Von Zipf bis Zupf

Unrasiert, weiblich. Foto: Appleton

Der Sommer, betrachtet aus der Perspektive der Hygienität - Kapitel 1: Die Katzen- und Hundehaare im Gesicht

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Schauen Sie sich doch mal dieses Foto an. Eine unrasierte (und niemals zu rasierende), kleine, weibliche Katze mit einer wild sprießenden Gesichtsbehaarung. Die soll natürlich, genau wie dieses Paar seltsamer Krokodilsaugen mit dem lotrechten Schlitz in der Pupille, dem Tier in dunkler Nacht die Fortbewegung erleichtern, sowie das Jagen.

Interessant für uns Menschen ist dabei, dass — egal wie viele Millionen Jahre Evolution uns von der Katze trennen — wir immer noch an der Nasenwurzel — dort, wo die Augenbrauen aufeinander stoßen — die gleichen drei, vier, fünf separaten Härchen besitzen, die steil nach oben ragen, wie bei dieser Katze. Vergleichen Sie mal — das Katzenfoto mit ihrem Selbstportrait im Handspiegel.

Es gibt auch das Phänomen der "Mono-Brow", wie es auf Englisch heißt, der bruchlos durchgängigen "Mono-Braue", die dem allgemeinen Verständnis nach einen besonders niederen Intellegenzquotinten signalisiert, und deshalb der fortgesetzten Trennung per eifriger Rasur bedarf. Bekanntes Beispiel — die mexikanische Malerin Frida Kahlo. Sie zupfte sich aber, wie aus Trotz, gerade an dieser Stelle nicht.

Normalerweise gelten bereits die relativ harmlosen 5 Katzenhärchen links und rechts als unerwünscht beim Menschen, und es gibt wohl kaum eine weibliche Person über 12 Jahren, die hier nicht bereits angefangen hat, sorgsam durch Ausrupfen mit der Pinzette die Augenbrauen in eine besonders schlanke und als elegant empfundene Form zu zwängen.

Persische Frauen haben, dank ihrer dunkleren und damit auffälligeren Gesichtsbehaarung, eine eigene Technik der Depilierung entwickelt, die "band andokhtan" heißt. Es gibt dazu ein paar reizvolle YouTube-Filme, die das eindrucksvoll verdeutlichen, oder jedenfalls schneller bewerkstelligen, als ich es hier beschreiben kann. Man bedarf dazu eines Stücks gezwirbelter Nähseide und einer zweiten Person, denn schon wie beim Haarschneiden oder bei der Selbst-Trepanierung sind die Erfolgschancen größer, wenn man dafür einen Assisten bemüht.

Männer kennen das vom Rasieren. Egal, wie oft man mit dem Bic-Drei-Klingen-Stift über die gleiche Stelle fährt, die sanfte Glattheit eines Baby-Popos erreicht man nie. Stets bleibt eine gewisse raue Kratzigkeit, die der Geliebten in der Nacht eine unschön gerötete Gesichtshaut verleiht, wenn nicht gar einen manifesten Hautausschlag. Hier wäre nun der Vergleich mit einem Haushund sachdienlicher, weil bei ihm der Gesichtspelz sauberer unterteilt ist als bei der Katze, und die einzelnen Haar-Parzellen klarer gegeneinander abgesetzt sind. Man erkennt mühelos die unterschiedlichen Flussrichtungen der Haarfelder im Gesicht, bzw. am Vorder- und Hinterkopf, was einem Frisör die Arbeit sehr erleichtern würde, sollte es einem Hund einfallen, sich einmal rasieren zu lassen.

Aber das Studium des hündischen Haarmusters würde auch uns Menschen die Rasur sehr erleichtern, vor allem aber erläutert es, dass die Rasur, ähnlich wie das "band andokhtan" der Perserinnen, sehr viel leichter von einem Assisten ausgeführt werden kann, als von einem selber. Bloß: Wozu das Ganze?

Vom Barte, ach, und von der linken Hand

Gerade im Iran, wo die Frauen angehalten sind, ihr Gesicht zu depilieren, verlangt die "Mode" (auch "Religon" genannt), dass Männer sich das Gesicht nicht rasieren, dass sie einen Bart tragen. In Arabien, um hier zum Trumpschen "Plisch" auch das "Plum" hinzuzufügen, gibt es nur die Religion, der Begriff "Mode" existiert einzig in den Damentoiletten. Die Frauen könnten genauso gut einen Vollbart tragen, es wäre egal, denn sie müssen sowieso ihr Gesicht in der Öffentlichkeit bedeckt halten. Männer sollten dagegen einen biblischen Vollbart tragen, wie Mel Gibson.

Dagegen vor 50 Jahren, zur schönsten "Sergeant Pepper"-Zeit, mitten im Sommer 67, war es in der westlichen Welt völlig schnurz, ob Männer und Frauen irgendwo rasiert waren, im Gesicht, am Kopf, unter den Achseln, an den Geschlechtsteilen oder noch weiter abwärts — die Mode, nicht die Religion, bestimmte, was mit der Behaarung zu geschehen habe. Dabei wäre doch die Summertime — gerade dann — die schönste Zeit zum Saubersein. In Deutschland-West schickte das Establishment die Polizei gegen die "Gammler" aus, weil lange Haare bei Männern auch auf mangelnde Hygiene in anderen Bereichen schließen ließen. In Amerika nannte man die "Hippies" auch The Great Unwashed — die im großen Stil Ungewaschenen.

