Von Blackout- und EMP-Bomben, Hacks und Paraglidern

Nordkorea soll durch Hackerangriff an viele geheime militärische Dokumente über Einsatzpläne, Stützpunkte oder Präventivangriffe gelangt sein

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Während Nordkorea möglicherweise den nächsten Atomwaffentest vorbereitet und die Entwicklung von Raketen und atomaren Sprengköpfen vorantreibt, versucht auch Südkorea sich auf einen Krieg mit seinem nördlichen Nachbarn vorzubereiten. Entwickelt wird nach Informanten aus dem Militär eine "Blackout-Bombe", um die Stromnetze Nordkoreas lahmzulegen.

Solche "Blackout-Bomben" können Stromnetze ausschalten und eventuell ganze Städte oder Regionen ausknipsen, weil moderne Gesellschaften ohne Stromnetze nicht mehr funktionieren, sofern nicht wichtige Infrastruktur durch Backup-Systeme wie Generatoren gesichert sind. Die größere Bedrohung wäre allerdings eine EMP-Bombe, mit der Nordkorea bereits den USA gedroht hat. Dazu wird hoch in der Luft eine Atombombe gezündet. Der davon ausgehende elektro-magnetische Impuls kann das Stromnetz ganzer Regionen ausschalten und Schaltkreise zerstören, es würden durch den Fallout aber keine Menschen gefährdet und ähnlich wie bei einer Neutronenbombe gäbe es bis auf das Lahmlegen von Stromnetzen und Elektronik keine materiellen Zerstörungen.

Bislang haben einzig die Amerikaner einen Test mit einer nuklearen EMP-Bombe in den 1960er Jahren gemacht, seitdem ist klar und in Kongressanhörungen und Kommissionsberichten bestätigt, dass man nicht ein ganzes Land gegen einen solchen Angriff auf das gesellschaftliche Nervensystem schützen kann.

Es wurde in letzter Zeit auch das Szenario diskutiert, dass Nordkorea anstatt eines Angriffs mit konventionellen Waffen eine EMP-Bombe über Südkorea zünden könnte, um das Land oder Teile von ihm lahmzulegen. Um sich nicht selbst zu schädigen, müsste dazu der Radius klein sein. Denkbar wäre auch, dass Nordkorea zur Drohung eine EMP-Bombe über dem US-Luftwaffenstützpunkt auf Guam zündet. Allerdings ließen sich auch gezielt Mikrowellenwaffen, die einen EMP-Strahl aussenden, verwenden, um örtlich begrenzt Elektronik lahmzulegen (Schon wieder eine neue Wunderwaffe).

Aber zurück zur Blackout- oder Graphitbombe. Sie wurde von den Amerikanern erstmals im Golfkrieg 1990/1991 und dann des Öfteren im Jugoslawienkrieg eingesetzt, um Kraftwerke, Stromleitungen oder Sendeanlagen durch Kurzschlüsse auszuschalten (In Serbien wird es dunkel). Dabei wird über dem Ziel eine Graphitwolke aus Kohlenstofffasern freigesetzt, die sich ablagern und schon in geringen Mengen Kurzschlüsse verursachen können.

Angeblich handelt es sich bei südkoreanischen Bomben um eine Entwicklung für das Präventivkriegsprogramm Kill Chain. Noch scheinen sie nicht hergestellt worden zu sein, ein Militär sagte aber, sie könnten jederzeit produziert werden. Das Verteidigungsministerium hat für das Projekt über 430.000 US-Dollar beantragt, die aber vom Finanzministerium nicht genehmigt worden seien. Daher ist die Meldung in südkoreanischen Nachrichtenagentur als Versuch zu sehen, über die Öffentlichkeit Druck auszuüben.

Derweilen sagen südkoreanische Militärs, dass nordkoreanische Truppen in Militärübungen Paraglider verwenden würden. Mit denen könnten sie ins Land eindringen und Kommandozentralen oder das Büro des Präsidenten zu übernehmen. Paraglider würden von Radar kaum entdeckt werden können, man könne tief und lautlos fliege. Umgekehrt zirkulieren immer wieder gestreute Informationen über ein südkoreanisches- amerikanisches Kommando, das nach Nordkorea vordringen und dort die Regimeführung ausschalten soll.

Nordkorea könnte südkoreanisch-amerikanische Verteidigungs- und Angriffspläne studiert haben

Wie sich jetzt erst herausstellt, soll nordkoreanische Hacker bereits im September des letzten Jahres in die Websites und das Intranet des Defense Integrated Data Center (DIDC) eingedrungen sein und auf zahlreiche geheime Dokumente zugegriffen haben. Im Mai 2017 hatte das Verteidigungsministerium den Vorfall eingeräumt, der noch in der Amtszeit der Vorgängerregierung geschehen ist, aber nicht erklärt, wie viele und welche Dokumente entwendet wurden. Man suchte zu beruhigen, der Vorfall sei nicht ernst.

Das war wohl gelogen. Nach Rhee Cheol-hee, einem Abgeordneten der regierenden Demokratischen Partei (DPK), seien immerhin 235 Gigabyte gestohlen worden. Darunter auch OPLAN 5015 (Operation Plan) für einen präventiven Angriff und mit dem Einsatzplan, die nordkoreanische Regimeführung auszuschalten. Bislang seien allerdings erst 53 Gigabyte oder 22,5 Prozent der gestohlenen Daten identifiziert worden. 226 seien geheim eingestuft gewesen. Vom Rest ist nicht bekannt, um was es sich handelt.

Nicht nur OPLAN 5015 werden die Nordkoreaner interessiert gelesen haben, wenn es tatsächlich Hacker der Regierung waren. Die Hacker hätten nämlich bei ihrem Rückzug Beweise zerstört, damit sie nicht zurückverfolgt werden können. Deswegen sei es auch schwierig herauszufinden, welche Daten kompromittiert wurden. Danach hatte Südkorea mit den USA einen vierstufigen Plan die "Enthauptung", also die Beseitigung der Führung, entwickelt. Nach der Identifizierung und Lokalisierung sollte der Aufenthaltsort gesperrt werden, dann ist ein Luftangriff vorgesehen, durch den die Ziele getötet werden sollen. Dazu erhielten sie auch noch Einsicht in den OPLAN 3100, einen Einsatzplan, um auf Aktionen oder Angriffe der Nordkoreaner zu reagieren. Dabei waren auch Notfallpläne des Spezialeinheitenkommandos, Berichte über südkoreanische und amerikanische Kommandeure, über Militärstützpunkte und Kraftwerke, die sich auf ihnen befinden.

Im April war in Medien allerdings schon die Rede, dass auch OPLAN 5027 in die Hände der Hände der Hacker gefallen sei. Dabei handelt es sich um das gemeinsame Verteidigungs- und Angriffskonzept des südkoreanischen und amerikanischen Militärs. Nach Pentagon-Sprecher alles kein Problem, Washington und Seoul würden sich auf die Sicherheit der Kriegspläne und ihre Fähigkeit verlassen, mit jeder Bedrohung umgehen zu können. Ob Dateien entwendet worden sind, wollte er nicht sagen, er kommentiere keine Hackervorfälle oder geheime Angelegenheiten. Fragen ließe sich jetzt, ob Kim Jong-un womöglich deshalb in diesem Jahr unbeirrt eine "Provokation" an die andere reiht, weil die Angriffs- und Verteidigungskonzepte bekannt sind.

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