Waffenexporte in Spannungsgebiete: "How dare you?!"
- Waffenexporte in Spannungsgebiete: "How dare you?!"
- Internationale Regelungen, um Waffenexporte in Spannungsgebiete zu verhindern
- Die Realität der Waffenexporte
- Lösungsperspektiven
- Forderungen zur Kontrolle der Rüstungsexporte
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Rüstungsindustrie und Bundesregierung verstoßen systematisch gegen nationale und internationale Vereinbarungen
Zum Charakter von Waffenexporten in Spannungsgebiete: "in einer merkwürdig ungeformten Weise hinter ihrer eigenen Zivilisation zurückgeblieben".
Greta Thunberg warf den auf dem UN-Klimagipfel vertretenen Staats- und Regierungschefs 2019 mit ihrem empörten "How dare you?!" ihre Ignoranz und Untätigkeit angesichts der eintretenden Klimakrise vor. Müsste man nicht den gleichen empörten Vorwurf 2020 der Waffenindustrie machen und in der politischen Öffentlichkeit gegen die Vertreter der Bundesregierung, die Waffenexporte in Spannungsgebiete genehmigen, erheben: "Wie können Sie es wagen!?"
Ist die menschengemachte Klimakrise nicht vergleichbar mit den Waffenexporten in Spannungsgebiete? Die Klimakrise und ethisch nicht zu rechtfertigende Waffenexporte stellen ein globales Phänomen dar, das durch den Menschen verursacht wird. Auch in der durch Waffenexporte beschleunigten Destruktion von Gesellschaftssystemen gibt es Kippunkte und Rückkoppelungseffekte, wie dies ebenfalls bei der krisenhaften Entwicklung der Klimakrise der Fall ist. Letztlich bleiben eine sich steigernde Destruktionsdynamik mit Toten und Verletzten, Failed States, einer zerstörten Umwelt sowie zertrümmerten Gebäuden und Einrichtungen übrig.
Entsteht beides - Klimakrise und durch globalen Waffenexport verschärfte Kriegssituationen - aus dem gleichen Zustand moralischer Unterentwicklung, aus der gleichen unreifen Geisteshaltung?
Theodor W. Adorno kritisierte bereits vor etwa einem halben Jahrhundert das Hinterhinken der emotionalen und moralischen Entwicklung der Menschen hinter der technologischen Entwicklung als Voraussetzung eines gesellschaftlichen Zustands der "Barbarei":
Ich meine dabei mit Barbarei etwas ganz Einfaches, daß nämlich im Zustand der höchstentwickelten technischen Zivilisation die Menschen in einer merkwürdig ungeformten Weise hinter ihrer eigenen Zivilisation zurückgeblieben sind - nicht nur, dass sie in ihrer überwältigenden Mehrheit nicht die Formung erfahren haben, die dem Begriff der Zivilisation entspricht, sondern dass sie erfüllt sind von einem primitiven Angriffswillen, einem primitiven Haß oder, wie man das gebildet nennt, Destruktionstrieb, der noch das Seine dazu beiträgt, die Gefahr zu steigern, dass diese ganze Zivilisation, wozu sie von sich aus schon tendiert, in die Luft geht.
Theodor W. Adorno
Allerdings wäre es sicherlich eine zu starke Psychologisierung, die aktuell wieder von Greenpeace festgestellten Waffenexporte in Spannungsgebiete allein einem Destruktionstrieb, der durch Hass und Angriffswillen charakterisiert ist, zuzuschreiben. Diese entspräche sicherlich nicht Adornos Intention, der immer auch das gesellschaftlich Ganze und dessen Herrschaftsstrukturen in den analytischen Blick nahm.
Der militärisch-ökonomische Komplex - verantwortlich für Waffenexporte in Spannungsgebiete
Neben psychischen Dispositionen spielen daher insbesondere ökonomische und politische Motive eine zentrale Rolle beim Export von Rüstungsgütern in Spannungsgebiete. Hierbei sollen unter der Bezeichnung "Spannungsgebiete" alle Staaten und Regionen gemeint sein, in denen entweder zwischenstaatliche Kriege, asymmetrische Konflikte sowie massive staatlich organisierte Menschenrechtsverletzungen und staatlich organisierter Terror sowie Bürgerkriege drohen oder bereits existieren.
Zu den ökonomischen Motiven des Rüstungsexportes auch in Spannungsgebiete lässt sich feststellen, dass die Rüstungsindustrie wachsende Renditen verzeichnet, steigende Aktienkurse notiert, bei Anlegern besonders nachgefragt ist und sich auch in Krisenzeiten in einem sicheren Verwertungszusammenhang befindet.1
Die genehmigenden Politikerinnen und Politiker wiederum geben vor, Arbeitsplätze und Technologietransfer sichern zu wollen, haben z.T. ebenfalls ökonomische Interessen ("Drehtüreffekt"), stehen unter dem massiven Lobbydruck der Rüstungsindustrie und handeln aus dem Kalkül geostrategischer Interessen heraus.
Der damals scheidende US-Präsident Dwight D. Eisenhower - als Republikaner wahrlich kein politisch links stehender Kritiker des Systems - warnte bereits 1961 in einer Fernsehansprache vor dem militärisch-industriellen Komplex, der aus seiner Sicht dabei sei, die demokratische Staatsform mit seinem Einfluss zu unterlaufen. Zu diesem Komplex gehören Industrielle, Politiker, Militärs und alle, die von der Produktion und dem Handel von Waffen ökonomisch profitieren. Eisenhower warnte eindringlich vor dem entdemokratisierenden Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes:
In the councils of government, we must guard against the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought, by the militaryindustrial complex. The potential for the disastrous rise of misplaced power exists and will persist. We must never let the weight of this combination endanger our liberties or democratic processes.
Dwight D. Eisenhower
Offiziell positioniert sich jeder politisch Verantwortliche, Wähler wirksam, gegen die Waffenexporte in Spannungsgebiete, da die nationale und internationale Rechtslage bzw. entsprechende Verordnungen hier inzwischen öffentlich wahrnehmbare Barrieren markieren. Auch sind Waffenexporte in Spannungsgebiete nicht populär. Die überwiegende Mehrheit (mehr als drei Viertel) der deutschen Bevölkerung lehnt Waffenexporte in Spannungsgebiete ab.2
Neben den ökonomischen Motiven spielen geopolitische Motive beim Waffenexport eine Rolle. Waffen bekommen vor allem diejenigen, von denen sich die genehmigenden Politiker im Falle ihres militärischen Sieges einen Vorteil erhoffen. Manchmal werden sogar beide gegeneinander kämpfende Kriegsparteien gestärkt, wenn deren geostrategische Schwächung dem Interesse der Waffen liefernden Nationen entspricht. Die Waffenlieferungen sowohl an den Iran als auch an den Irak von Seiten der USA und auch der damaligen UDSSR während des ersten Golfkriegs sind ein Beispiel hierfür. Das zynische Kalkül, beide Seiten zu schwächen, ließ einen Krieg eskalieren, dem etwa eine Million Menschen zum Opfer fielen.3
Welche konkreten rechtlichen Barrieren wurden nun im Zuge langanhaltender Proteste und deutlicher Kritik an Waffenexporten in Spannungsgebiete errichtet?
Dieser Frage soll im nächsten Abschnitt der Untersuchung zunächst für die internationale Ebene und dann für die nationalen Rechtsgrundlagen der Genehmigungspraxis nachgegangen werden. Anschließend wird gefragt, wie wirkungsvoll diese Regelungen für die tatsächliche Praxis der Waffenexporte in Spannungsgebiete sind.
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