Von der Unmöglichkeit eines Dialogs mit der Opposition, die im Gefängnis sitzt

US-Präsident Obama traut sich, die bahrainische Regierung zu kritisieren. Die Kritik kommt spät wie auch die Rede zum "Change" im Nahen Osten

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Es ist von allem etwas dabei in der gestrigen Rede Obamas, die eigentlich viele Reden in einer ist. Viel, an dem sich stoßen kann, auch wer ganz unterschiedlichen Lagern angehört, wie zum Beispiel Israelis und Palästinenser. Auch ermunternder Revolutionspathos, der die Wirklichkeit schöner malt, als sie ist; zitierbare Sätze zum Change in der arabischen Welt, Grundsatzerklärungen zu Menschenrechten und Versprechungen zur Finanzhilfe für Tunesien und Ägypten. Die eigentlich spannende Frage, an welche politischen Bedingungen die Hilfe geknüpft ist, beantwortet die Rede nicht. Wie überhaupt Fragen von tatsächlich politischer Relevanz in der Rede vorkommen wie Straßenstaub auf dem Sonntagshemd.

Square by square, town by town, country by country, the people have risen up to demand their basic human rights. Two leaders have stepped aside. More may follow.

Barack Obama

Und Saudi-Arabien? Das Land wird in der Rede, die im Vorfeld als Grundsatzrede gehandelt wurde und auf Wirkungshöhe der vielbeachteten Kairoer Rede gesetzt, gar nicht erst erwähnt. Ein relevanter Ausschnitt der Realität im Nahen Osten ausgeblendet: Dass Saudi-Arabien seine Rolle im Nahost-Kräftespiel deutlich ausgebaut hat, dass die Ansichten des Hauses Saud zu Reformen und Protesten das "konterrevolutionäre" Lager rund um den Golf-Kooperationsrat bestimmen. Dass dabei mit eisernem Besen gekehrt wird, wie am Beispiel Bahrain demonstriert wird. Dass die USA und Saudi-Arabien derzeit still an einem großen Waffendeal sitzen.

Das ist dann eben die wirklich relevante Politik, die Realpolitik, die in solchen Grundsatzerklärungen keinen Platz findet, auch bei Obama nicht. Insofern relativiert sich die Relevanz und Glaubwürdigkeit schon beträchtlich.

Jeder weiß, dass Obama Rücksicht auf Empfindlichkeiten der Wüstenherrschaft nimmt, die er als Abnehmer des Öls und geopolitisch Abhängiger von saudischer Gunst nicht riskieren will, weswegen Saudi-Arabiens Rolle beim großen Thema des Change in der arabischen Welt nicht direkt erwähnt wird - nur in Anspielungen. Obwohl das Land darin eine zentrale Rolle spielt, als konterrevolutionäre Kraft.

Die gegen das gerichtet ist, was Obama erneut als essentielle Werte der freien Meinungsäußerung, der Selbstbestimmung und Demokratie hervorhebt. Von finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien für auf Obrigkeitshörigkeit und Unterwerfung setzende Salafisten im ganzen arabischen Raum sowieso abgesehen. Das Schweigen über diese Verwicklungen hat lange Tradition.

Zweierlei Maßstäbe

Spannung liefert Obama, wo er Hinweise darauf gibt, dass hinter der praktizierten Realpolitik möglicherweise doch andere Denkweisen stehen. Zum Beispiel, was Bahrain betrifft. Die US-Regierung hielt sich in den Wochen mit Bewertungen zur Niederschlagung der Proteste im strategisch wichtigen Golfstaat, wo die US-Navy einen Stützpunkt hat, zurück.

Das Schweigen zu Bahrain, das in völliger Diskrepanz zur US-Position steht, wie sie gegenüber der libyschen oder syrischen "Protestbewegung" geübt wird, zog in der Öffentlichkeit einige Kritik auf sich; die amerikanische Doppelzüngigkeit und Doppelmoral angesichts geopolitischer Interessen im Middle East war Thema vieler Kommentare. Obama wurde darin weniger als Mann des Change geschildert, sondern als Fortführer alter amerikanischer außenpolitischer Traditionen, als bloßer Anzugträger.

In der gestrigen Rede geht Obama an zwei Stellen auf Bahrain ein. Er nimmt das Argument der Kritiker auf und spricht von der Glaubwürdigkeit der USA, die auf dem Spiel stehe, wenn "Freunde in der Region" auf Forderungen nach Reformen, die Maßgaben demokratischer Prinzipen folgen, nicht reagieren, und die USA dies nicht eingestehe. Als Beispiele erwähnt er Jemen und Bahrain.

Bahrain

Zwar gesteht er der Version der bahrainischen Führung, die in Zusammenhang mit den Protesten beharrlich von einer schiitischen Verschwörung spricht, die vom Iran gesteuert wurde - und die diese Sicht auf die Wirklichkeit mit großer Unterstützung von Lobbygruppen propagiert - , zu, dass Iran versucht habe, einen Nutzen daraus zu ziehen: "We recognize that Iran has tried to take advantage of the turmoil there, and that the Bahraini government has a legitimate interest in the rule of law".

Aber es ist auch deutliche Kritik zu hören, die in bahrainischen - und saudischen - Königshäusern sicher nur widerwillig vernommen wird. Weil sie zeigt, dass dem, was in offiziellen bahrainischen Presseberichten immer nur als "Lügen und Propaganda von Verbrechern" bezeichnet wird, immerhin so viel Wahrheitsgehalt zugestanden wird, dass es auch ein amerikanischer Präsident erwähnt: die Massenverhaftungen von Oppositionellen in Bahrain. Wenn diese in Gefängnissen säßen, so Obama in seiner Rede, könne man auch schlecht einen echten Dialog führen:

Nevertheless, we have insisted both publicly and privately that mass arrests and brute force are at odds with the universal rights of Bahrain's citizens, and we will -- and such steps will not make legitimate calls for reform go away. The only way forward is for the government and opposition to engage in a dialogue, and you can't have a real dialogue when parts of the peaceful opposition are in jail.

Auch die Zerstörung von schiitischen Moscheen, von der bahrainischen Führung dementiert, erwähnt Obama:

And for this season of change to succeed, Coptic Christians must have the right to worship freely in Cairo, just as Shia must never have their mosques destroyed in Bahrain.

So finden sich, wie seine Anhänger auch hervorstreichen, mutige, weil Kontroversen mit wichtigen Partnern riskierende Stellen in der Rede. Doch kommt sie zu spät. Was die bitteren Ereignisse in Bahrain betrifft, den schonungslosen Crack-Down gegen die Oppositionellen, und auch, was den großen Change betrifft, den wichtigen Moment der Volksaufstände in Tunesien und Ägypten.

Zu lange haben die USA Anfang des Jahres noch manövriert und an Autokraten und deren Kreise in Ägypten und Tunesien festgehalten, obwohl die demokratischen Bewegungen längst weiter gingen in ihren demokratischen Forderungen. Das haben diese Graswurzelbewegungen nicht vergessen, wie die Schwierigkeiten zeigten, die US-Außenministerin Clinton bei ihren Reisen durch Nordafrika hatte, um Treffen mit solchen Gruppen für "Arab Spring"-Fototermine zu vereinbaren. Sie kassierte Absagen. So könnte man eine merkwürdige Parallele zwischen Obamas Rede und der Rede Osamas ("Die Sonne der Revolution ist vom Maghreb aufgegangen") ziehen. Beide wollen später noch auf einen Zug springen, der schon abgefahren ist.