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Verbindliche Auskünfte sollen auch verbindlich kosten

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Die neue Regelung, dass Finanzämter für rechtsverbindliche Auskünfte Gebühren verlangen können, stößt auf Kritik. Die Begründungen lassen jedoch vermuten, dass diese Praxis nicht nur auf Finanzämter beschränkt bleiben könnte.

Finanzämter sind, so will es das Gesetz, verpflichtet, dem Bürger Auskunft zu gewähren. Die einfache Auskunft ist in der Abgabenordnung geregelt und eine Anfrage muss nicht begründet werden, bei der verbindlichen Auskunft ist dies anders. Hier müssen erhebliche Dispositionen des Steuerpflichtigen Gegenstand der Anfrage sein. Der Sachverhalt muss konkret geschildert werden und ein entsprechendes Verfahren eingehalten werden. Der Vorteil für den Anfragenden liegt in der Rechtsverbindlichkeit der Auskunft. Diese verbindliche Auskunft ist erst seit dem 12.09.2006 wirklich eine Verpflichtung der Finanzämter sowie des Bundeszentralamts für Steuern gemäß § 89 Abs. 2 AO, eingefügt mit dem Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5.9.2006.

Intransparenz der Gesetzgebung

Nun gilt die Steuergesetzgebung in Deutschland als sehr umfangreich und schwer verständlich, Privatpersonen greifen mehr und mehr auf Steuerberater zurück, um weder auf Vorteile zu verzichten noch Fristen, Angaben oder andere wichtige Dinge zu versäumen. Bei diesen kostet aber teils jede einzelne, auch triviale, Nachfrage. Das Finanzamt ist zwar weit weniger dabei hilfreich, Steuern zu sparen, doch Fragen kostete nichts. Bis jetzt.

2007 wird das neue Jahressteuergesetz in Kraft treten, welches laut offiziellen Angaben die momentanen Regelungen noch verkomplizieren wird. Die so oft geforderte Transparenz bezüglich der Steuergesetze wird nicht eintreten, vielmehr ist damit zu rechnen, dass die Anfragen wegen der Kompliziertheit zunehmen. Da hierdurch ein erhöhter Aufwand für die Finanzämter zu erwarten ist, hat sich – bisher eher unbemerkt – eine kleine Regelung in das Jahressteuergesetz geschlichen, welche nun für Empörung sorgt: die Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte.

Wie hoch die Gebühr sein wird, hängt von dem Wert ab, welche die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat. Kann der Wert nicht genau errechnet oder geschätzt werden, wird eine Zeitgebühr erhoben. Diese beträgt nach Informationen des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine pro angefangene Stunde 50 Euro, mindestens jedoch 100 Euro.

Wer nicht durchsteigt, darf zahlen

Das Prinzip der Gebühreneinführung ist für die Ämter praktisch: entweder bekommen sie nun weniger Anfragen oder aber zusätzliche Einnahmen allein dadurch, dass die Gesetze für Privatpersonen wie auch Unternehmen verkompliziert wurden. Der Vorteil der Gebührenpflicht, so der offizielle Tenor, liegt darin, dass auf diese Weise eine Regulierung durch Selbstdisziplin stattfinden soll. Es wird erwartet, dass durch die Gebühren manche unnötige Anfrage an das Finanzamt nicht gestellt wird.

Bedenkt man, dass die Anfrage um eine verbindliche Auskunft bereits jetzt formell geregelt und an strenge Regeln gebunden ist und somit auch für den Antragsteller einen nicht unerheblichen Aufwand darstellt, ist dieses Argument wenig überzeugend, zumal ein Anspruch auf Auskunft nicht besteht, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen bereits verwirklicht ist. Man kann also nur zu noch zu treffenden Entscheidungen eine Antwort erwarten, nicht zu bereits getroffenen.

Somit ist anzunehmen, dass die Auskünfte sich mehrheitlich auf Unklarheiten beziehen, somit also notwendig sind, um disponieren zu können. Die Gebührenpflicht wird sich insofern nicht regulierend auswirken können, sondern eher zu einer lukrativen Einkommensquelle entwickeln, so die Transparenz der Steuergesetze nicht zunimmt.

Demnächst auch für andere Ämter?

Das vermeintliche Regulierungsprinzip erinnert an den Gesetzesentwurf zur Einführung der Gebühren für Sozialgerichte: hier wurde die nicht zuletzt durch die ALGII-Gesetzgebung angestiegene Anzahl der Klagen als Begründung dafür genommen, eine Gebührenerhebung für den Gang zum Gericht zu verlangen. Hier wäre jedoch tatsächlich eine Verringerung der Klageanzahl zu erwarten, da die für ALGII-Empfänger in Frage kommende Prozesskostenbeihilfe an strenge Regeln gebunden ist, so beispielsweise an eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Doch auch für andere Ämter und Behörden könnte sich, bedenkt man den oft für Deutschland als typisch angesehenen "Regulierungswahn", die Gebührenpflicht für Auskünfte als lukrativer Nebenverdienst erweisen. Für Sozialagenturen beispielsweise dürfte ob der Undurchschaubarkeit der ALGII-Regelungen und der steten Änderungen derselben auch die Auskunftserteilung entweder die Anzahl der Anfragen reduzieren oder aber zusätzliches Geld in die Kassen spülen, so man dies verwirklicht.

Für die Ämter somit eine Win/Win-Situation, der Bürger hingegen kann nur verlieren, so er nicht in der Lage ist, die kompliziert verfassten Gesetzestexte selbst zu verstehen. Entweder er verzichtet auf eine Auskunft und spart zuerst vermeintlich Geld, besitzt aber keine Rechtssicherheit oder aber er zahlt entsprechende Gebühren, deren Höhe er selbst nicht einmal abschätzen kann. Für den Gesetzgeber stellt sich auf jeden Fall keine Notwendigkeit dar, Gesetze einfacher und transparenter zu gestalten, wenn verklausulierte und unverständlich verfasste Gesetzestexte Hilfe für die ohnehin eher leeren Kassen bedeuten. Autoren, die als Journalisten wegen unverständlicher Texte gescheitert sind, dürften bei den Behörden nun sehr gefragt sein…