In Arabien, wo dauerhaft Temperaturen herrschen, die man in Wien als "hochsommerlich" bezeichnen würde, weit über 35 Grad, signalisieren die Männer, trotz Vollbart, hygienische Sauberkeit durch eine stets schlohweiße Kleidung, die nur geringfügig die Tatsache verschleiert, dass hier ganze Bataillone von Hilfskräften — möglicherweise importiert aus Indien oder Pakistan — tagtäglich die Waschmaschinen rotieren lassen und die Bügeleisen schwingen.

Im Iran nicht minder. Wer eine öffentliche Toilette betritt, wird durch ein Schild darauf aufmerksam gemacht, er oder sie möge doch, im Einklang mit den Gepflogenheiten des Islams, das Kabuff mit dem linken Fuß zuerst betreten. Wobei "links" keine sonderlich islamische Erfindung darstellt. Oder die Sauberkeit erhöht. Es stellt einfach nur eine altertümliche Verhaltensregel dar. So lautet beispielsweise das Wort für eine "linkische", oder ungeschickte Person im Englischen "cack-handed", also genau so, als gäbe es im Deutschen ein Wort wie "Kack-Hand", und davon abgeleitet das Adjektiv "kacke-händisch", eben, weil das Abwischen des Hinterns früher mit der linken Hand zu erfolgen hatte, und weil ein ungeschickter Mensch leicht mal das Zeug an die Finger kriegte. In der westlichen Welt kann man heute gerne seinem Gegenüber die linke Hand zum Gruß reichen, wenn man mit der rechten z. B. gerade ein Kind trägt. "Mit Links", sagt man dann. "Kommt von Herzen." Im Iran wäre das eher unschicklich, man darf dann aber wohl doch noch den einen oder anderen Ellenbogen reichen. Einer Frau gibt der Iraner (der iranische Mann) auf jeden Fall ungern die Hand — egal, ob links oder rechts — wobei ich mich frage: Wieso eigentlich?

Die rechte Hand — eine Bakteriensschleuder?

Die iranischen Frauen kochen in der Küche, oft Stunden lang - und die Männer essen, was da gekocht wurde, man hört das Lob der Köchin. Aber ihre Hand schüttelt man nicht. Natürlich langt ein Perser nicht mit der linken Hand ins Essen hinein, auch das ist klar. Man isst nur mit der rechten Hand und reicht auch das Essen nur mit der rechten Hand. Aber was befürchtet der persische Mann beim Kontakt mit der zur Begrüßung gereichten rechten Hand einer Frau?

Ist es der symbolische Ehebruch? Ist es die Furcht vor dem heimlich weitergereichten Zettelchen mit Telefonnummer und Liebesschwur? Oder die Angst, dass ihre Bakterien aus der weiblichen Intimzone an seine Hand gelangen könnten? Die Bakterien stellen jedenfalls eine eher geringfügigere Gefahr dar, wie eine amerikanische Studie unlängst herausstellte.1

Bleibt letztlich nur die Angst, dass die Hygiene bei Frauen eben grundsätzlich unzuverlässig ist, eine Art Trumpsche Berührungs-Phobie. Man denke an die vielfach gefilmte "weggeschlagene Hand" — wobei es in dem Fall freilich Melania war, die seine Hand nicht ergreifen wollte. Aber: Same difference, wie man in Amerika sagt. Ich erinnere mich an einen Besuch in der iranischen Botschaft in Wien, wo ich unter anderem eine Toilette aufsuchte. Neben westlichem Klopapier gab es dort auch die traditionelle Wasserkanne, mit der man sich reinigen konnte. Anschließend kam das Waschbecken mit heißem und kaltem Wasser, mit Seife und einer extra dort hingelegten Fingernagelbürste. Es war klar, dass die Bürste zur Steigerung der Hygiene sowohl der linken wie eventuell der rechten Hand gedacht war. Anders dagegen im Iran selber. Der Reisebus, der eine längere Strecke zurück gelegt hat, hält an einem kombinierten Klo mit Moschee und Imbiss. Man sucht die Toilette auf, wäscht sich nachher mit kaltem Wasser die Hände und die Füße und begibt sich anschließend in die Moschee zum Gebet, bei dem man ja den Hintern und die nackten Füße des Vordermannes ständig direkt vor sich hat, umsomehr, als man sich immer wieder mit der Nase direkt in diese Region hinunter beugt. Das relevante Wort in diesem Kontext ist "die Nase." Ich habe, seit ich Wien vor zehn Jahren verließ, keine Sommer mehr mit 35 Grad erlebt, aber ich erinnere mich deutlich an Besuche in Hamburgatorien, die viel Beleidigendes für die Nase zu bieten hatten. Ebenso wie die Fahrten in morgendlichen Straßenbahnen, wenn 50 frisch deodorifizierte, parfümierte und mit Haarspray eingesprühte Sekretärinnen zur Arbeit fuhren.

Die Chemie der hier auf einen eindringenden großformatigen Pheromone muss man nicht kennen, die Nase versteht es auch so, dass sich scharfkantige Riesenmoleküle soeben an dem Bulbus olfactorius vorbei zwängen und das Hirn in schmerzhaft benommene Katatonie versetzen. Und die Deos erst! Ach, wenn die Leute doch lernen würden, schlichtes Backpulver unter die Achseln zu reiben. Sie blieben den ganzen Tag über frisch und geruchsfrei, und ersparten sich selber und der Mitwelt die schlimmste Sommerqual — die Geruchsbelästigung.

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