, ein Datenzentrum für Webanwendungen, lancieren will. Hierbei wird sich Intel auch um die Pflege, Speicherung und die Lieferung von Web-Inhalten kümmern. Neben dem Outsourcing von Web-Daten-Centern plant Intel in den nächsten Jahren mehr als 10 sogenannte Internet Server Farms einzurichten.

HPs neuer Focus heißt E-Business

Die ebenfalls unter Druck geratene Firma HP hat erkannt, was die Stunde geschlagen hat. So hat man sich dort entschlossen, zusammen mit BroadVision Inc. E-Commerce-Software für Internet Service Provider zu entwickeln. Vor allem wird HP BroadVision's "One-To-One E-commerce Server" weiterverkaufen. BroadVisions Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 83 % auf nahezu 20 Millionen Dollar. Zuvor hatte HP bereits einen 100 Millionen Dollar Deal mit BEA Systems Inc. für die Entwicklung und Vermarktung von E-Commerce-Anwendungen abgeschlossen. HP möchte jetzt auch vor allem Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen, die die Komplexität der Implementierung und des Handlings von Emails reduzieren. Die Zielrichtung von HP ist klar, einer der führenden Business-Player im E-Commerce-Bereich zu werden.

Ausblick

Die Hardwarehersteller müssen zunehmend erkennen, daß ihre Gewinne erodieren, während die von Netzwerkfirmen mit E-Commerce-Portfolios wie von Lucent Technologies stark ansteigen. In einer Zeit, wo es um die Abwicklung von Millionen von Aufträgen in Millisekunden ankommt, müssen potentielle E-Commerce-Anbieter mit allen Arten von Problemen fertig werden. Die entscheidende Komponente im E-Business ist nicht mehr das Massenmarketing, sondern ein fundiertes Wissen, wie man Marketing richtig macht.

Pionierfirmen im Web-Business wie Dell und Auto-by-Tel, mit "Do-it-yourself"-Zugriff auf Information und Produktkonfigurierung werden bald zur Norm gehören. Die Gewinner im E-Commerce-Wettlauf werden die Verbraucher sein. "People are the Internet's killer app," sagt Jerry Michalski, der Chefeditior des Industrie-Newsletters Release 1.0. Wenn die Firmen das Internet für neue Vertriebswege mit ihren Kunden nutzen, werden die traditionellen Konzepte der Marktforschung und der Kundenanalyse bald verschwinden. Der Kunde der Zukunft erwartet auf Abfrage eine 24-Stunden-Betreuung an jedem Punkt des Planeten. Deshalb werden Unternehmen in allen Branchen, deren Umsatz nicht mindestens zu einem Drittel vom E-Commerce getragen wird, langfristig große Wettbewerbsnachteile bekommen.