WHO schlägt Alarm: Long-Covid erschöpft Mensch und Wirtschaft weltweit

Seite 2: Investiert in die Gesundheitssysteme und Forschung!

Da es bisher noch keine evidenzbasierten Behandlungsmethoden gibt, wird das Leben von vielen betroffenen Menschen "auf den Kopf gestellt", während sie eine lange, frustrierende Leidenszeiten ohne wirkliche Hilfe hinnehmen müssen, so Tedros.

Viele Ärzt:innen zeigen sich ebenfalls besorgt über die Entwicklungen. In einer Sermo-Umfrage unter 1.100 Ärzten weltweit sehen 62 Prozent eine Zunahme der Long-Covid-Symptome bei ihren Patienten in der Praxis. 57 Prozent der Befragten geben an, dass sie Patienten betreuen, die nach einer Infektion eine weitere Erkrankung (Autoimmunerkrankungen, Darmerkrankungen, Herzmuskelentzündungen, Vorhofflimmern usw.) neu diagnostiziert wurde. Long Covid wirke sich auch auf die mentale Gesundheit der Patienten aus: 77 Prozent der befragten Ärzt:innen geben an, dass sie bei ihren Long-Covid-Patienten eine Zunahme an psychischen Probleme feststellen konnten.

Zudem hat die Mehrheit der Ärzt:innen in der Befragung das Gefühl, dass es an klinischen Leitlinien für die Diagnose und Behandlung von Patienten mit Long-Covid in ihren Praxen mangelt. 86 bzw. 87 Prozent fehlen solche für die Diagnose und für die Behandlung.

Die ansteigende Anzahl an Long-Covid-Fällen wird gleichzeitig immer mehr zu einer Belastung auch für das medizinische Personal und die Gesundheitssysteme in den jeweiligen Ländern. Die WHO sieht daher dringenden Handlungsbedarf. Die Länder müssten auf die Patienten hören, bessere Daten sammeln, Informationen unter den Staaten austauschen und die Gesundheitspolitik gemäß den Erkenntnissen ausrichten.

Die Staaten müssten zugleich in ihre Gesundheitssysteme investieren und die Long-Covid-Forschung entschlossen vorantreiben, so WHO-Chef Tedros. So könnten Therapiemethoden entwickelt werden, während gleichzeitig die Patienten, die nicht mehr arbeiten können, finanziell unterstützt werden müssten.

In Rostock gibt es bereits ein deutschlandweit einmaliges Pionierprojekt für Corona-Langzeitkranke. Das neu gegründete Institut an der dortigen auf Lungenerkrankungen spezialisierte Klinik soll Betroffene, Krankenhäuser und Unternehmen in Sachen Long-Covid beraten. Geleitet wird die Initiative von der Expertin für Long-Covid-Erkrankungen Jördis Frommhold, Chefärztin der Rostocker Klinik und Präsidentin des neuen Ärzteverbandes Long Covid. Sie hat in den letzten Jahren mehr als 5500 Long-Covid-Patienten behandelt.

Die eindringlichen Mahnungen der WHO und von Gesundheitsexperten bezüglich Long-Covid finden statt vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen, Intensivbettenbelegungen und Todeszahlen. In Deutschland drängen Ärztevertreter in den Bundesländern daher zu weiteren Schutzmaßnahmen. Der Ärzteverband Marburger Bund rät zum Tragen von FFP2-Masken im ÖPNV und in öffentlichen Innenräumen. Angesichts der Situation von Krankenhäusern sagte dessen Vorsitzende Susanne Johna:

Das Personal geht jetzt schon wieder auf dem Zahnfleisch, ich mag mir nicht ausmalen, wie die Situation ist, wenn der Belegungsdruck auch durch viele Covid-19-Fälle weiter zunimmt oder sich gar eine zusätzliche Influenzawelle aufbaut.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Markus Beier, empfiehlt angesichts der prognostizierten Winterwelle eine Impfkampagne für die zweite Corona-Auffrischungsimpfung.

Die kalte Jahreszeit hat begonnen, der angepasste Impfstoff ist in ausreichender Menge vorhanden: Spätestens jetzt sollte die Impfquote in die Höhe schießen – tut sie aber leider nicht.

Die Ständige Impfkommission rät zu der Auffrischungs-Impfung für Menschen ab 60 Jahren und Gruppen mit Risikofaktoren. Bisher haben aber lediglich rund 28 Prozent der Über-60-Jährigen diesen Booster erhalten.